Imame der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) am Mittwoch, 14, Juni 2017, im Rahmen der Unterzeichnung einer Deklaration gegen Extremismus im islamischen Zentrum in Wien
APA/Herbert Neubauer
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Politik

Neues Islamgesetz: Mehr Kontrolle und harte Strafen

Die Regierung will mit einem verschärften Islamgesetz mehr Kontrolle über muslimische Gemeinden erlangen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist gegen die, wie sie kritisiert, „verfassungsrechtlich heikle“ Novelle. Der Religionsrechtler Andreas Kowatsch ortet „überschießende Strafen“.

Die Regierung legte im Dezember im Rahmen eines Anti-Terror-Pakets ein novelliertes Islamgesetz vor, es ist bis 2. Februar in Begutachtung. Wenn das Gesetz so vom Nationalrat beschlossen wird, erhält das Kultusamt umfassende Kontrollmöglichkeiten über die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) sowie ihre Kultus- und Moscheegemeinden. Konkret geht es vor allem darum, dass das Kultusamt das Verbot der Finanzierung durch einen ausländischen Staat besser kontrollieren, Moscheen und Kultusgemeinden leichter schließen kann und genaue Informationen darüber erhält, welcher Imam in welcher Moschee predigt.

„Konsensorientierte Gespräche“ und eine Abkoppelung der Novellierung des Islamgesetzes vom Anti-Terror-Paket fordert indes die IGGÖ in einer Stellungnahme. Man sieht den Bedarf für eine Novellierung des Islamgesetzes, doch eine solche im Kontext von Terrorbekämpfung durchzuführen, sei „verstörend“. Religionsrechtexperte Kowatsch vom Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht an der Uni Wien sieht nach Jahrzehnten, in denen der Staat ein liberales Miteinander mit den Religionsgemeinschaften pflegte, eine Tendenz des Staates, „die Zügel wieder mehr in die Hand zu nehmen“, wie er im Gespräch mit religion.ORF.at sagte.

Gläserne Kassen

Die Regierung sichert sich mit dem neuen Islamgesetz jedenfalls Einsicht in die Finanzen der muslimischen Gemeinden. Die Religionsgesellschaft, also die Islamische Glaubensgemeinschaft, aber auch die Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich müssen in Zukunft jährlich ein Vermögensregister der ihnen zugeordneten Kultus- und Moscheegemeinden offenlegen. Das soll es dem Kultusamt ermöglichen, zu kontrollieren, ob das 2015 mit dem Islamgesetz eingeführte Verbot der Auslandsfinanzierung eingehalten wird.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) – (v.l.n.r.)
APA/Helmut Fohringer
Die Regierung will das Islamgesetz im Zuge eines Anti-Terror-Pakets novellieren

Mit dem Verbot wollte man dem Einfluss des türkischen Staates und konkret von Präsident Recep Tayyip Erdogan einen Riegel vorschieben. Schließlich wurden die Gehälter der Imame der Kultusgemeinde ATIB (Türkisch Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich) lange Zeit von der türkischen Religionsbehörde Diyanet bezahlt. Wie sich später herausstellte, verstieß ATIB gegen das Verbot, das aber 2019 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) bestätigte wurde. Private Gelder aus dem Ausland seien vom Verbot aber nicht umfasst, so das Urteil.

Verhältnismäßigkeit fraglich

Mit dem neuen Gesetz sollen bei Verstößen gegen das Gebot der Inlandsfinanzierung nun Geldstrafen „bis zum doppelten Geldwert jener Mittel“, die „gesetzwidrig im Ausland aufgebracht wurden“, fällig werden. Für Religionsrechtsexperte Kowatsch sind das „drastische Maßnahmen“.

Es handle sich um „sehr hohe Strafen“, die die Existenzfähigkeit der betroffenen Gemeinden in Frage stellen können. Die Verhältnismäßigkeit komme im momentanen Gesetz „wenig zum Ausdruck“. Für gewisse Übertretungen drohen etwa Strafen bis zu 72.000 Euro.

Wissen, wer predigt

Verpflichtend wird für die IGGÖ auch eine Aufstellung aller Einrichtungen, die ihr zugehörig sind, und aller religiösen Funktionsträger, die die religiöse Lehre verbreiten. Das sogenannte Imame-Verzeichnis muss dem Kultusamt vorgelegt werden. Auch Gastprediger aus dem Ausland müssen darin erfasst werden. Klar ist, der Staat will genau wissen, wer wo predigt.

Man wolle „gegen Hassprediger aus dem Ausland“ vorgehen können, hatte Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) im Dezember erklärt. Es sei aber kein Gesetz gegen den Islam. Die Änderungen im Islamgesetz sind Teil eines Anti-Terror-Pakets, das als Reaktion auf den Terroranschlag im November in Wien präsentiert wurde.

