Faktencheck: Heilige Nacht „gar nicht so heilig“

In einem neuen Buch geht ein Theologenehepaar der Weihnachtsgeschichte mit einem Faktencheck auf den Grund und räumt mit den Geschichten über die Herberge von Maria und Josef, Jesu Geburt im Dezember und den Heiligen Drei Königen auf. Die „Heilige Nacht“ dürfte gar nicht so heilig gewesen sein.

Fakt sei zum Beispiel, dass die demnächst als Weihnachtsfest gefeierte Geburt von Jesus Christus nicht im Dezember, sondern in einer wärmeren Jahreszeit stattgefunden habe, heißt es in dem Buch „Von wegen Heilige Nacht. Der große Faktencheck zur Weihnachtsgeschichte“.

Die Niederkunft Marias erfolgte zudem nicht einsam in einem ärmlichen Ambiente, sondern Jesus kam „behütet zur Welt, von der Dorfgemeinschaft freudig umsorgt, in einem gewöhnlichen judäischen Haushalt“. Die Theologin Claudia Paganini und der Theologe Simone Paganini beschreiben in ihrem Buch die in der Bibel für jedermann nachlesbaren Ereignisse, wie sie im Gespräch mit der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ erklärten.

Später ausgeschmückt, Botschaft zentral

„Unsere Absicht ist es nicht, die Weihnachtsgeschichte zu zerstören. Im Gegenteil, die wissenschaftlichen Methoden führen dazu, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert“, so die Autoren. Der genaue Zeitpunkt oder Ort der Geburt Jesu sei nicht überliefert: „Wir wissen es nicht, aber es ist nicht wichtig.“ Später ausgeschmücktes „Drumherum“ sei auch die Präsenz Josefs bei der Geburt, die Zurückweisung durch Quartiergeber und die Heiligen Drei Könige – „sie waren weder drei noch Könige“, wiesen die Paganinis hin.

Gerrit van Honthorst  (1592–1656)  Die Anbetung der Hirten
Gemeinfrei/Gerard van Honthorst (1592–1656)
Die bekannte und beliebte Weihnachtsgeschichte ist ausgeschmückt

Das Wesentliche sei demgegenüber die Botschaft: „Gott kommt in die Welt und möchte den Menschen nahe sein.“ Die Besinnung darauf könne korrigieren, dass Weihnachten „bei uns stark von Wirtschaft und Konsum bestimmt“ sei, so das Theologenpaar.

Nacht gar nicht so „heilig“ und ohne Josef

Die vor allem im Lukasevangelium überlieferte Weihnachtgeschichte erzähle von einer gar nicht so „heiligen“ Nacht, sondern von einer wohl eher „ganz normalen Geburt“, teilten die Paganinis mit.

Buchhinweis

Simone und Claudia Paganini: „Von wegen Heilige Nacht. Der große Faktencheck zur Weihnachtsgeschichte“ mit Illustrationen von Esther Lanfermann. Gütersloher Verlagshaus, 14,40 Euro, 157 Seiten.

Antike Texte würden immer nur das Besondere überliefern, die Evangelien jedoch nichts über den Geburtsvorgang berichten. „Also müssen wir fragen, wie geschah damals eine normale Geburt? Es war ein freudiges Ereignis, aber natürlich eine reine Frauensache, Männer hatten dabei nichts verloren.“

Keine „Herberge“, sondern Gästezimmer

Mit dem im Lukasevangelium verwendeten griechischen Wort „Katalyma“ sei keine „Herberge“ wie in der einflussreichen Übersetzung Martin Luthers gemeint, sondern eine Art Gästezimmer oder Lagerraum. „Die einfachen Häuser hatten damals zwei Räume“, gaben die beiden Autoren Einblicke in die Lebenswelt zur Zeit Jesu.

„Im großen Hauptraum spielte sich alles ab, nachts schliefen da auch die Tiere und es gab eine Futterkrippe in der Wand.“ Durch die Volkszählung seien viele Leute in Bethlehem bei ihren Verwandten untergebracht gewesen. Als Maria plötzlich die Wehen bekam, sei in dem möglicherweise überfüllten Gästezimmer nicht genug Platz für die Geburt gewesen, „also wird sie in den Hauptraum gebracht … Die Frauen halfen bei der Geburt. Dann legten sie das Neugeborene an den sichersten Ort, das war die Futterkrippe“.

Weihnachten früher im Frühling gefeiert

Warum all dies eher nicht im Winter geschah, erklärten Claudia und Simone Paganini mit dem Hinweis in der Bibel, dass die Engel zu Hirten kamen, die im Freien schliefen. Die Winter in Israel und Palästina seien jedoch zu kalt, um auf wärmende, aber stickige Zelte zu verzichten.

Erst im späten Frühling oder Frühsommer schliefen Hirten lieber draußen. „Das heißt, die Weihnachtsgeschichte spielt nicht im Dezember“, so die Theologen. Noch im 4. Jahrhundert sei Weihnachten im Frühling gefeiert worden.

Weihnachtsgeschichte „kein Märchen“

Wenig bekannte Hintergründe erläutern die Paganinis in ihrem Buch auch über die Engel, die in der altorientalischen Welt zum Hofstaat Gottes gehörten und bei Lukas als ein großes himmlisches Heer auftreten, und über die wehrhaften Hirten, die im Kriegsfall sofort eingezogen wurden. Abschließend legen die Autoren aber auch dar, „warum die Weihnachtsgeschichte kein Märchen ist“.

Claudia Paganini studierte Theologie und Philosophie, promovierte 2004 „sub auspiciis“, 2018 folgte die Habilitation. Heute lehrt sie Christliche Philosophie an der Uni Innsbruck und reüssierte heuer etwa bei „Science Slam“-Wettbewerben, bei denen Zuschauer in wenigen Minuten für das eigene Wissenschaftsfach begeistert werden sollen. Ihr Mann Simone Paganini ist Professor für Biblische Theologie in Aachen.