Kardinal Christoph Schönbor
APA/Georg Hochmuth
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Lesbos

Schönborn: Hundert Familien aufnehmen

Kardinal Christoph Schönborn hat an die österreichische Bundesregierung appelliert, Menschen aus den Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen. Österreich könne etwa 100 Familien mit kleinen Kindern aufnehmen, so Schönborn.

„Bürgermeister, Gemeinden, Pfarren haben ihre Bereitschaft erklärt, Familien bei uns aufzunehmen. Ich bitte darum!“, schrieb der Wiener Erzbischof in seiner wöchentlichen Kolumne für die Gratiszeitung „Heute“ (Freitag-Ausgabe).

„Die Menschen in diesen Lagern haben fast immer dramatische Fluchtwege hinter sich. Die Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft hält sie aufrecht. Wir können nicht alles Leid der Welt lösen. Aber das Klopfen der Herbergsuchenden sollten wir nicht überhören. Jesus war einer von ihnen!“, schrieb der Kardinal weiter.

„Erschütternd und katastrophal“

Er verwies dabei auf den Besuch des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler in der Vorwoche auf der griechischen Insel Lesbos. Dieser habe die Zustände im dortigen Lager Kara Tepe als „erschütternd und katastrophal“ bezeichnet.

Zum Internationalen Tag der Migranten am Freitag hatten sich bereits zuvor zahlreiche Organisationen zu den Zuständen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln zu Wort gemeldet und eine Aufnahme von Menschen in Österreich gefordert. Die Frage spaltet die Regierung bisher: Während sich die Grünen dafür aussprechen, stellt sich die ÖVP vehement gegen die Forderung.

„Beispiellose Herbergssuche“

Gegenüber Kathpress bekräftigte der Kardinal am Freitag seine Forderung: Eine humanitäre Katastrophe wie jene auf den griechischen Inseln müsse eine humanitäre Kraftanstrengung zur Folge haben. „Wenige Tage vor Weihnachten erleben wir auf europäischem Boden eine beispiellose Herbergssuche, bei der tausende Menschen – darunter sehr viele Familien und Kinder – in überfluteten Zelten ausharren müssen. Manche der Babys sind erst zwei Wochen alt. Hier geht es um Neugeborene“, so der Kardinal.

Finanzielle Hilfe „richtig“

Österreichs Bischöfe hätten es in der Vergangenheit stets begrüßt, wenn die Bundesregierung oder jetzt die einzelnen Bundesländer Schritte gesetzt hätten, um geflüchteten Menschen im Norden Syriens und auf den griechischen Inseln beizustehen. „Die Zusicherung finanzieller Hilfen und die Lieferung von Hilfsgütern ist richtig und hoffentlich Ermutigung für andere Staaten Europas, diesem Beispiel zu folgen“, so Schönborn.

Doch trotz intensiver Anstrengungen vieler EU-Staaten und zahlreicher Hilfsorganisationen und Initiativen an Ort und Stelle sei es bis heute nicht gelungen, die Situation der Menschen nachhaltig zu verbessern und einen menschenwürdigen Umgang mit Schutz suchenden Menschen sicherzustellen. Im Gegenteil: „Die Lage spitzt sich weiter zu.“

Österreich ist sich „seiner Verantwortung bewusst“

Deshalb sein Appell an die österreichische Bundesregierung, neben der Hilfe an Ort und Stelle jetzt auch all jene Orte in ganz Österreich zu unterstützen, die sich bereiterklärt haben, Familien mit Kindern bei sich aufzunehmen. Österreich habe in der Vergangenheit immer wieder eindrucksvoll bewiesen, „dass es sich seiner humanitären Verantwortung bewusst ist“.

Etwa 100 Familien aufnehmen

Österreich habe sich immer wieder an humanitären Aufnahmeprogrammen beteiligt, sagte der Kardinal. „Wir können und sollen an diese positive Erfahrung aus der Vergangenheit auch jetzt anschließen. Unsere gemeinsame Bitte lautet, jetzt dem Beispiel Deutschlands, der Schweiz und anderer europäischer Staaten zu folgen und den Schwächsten der Schwachen – etwa 100 Familien mit kleinen Kindern – Schutz und Herberge auch in Österreich zu geben.“

Das Coronavirus habe allen in den vergangenen Monaten sichtbar vor Augen geführt, „wie verletzlich auch unsere Gesellschaft und unser aller Leben sein können“. Ein Leben in Sicherheit sei nicht selbstverständlich. „Diese Erfahrung sollte uns auch hellhörig bleiben lassen, wenn Menschen gezwungen sind, vor Krieg und Verfolgung aus ihrer Heimat zu fliehen“, so Schönborn.