Die Coronavirus-Pandemie habe bereits bestehende Benachteiligungen verstärkt, heißt es im „Weltverfolgungsindex 2021“, einer Rangliste von 50 Ländern mit der stärksten Christenverfolgung. Auffällig sei, dass „sich die Intensität der Christenverfolgung im letzten Jahr deutlich verschärft hat“; so habe sich die Anzahl der aufgrund ihres Glaubens getöteten Christen von 2.983 im Vorjahr auf aktuell mindestens 4.761 erhöht.
„Erstmals in der Geschichte des Weltverfolgungsindex weisen alle 50 Länder nicht nur ein hohes, sondern ein sehr hohes oder extremes Ausmaß an Verfolgung auf“, konstatierte Kurt Igler, Leiter von Open Doors Österreich. Es sei ein „trauriger Höchstwert“ einer jahrelangen Entwicklung. Der aktuelle Berichtszeitraum gilt von 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020.
Platz eins seit 20 Jahren Nordkorea
Auf Platz 1 des Weltverfolgungsindex findet sich im neuen Bericht wieder Nordkorea; das asiatische Land steht seit 20 Jahren auf diesem Rang. Dahinter folgen Afghanistan, Somalia, Libyen, Pakistan und Eritrea. Die Plätze sieben bis zehn nehmen Jemen, der Iran, Nigeria und Indien ein. Es folgen u.a. der Irak (11), Syrien (12), Sudan (13), Saudi-Arabien (14) und die Malediven (15).
Covid-19 „wie Katalysator“
Bereits bestehende strukturelle Diskriminierungen von Christen seien im Zuge der Covid-19-Pandemie noch verstärkt worden. Das Virus wirke „wie ein Katalysator für ihre prekäre Situation“, so Open Doors. Speziell Christen in vielen Ländern Asiens wie Indien bekämen keine oder kaum staatliche CoV-Hilfen.
In einigen west- und zentralafrikanischen Ländern nutzten islamistische Gruppen die Lockdown-Maßnahmen, um ihre Aktivitäten und Angriffe gegen Christen auszuweiten, da Sicherheitskräfte nur beschränkt handlungsfähig gewesen seien, meldete das Hilfswerk. Die Pandemie habe aber auch dazu geführt, Christen zu beschuldigen, dass sie oder ihr „falscher Glaube“ Ursache für die Krankheit seien.
Überwachung und Einschränkungen in China
In China (Rang 17) registriert das Hilfswerk eine zunehmende digitale Überwachung. Ziel des Staates sei ein „Social Scoring“, mittels dessen die Kontrolle und Steuerung der Bürger erreicht werden soll. Die kommunistische Partei habe den Druck auf staatlich registrierte sowie nicht-registrierte Kirchen weiter verstärkt: So seien Kameras mit Gesichtserkennungssoftware in Gottesdiensten Vorschrift, Kindern und Jugendlichen sei die Teilnahme verboten.
Antikonversionsgesetz in Indien
In Indien (Rang 10) dokumentierte Open Doors eine weitere Steigerung hassmotivierter Übergriffe gegen Christen. Die Regierung habe zudem die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen durch ausländische Geldgeber per Gesetz massiv eingeschränkt, was die meisten christlichen Organisationen sowie Kirchen, Schulen oder Krankenhäusern treffe.
Mittlerweile wird auch die öffentliche Verbreitung des christlichen Glaubens in acht der 28 indischen Bundesstaaten bestraft, dort ist ein Anti-Konversionsgesetz in Kraft; andere planen dessen Einführung.
Prekäre Lage im Nordirak
Prekär sei die Lage von Christen auch im Nordirak, wo im Zuge einer türkischen Militäroffensive die Christen der Region Dohuk erneut vertrieben wurden, die zuvor vor dem IS aus der Ninive-Ebene dorthin geflohen waren. Zudem siedle die Türkei im bislang kurdisch geprägten Nordosten von Syrien gezielt syrische Flüchtlinge an und vertreibe mit islamistischen Söldnern aus Syrien sowohl alteingesessene Christen als auch kurdische Konvertiten, so Open Doors.
Gewalt und Vertreibung in Subsahara-Afrika
Afrika verzeichnet laut „Weltverfolgungsindex 2021“ die höchste Zahl ermordeter Christen. Tödliche Angriffe auf Christen hätten insbesondere in Subsahara-Afrika stark zugenommen; dabei würden islamistische Gruppen länderübergreifend kooperieren, um Christen zu vertreiben.
Ähnlich die Lage in Nigeria (Rang 9) wo mit 3.530 die meisten Christen getötet wurden, der Großteil von April bis August 2020, als das Land wegen der Covid-19-Pandemie abgeriegelt war. Wegen der seit Jahren zunehmenden Gewalt gegen Christen sei auch die Demokratische Republik Kongo (40) neu auf dem Weltverfolgungsindex, ebenso auch Mosambik (45), erklärte Open Doors.
Appell an westliche Regierungen
Als Konsequenz appellierte Igler an westliche Regierungen, bei internationalen Entwicklungsmaßnahmen auch gefährdete religiöse Minderheiten zu berücksichtigen. So müssten die Behörden der Zielländer u.a. Rechenschaft über die Verteilung der Gelder und Hilfsmaßnahmen geben müssen und „mit lokal verwurzelten, überparteilich respektierten religiösen Leitern und Seelsorgern kooperieren“, forderte der Open-Doors-Österreich-Leiter.
Open Doors unterstützt nach eigenen Angaben in rund 65 Ländern verfolgte Christen. Im deutschsprachigen Raum widmet es sich vorwiegend der Berichterstattung über ihre Unterdrückung.
Weit gefasster Verfolgungsbegriff
Open Doors folgt – ebenfalls nach eigenen Angaben – einem weiten Verständnis des Begriffs Christenverfolgung. Wenn Gläubige mit Konsequenzen für Familie, Besitz, Leib und Leben rechnen müssen, spricht Open Doors von Christenverfolgung.
Dazu zählt auch, „wenn Christen aufgrund ihres Glaubens beispielsweise ihre Arbeit oder ihre Lebensgrundlage verlieren, wenn Kinder aufgrund ihres Glaubens oder des Glaubens ihrer Eltern keine oder nur eine schlechte Schulbildung bekommen oder Christen aufgrund ihres Glaubens aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben werden“, heißt es zur Definition auf der deutschen Website von Open Doors. Viele Repressalien betreffen allerdings auch Angehörige anderer Religionen oder Weltanschauungen.