Flüchtlingslage Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos
Reuters/Elias Marcou
Reuters/Elias Marcou
Lesbos

Glettler: Taktieren beenden, Flüchtlinge aufnehmen

Neueste Fotos aus dem Notlager Kara Tepe alarmieren. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler sieht es als nicht mehr verständlich, dass Engagierte, politische und kirchliche Gemeinschaften sich „der politischen Haltung des Bundeskanzlers zu beugen“ hätten.

„Sie verbieten allen, die sich eine Restmenge an Empathie bewahrt haben, ein politisches Taktieren“, und sie sollten zur Aufnahme von Familien in Österreich aufrütteln: Das hebt der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in einem am Sonntag veröffentlichten Appell an mehrere österreichische Medien hervor: „Die Zeit des geduldigen Wartens geht zu Ende – weil es um konkrete Menschen mit ihren unerträglichen Schicksalen geht!“

"Eine Woche mit anhaltenden Regenfällen hat auf der Insel begonnen. Die Temperaturen während der Nacht werden laut Prognose in den kommenden Tagen auf fünf Grad fallen. Und in der 16-Tage Prognose bleiben sie auf diesem erschreckenden Tiefstand.

‚Hilfe vor Ort‘ nur mehr zynisch

Die Rede von einer ‚Hilfe vor Ort‘ als Ersatz für eine Evakuierung des Lagers ist angesichts dieser winterlichen Temperaturen nur mehr zynisch. Wo ist denn die Hilfe vor Ort, wenn auf den Wegen zwischen den Zelten das Wasser steht, die Feuchtigkeit und Kälte nicht mehr aus den Notzelten zu entfernen ist und schlimmste Erkrankungen zu befürchten sind?

Wo ist denn die Hilfe vor Ort, wenn sich über 7.000 Menschen immer noch mit einem Kübel Wasser kalt duschen müssen, weil die 37 (!) Warmwasser-Duschen nicht ganz ausreichen? Wo ist denn die Hilfe vor Ort, wenn eine magere Mahlzeit pro Tag (an einigen Tagen ist diese auch noch kalt!) den Hunger der Menschen nicht wirklich stillen kann?", heißt es wörtlich.

Flüchtlingszelte auf Lesbos im Schlamm
APA/AFP/Anthi Pazianou
Das Lager auf Lesbos ist überflutet. Es fällt schwer die Zelte trocken zu halten

100 Familien jetzt aufzunehmen „ohne Wenn und Aber“

Der Bischof appelliert, 100 Familien jetzt aufzunehmen, „ohne Wenn und Aber“. Über alle Parteigrenzen hinweg sollte Österreich „den längst fälligen Beitrag zur Beendigung der elendigen Situation auf Lesbos leisten“. Jedes politische Kalkül auf Kosten dramatisch notleidender Menschen sei „ein Hohn jeder christlich sozialen Politik“.

Der humanitäre Anstand verpflichte dazu, in einer akuten Notlage rasch und effektiv zu helfen. Diesen humanitären Anstand habe Österreich in vielen Katastrophenfällen seit dem Krieg immer gezeigt, und auch aktuell geschehe dies in Kroatien.

Notwendigkeit einer sofortigen ‚humanitären Aufnahme‘

"Es geht also nicht um eine Asyldebatte, sondern um die Notwendigkeit einer sofortigen ‚humanitären Aufnahme‘ von Menschen in Not. Die Aufnahme von 100 Familien (Man beachte: mindestens 250 Familien im Lager haben einen positiven Asylbescheid!) wäre ein deutliches Zeichen, dass ganz Europa handeln muss. Lesbos und die anderen griechischen Inseln, die eine ähnliche Misere zeigen, sind mittlerweile Synonym für das Versagen einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik.

Das ist nicht mehr zu entschuldigen. Es geht um das Schicksal Tausender Menschen. Sie dürfen nicht der Spielball einer europäischen Abschreckungspolitik bleiben. Nach den positiv abgeschlossenen Asylverfahren müssen die Leute fair in Europa verteilt werden.

Das wiederholte Argument von den zu fürchtenden Pull-Faktoren verkommt zu einem unerträglichen Gerede, wenn man die Situation vor Ort auch nur annähernd kennt und ernstnimmt", heißt es wörtlich im Appell. Alle Mitgliedsstaaten der EU seien zum Handeln aufgefordert. Der humanitäre Schandfleck Lesbos sei für Europa, das einer Menschenrechts- und eine Flüchtlingskonvention verpflichtet ist, einfach nicht zu tolerieren, so Glettler.