USA

Religionsvertreter verurteilen Erstürmung des Kapitols

Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Jose Gomez von Los Angeles, hat die gewaltsamen Proteste und den Sturm des Kapitols durch Trump-Anhänger in Washington verurteilt.

„Das ist nicht das, was wir als Amerikaner sind. Ich bete für die Mitglieder des Kongresses und die Mitarbeiter des Kapitols sowie für die Polizei und alle, die daran arbeiten, die Ordnung und die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen“, so Gomez laut einer am Mittwochabend (Ortszeit) veröffentlichten Mitteilung der Bischofskonferenz.

„Der friedliche Übergang der Macht ist eines der Markenzeichen dieser großen Nation“, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende. „In diesem beunruhigenden Moment müssen wir uns wieder auf die Werte und Prinzipien unserer Demokratie besinnen und als eine Nation unter Gott zusammenkommen.“

Kritik an „spaltendem Ton“

Der Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton Gregory, rief zu Frieden und Einheit auf. Zugleich übte er Kritik an der Politik. „Der spaltende Ton, der in letzter Zeit unsere nationalen Gespräche so dominiert hat, muss sich ändern. Diejenigen, die zu hetzerischer Rhetorik greifen, müssen eine gewisse Verantwortung für die zunehmende Gewalt in unserer Nation übernehmen“, so Gregory in einer von der Erzdiözese veröffentlichten Mitteilung.

Die USA seien zur Demokratie berufen, so der Erzbischof. Dazu gehöre, die Meinung anderer zu respektieren und die Menschenwürde derjenigen anerkennen, mit denen man nicht übereinstimme.

Ausgangssperre und Notstand

Zuvor hatten hunderte Unterstützer von US-Präsident Donald Trump das Kapitol in Washington gestürmt, offenbar um das Kongressverfahren zur Bestätigung des gewählten Präsidenten Joe Biden zu stören. Beide Kammern des Kongresses unterbrachen ihre Sitzungen. Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser rief den Notstand aus und verhängte eine Ausgangssperre für die Nacht; später verlängerte sie den Notstand um 15 Tage bis nach der Amtseinführung Bidens.

Gegen 18.00 Uhr Ortszeit räumten Sicherheitskräfte das Gebäude. Die unterbrochene Sitzung zur Zertifizierung der Wahlergebnisse wurde fortgesetzt. Nach Polizeiangaben starben im Zusammenhang mit den Ausschreitungen vier Menschen, weitere wurden zum Teil schwer verletzt. 52 Menschen seien bei den Ausschreitungen rund um das Kapitol festgenommen worden.

Die Onlinedienste Facebook, Twitter und Youtube sperrten vorübergehend die Accounts von Donald Trump – dieser hatte seine Anhänger zwar aufgefordert, nach Hause zu gehen, jedoch auch Behauptungen zu vermeintlichem Wahlbetrug wiederholt.

Weltkirchenrat zutiefst besorgt

Auch der Weltkirchenrat zeigte sich angesichts der gewaltsamen Proteste von Trump-Unterstützern in Washington tief besorgt. „Die spaltende populistische Politik der vergangenen Jahre hat Kräfte freigesetzt, die die Grundlagen der Demokratie in den Vereinigten Staaten und – in dem Maße, wie sie ein Beispiel für andere Länder darstellen – in der ganzen Welt bedrohen“, sagte der Interims-Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Ioan Sauca, in der Nacht zu Donnerstag. Die Entwicklungen hätten Auswirkungen weit über die amerikanische Innenpolitik hinaus und seien von ernster internationaler Bedeutung.

Der ÖRK forderte ein sofortiges Ende der Gewalt und eine Rückkehr zu etablierten demokratischen Prozessen. Alle Parteien seien aufgerufen, „kurzfristigen politischen Interessen zu widerstehen“ und verantwortlich zu handeln. „Wir beten, dass die Kirchen Amerikas mit Weisheit und Kraft ausgestattet werden, um in dieser Krise und auf dem Weg des Friedens, der Versöhnung und der Gerechtigkeit eine Führungsrolle zu übernehmen“, sagte Sauca.

Viele Reaktionen

Auch weitere US-Religionsvertreter verurteilten die gewaltsamen Proteste und den Sturm des Kapitols. Der Präsident und Generalsekretär des nationalen Kirchenrats der USA, Jim Winkler, bezeichnete die Vorgänge als „unerhört, inakzeptabel, beschämend und eine Schande“. Die Strafverfolgungsbehörden müssten alles tun, um die Ordnung wiederherzustellen und die an der Gewalt Beteiligten zur Verantwortung zu ziehen.

Der Vorsitzende der Episkopal-Kirche in den USA, Bischof Michael Curry, nannte den Angriff auf das Kapitol einen Putschversuch und zeigte sich zutiefst beunruhigt.

„Gefährlicher Mob-Angriff“

Russell Moore, Präsident der Kommission für Ethik und Religionsfreiheit der Southern Baptist Convention, der größten protestantische Kirche der USA, äußerte sich auf Twitter entsetzt.

„Dieser Mob-Angriff auf unser Kapitol und unsere Verfassung ist unmoralisch, ungerecht, gefährlich und unentschuldbar“, schrieb er. „Was mit unserem Land passiert ist, ist tragisch und hätte vermieden werden können.“

Der Direktor des Religious Action Center of Reform Judaism, Rabbi Jonah Dov Pesner, nannte die Ausschreitungen einen „nie dagewesenen Angriff (…) auf die amerikanische Demokratie selbst“.

Vatikanzeitung sieht Verantwortung bei Trump

Die halbamtliche Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ gab dem abgewählten US-Präsidenten Donald Trump Schuld an der Gewalt. Die Verantwortung liege bei dem, der mit polarisierenden Reden Tausende mobilisieren könne, schreibt das Blatt in seiner Freitagsausgabe unter Verweis auf Trumps unbewiesene Behauptungen einer Wahlfälschung. Weiter spricht der „Osservatore“ von einem „dramatischen Tag für die Demokratie der Vereinigten Staaten“. Die Demokratie sei ein „zerbrechliches Gut“, das auch in Ländern verteidigt werden müsse, in denen sie scheinbar etabliert sei.

Der „Osservatore Romano“ erscheint unter einer eigenständigen redaktionellen Verantwortung, gehört aber zum Medienapparat der katholischen Kirchenleitung. Der Papst und der Vatikan äußerten sich erwartungsgemäß bislang nicht zu den Vorgängen in Washington.