Juden und Christen

Christlicher „Tag des Judentums“

Die christlichen Kirchen in Österreich begehen am Sonntag den „Tag des Judentums“ – heuer mit einer Reihe an Online-Veranstaltungen. Der Tag wird seit dem Jahr 2000 begangen, um die Wurzeln des Christentums im Judentum bewusster zu machen.

Das Christentum ist von seinem Selbstverständnis her wesentlich mit dem Judentum verbunden. Damit dies den Christen immer deutlicher bewusst wird, hat der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) schon im Jahr 2000 den 17. Jänner eigens als Gedenktag im Kirchenjahr eingeführt. Dabei sollen sich die Christen in besonderer Weise ihrer Wurzeln im Judentum und ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden. Zugleich soll auch das Unrecht an jüdischen Menschen und ihrem Glauben in der Geschichte thematisiert werden.

Was als „Gedenktag“ begann, wurde im Laufe der Jahre erweitert, mittlerweile gibt es vielfältige Veranstaltungen und Gottesdienste in ganz Österreich. Der zentrale Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) findet am Sonntag (17. Jänner) um 18.00 Uhr in der Anglikanischen Christ Church in Wien statt.

Gottesdienste online

Der coronavirusbedingt nicht öffentliche Gottesdienst wird via Radio Maria und im Livestream auf der Website Tag des Judentums übertragen. Dem Gottesdienst stehen der anglikanische Bischofsvikar Patrick Curran, der katholische Wiener Bischofsvikar Dariusz Schutzki, der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic), der armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan sowie der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld vor. Hennefeld wird auch die Predigt halten.

Eine Tora-Rolle im jüdischen Museum Berlin
APA/dpa/Bernd Settnik
Die christlichen Kirchen begehen in mehreren Ländern am 17. Jänner den „Tag des Judentums“. Im Bild eine Thorarolle aus dem jüdischen Museum Berlin.

In Graz findet um 19.00 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst in der evangelischen Heilandskirche statt. Der Gottesdienst steht unter dem Motto „Courage, Courage“, die Predigt hält der lutherische Altbischof Michael Bünker. Aufgrund der aktuellen Situation ist die Teilnahme am Gottesdienst nur online möglich (Infos und Link hier).

Über die Bedeutung der Thora

In Tirol war für den Tag des Judentums eigentlich die feierliche Übergabe einer restaurierten 100 Jahre alten Thorarolle an die jüdische Gemeinde geplant. Aufgrund der Coronavirus-Bestimmungen findet nun aber eine Online-Veranstaltung zur „Bedeutung der Thora für Juden und Christgläubige“ am Montag (18. Jänner) statt (Beginn 20.00 Uhr; Link.

Die Spendenaktion „Einander zum Segen werden“, die die Restaurierung der Thorarolle maßgeblich unterstützt hat, erbrachte mehr als 8.000 Euro. Gespendet wurde vom Tiroler Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der Diözese Innsbruck, der Evangelischen Kirche und dem Bischof-Stecher-Gedächtnisverein. Die Initiative für die Aktion ging vom evangelischen Superintendent Olivier Dantine aus.

Dantine und der katholische Innsbrucker Bischof Hermann Glettler bezeichneten die initiative als „Zeichen der Wertschätzung, Dankbarkeit und freundschaftlichen Verbundenheit“. Die Rolle, aus der im Gottesdienst vorgelesen wird, enthält die fünf Bücher Mose. Sie entspricht dem Alten Testament und gilt damit nicht nur gläubigen Juden als heilig. Die physische Übergabe der restaurierten Rolle soll zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.

Auftakt für „Gebetswoche“

Die Initiative zum „Tag des Judentums“ geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Auch in Italien, Polen und den Niederlanden wird der Tag des Judentums begangen. Das Datum dafür wurde bewusst gewählt: So sollen die Kirchen den Geist dieses Tages in die anschließende weltweite „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ (18. bis 25. Jänner) weitertragen. Bei allen Trennungen der Christenheit untereinander sei den Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind, so die Veranstalter.

„Tag des Lernens vom Judentum“

Im vergangenen Jahr wurde ein „Tag des Lernens vom Judentum“ eingeführt. Entscheidend ist dabei der Leitgedanke, „nicht über das Judentum zu lernen, sondern vom Judentum und besonders mit Jüdinnen und Juden.“ Dazu hätte es heuer u.a. auch vielfältige Veranstaltungen in Schulen und Jugendzentren geben sollen. Jüdische Jugendliche waren eingeladen, um sich und ihr Judentum vorzustellen, Vorurteile abzubauen und ein besseres Miteinander der österreichischen Gesellschaft zu fördern.

Das dahinterstehende Dialogprojekt „Likrat“ (hebräisch „auf jemanden zugehen“) der Jüdischen Gemeinde bietet dazu vielfältige Begegnungsmöglichkeiten zum gegenseitigen Kennenlernen an. Im Rahmen eines Onlinevortrags in St. Pölten wurde das Projekt am Donnerstag vorgestellt.

„Wiener Gesera“

Die Initiative „Vernetzte Ökumene Wien West“ veranstaltet seit einigen Jahren jeweils im Vorfeld des 17. Jänner eine Einstimmung in den „Tag des Judentums“. Dieser Tag wäre heuer dem Gedenken an die „Erste Wiener Gesera 1420/21“ (Ermordung und Vertreibung der Juden aus Wien) gewidmet gewesen. Die Veranstaltung wurde auf den 18. März verschoben.

Die Akademie am Dom (Theologische Kurse) hat anlässlich des Gedenkens an die Vertreibung der Juden aus Wien vor 600 Jahren die Historikerin und Judaistin Martha Keil vom Institut für Jüdische Geschichte Österreichs zu einem Vortrag eingeladen. Der Onlinevortrag findet am Freitag (15. Jänner) von 16.00 bis 18.00 Uhr statt. (Infos: https://www.theologischekurse.at/site/veranstaltungen/online-papier-pergament-und-steine)).

Abgesagt bzw. auf 2022 verschoben werden musste die für den 14. Jänner in Linz angesetzten Vorträge des Salzburger Bibelwissenschaftlers Roland Cerny-Werner und des Generalsekretärs der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Benjamin Nägele. Sie hätten zum Thema „Warum immer wieder ‚die Juden‘? Antisemitismus in Verschwörungstheorien, Vorurteilen und aktuellen Erfahrungen“ referiert.

„Sonntag des Judentums“

Im Jänner 2019 hatte der Wiener Dechant Ferenc Simon in Erweiterung des Tages des Judentums die Feier eines „Sonntag des Judentums“ in ganz Österreich angeregt. Simon ist Beauftragter für jüdisch-christliche Zusammenarbeit der Erzdiözese Wien. Da der 17. Jänner in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt sind die Kirchen dazu aufgerufen, das Anliegen des „Tages des Judentums“ in ihren Sonntagsgottesdiensten aufnehmen.

Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit bietet dazu Impulse an, wie etwa eine Sonderausgabe der interreligiösen Zeitschrift „Dialog-DuSiach“ mit authentisch jüdischer Schriftauslegungen zu den Sonntagslesungen für den 17. Jänner 2021.