Imam in einer Moschee in Deutschland, Muslime beim Beten
APA/dpa/Daniel Naupold
Welcher Imam predigt und wo – das soll den Behörden künftig vorgelegt werden müssen

Schließung von Moscheen leichter

In der Gesetzesvorlage findet sich letztlich auch eine Regelung, die es dem Kultusamt ermöglicht, Moscheegemeinden leichter aufzulösen – und zwar auch ohne der Religionsgemeinschaft vorher die Möglichkeit zu geben, die beanstandeten Missstände zu beseitigen. Das gilt jedenfalls, wenn es dem „Schutz der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“ dient. Der Entzug der rechtlichen Existenz einer religiösen Gemeinschaft sei allerdings eine „sehr scharfe Waffe“, sagte Kowatsch.

Weiter geht die Rechtsanwältin und frühere SPÖ-Staatssekretärin im Kanzleramt Muna Duzdar in ihrer Analyse. In einer parlamentarischen Stellungnahme bezeichnete sie die Schließung von Moscheegemeinden unter diesen Umständen als „verfassungsrechtlich und rechtsstaatlich höchst problematisch“. Es handle sich um einen "beispiellosen Eingriff in die rechtsstaatlichen Grundsätze gerade in einem „grundrechtlich hoch sensiblen Bereich“. Es sei wichtig, rechtswidrig handelnde Organisationen rasch zu sanktionieren, dabei seien aber Verfahrensrechte zu achten.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Keinen Einwand gibt es bezüglich der Regelungen bezüglich der Auslandsfinanzierung. Duzdar war in der SPÖ-ÖVP-Regierung unter Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) für die Kultusagenden zuständig und hatte selbst eine Stärkung des Kultusamtes initiiert, um das Inlandsfinanzierungebot im Islamgesetzes überprüfen zu können. Laut der Juristin sei allerdings auch das Imame-Verzeichnis „verfassungsrechtlich nicht haltbar“, da es innere Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft betreffe und andere Religionsgemeinschaften dieser gesetzlichen Pflicht nicht unterworfen sind.

Der Staat darf sich zwar nicht in die inneren Angelegenheiten von Religionsgesellschaften einmischen, aber er habe ein „legitimes Interesse“ und die Kompetenz dort gesetzlich einzugreifen, wo die Religion „nach außen“ wirkt, sagte Kowatsch zu religion.ORF.at. Ob der Staat seine Kompetenz überschritten und verfassungsmäßig garantierte Rechte von Musliminnen und Muslimen beschnitten hat oder nicht, darüber musste in der vergangenen Zeit immer wieder der Verfassungsgerichtshof entscheiden – mit unterschiedlichem Ausgang. Zuletzt erklärte der VfGH das Kopftuchverbot für Schülerinnen für verfassungswidrig.

IGGÖ-Präsident Ümit Vural
APA/Georg Hochmuth
Jurist und mittlerweile IGGÖ-Chef Ümit Vural verhandelte das Islamgesetz von 2015 mit

Generalverdacht und Bringschuld

Ein klares Nein zum Gesetz kommt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Die IGGÖ kritisiert, das Vorhaben der Regierung konterkariere den Ursprungsgedanken des Islamgesetzes, „die Beheimatung der Musliminnen und Muslime in Österreich sowie deren gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern“. Das Islamgesetz werde mittlerweile nicht mehr als reines Religionsgesetz, sondern vielmehr „als Sicherheitsgesetz gesehen“.

Was den aktuellen Gesetzesentwurf betrifft, ortet Religionsrechtsexperte Kowatsch tatsächlich eine „Verquickung von religionsrechtlichen, kultusrechtlichen und sicherheitspolizeilichen Fragen“. Es bleibe ein Geschmack, dass muslimische Gemeinden hier unter einen besonderen Verdacht gestellt werden. Doch es gebe auch „eine Bringschuld aller islamischen Glaubensrichtungen, dass sie alles dafür tun, dass sich dieser Verdacht als unbegründet und sogar diskriminierend darstellt“.

IGGÖ sieht Abkehr von Kooperationsmodell

Es sei jedenfalls wichtig, Glaubensgemeinschaften einzubinden und am kooperativen Modell von Staat und Religion festzuhalten. Als Gegenbeispiel nannte Kowatsch das laizistische Frankreich, in dem Religion verdrängt und sich viel intensiver „Sonderwelten etabliert“ hätten. Das verpflichtende Miteinander von Staat und Religionen hingegen sei „freiheitsfördernd“.

Eben dieses Miteinander sieht die IGGÖ nicht gegeben: Das Vorgehen der Regierung widerspräche dem Kooperationsmodell zwischen den Kirchen und Religionsgemeinschaften und dem österreichischen Staat. Kultusministerin Raab hatte in der Vergangenheit betont, die IGGÖ sei in den Prozess eingebunden gewesen. Die IGGÖ widerspricht dem: Man sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden.