Adolf Holl, 2005
Walter Famler/Wienbibliothek im Rathaus
Walter Famler/Wienbibliothek im Rathaus
Todestag

Wienbibliothek erwirbt Nachlass von Adolf Holl

Vor einem Jahr ist der Theologe, Autor, Journalist und „Kirchenrebell“ Adolf Holl im Alter von 89 Jahren gestorben. Seinen Nachlass erwarb jetzt die Wienbibliothek im Rathaus. Er wird für die wissenschaftliche Nutzung zugänglich gemacht.

Der umfangreiche Nachlass Holls umfasst 60 Archivboxen mit Lebensdokumenten, Tagebüchern, Manuskripten, Korrespondenzen, Fotos und Alltagsgegenständen, berichtete die Wienbibliothek in einer Presseinformation. Dazu gehört auch die Arbeitsbibliothek „mit rund 1.800 Bänden aus allen Wissensbereichen, die von Holl mit einer Signatur versehen und großteils durchgearbeitet wurden“.

Der Nachlass zeige, dass Wien Adolf Holls erster und zentraler Wirkungskreis war. „Er hatte maßgeblichen Anteil am gesellschaftlichen Diskurs der letzten Jahrzehnte“, wird Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zitiert. „Sein Wirken reichte weit über theologische, wissenschaftliche wie geografische Grenzen hinaus“, wie die vorliegenden Korrespondenzen mit intellektuellen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen bezeugten.

Geständnis im TV: Zölibat gebrochen

Holl wurde am 13. Mai 1930 in Wien geboren, wo er Theologie und Philosophie studierte. Von 1954 bis 1973 war er Kaplan und Religionslehrer in der Wiener Pfarre Neulerchenfeld, ab 1963 Dozent an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Ein Geständnis in einer Fernsehsendung, den Zölibat gebrochen zu haben, brachte die Wende für Holl. „Eigentlich müssten Sie eine neue Kirche gründen“: Mit diesen Worten suspendierte Kardinal Franz König 1976 ein dreiviertel Jahr später den unbotmäßigen Seelsorger vom Priesteramt – eine Aufforderung, der Holl 2009 augenzwinkernd mit seinem Buch „Wie gründe ich eine Religion“ nachkam.

„Kirchenrebell“ und Ex-Priester

Der oft als „Kirchenrebell“ titulierte Holl trug auch als Autor und Journalist zu der öffentlichen Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Themen bei, zum Beispiel als Diskussionsleiter der legendären ORF-Sendung „Club 2", die er über 70 Mal moderierte.

Adolf Holl, Herbst 1964
Wienbibliothek im Rathaus
Priester, Rebell und Intellektueller: Adolf Holl 1964

"Holls Wirken begann in der gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung der 1960er und 70er Jahre. Er hat den Erosionsprozess der Kirche analysiert, seine Zweifel kultiviert und literarisiert – darüber aber stets eine hintersinnige Frömmigkeit durchscheinen lassen. Seine Themen waren existenziell, aber mit großer lebenskundlicher Leichtigkeit erzählt, was die breite Resonanz seiner Leserschaft erklärt“, so Walter Famler, langjähriger Freund, Erbe und Nachlassverfüger Holls.

„Analoger Intellektueller“

„Holl war ein analoger Intellektueller, im besten Sinne und in jeder Hinsicht. Er hat nicht nur seine Manuskripte bis zuletzt mit Schreibmaschine geschrieben, die auch Teil des Nachlasses ist. Er hat die Bücher seiner Arbeitsbibliothek mit umfangreichen Notizen, Vermerken und Unterstreichungen versehen, was sie für die Forschung besonders interessant machen“, so Wienbibliothek-Direktorin Anita Eichinger.

Die Arbeitsbibliothek wird nun aufgearbeitet und solle bald zugänglich sein. Der umfangreiche Nachlass werde in den kommenden Jahren aufgearbeitet werden, damit Werk und Person für die Forschung zugänglich sind, kündigte Eichinger an.

Ordner mit Korrespondenzen und handschriftlichen Dokumenten sowie eine von Holl seit den 1960er Jahren geführte Adresskartei zeigen die unterschiedlichen Netzwerke und Verbindungen zu Menschen, mit denen Adolf Holl im Austausch stand.

Korrespondenz mit Kardinal König

Es finden sich darin laut Wienbibliothek die Korrespondenz mit Kardinal Franz König zu Holls Suspendierung vom Priesteramt 1976 ebenso wie Briefe und Postkarten, zum Beispiel von Schriftstellerinnen und Schriftstellern wie Brigitte Schwaiger, Josef Haslinger und Frederic Morton, dem Psychiater Leo Navratil, der Kulturanthropologin Felicitas Goodman, dem Psychoanalytiker Theodor Itten und Peter Strasser.

Adolf Holl, August 1978
Wienbibliothek im Rathaus
Holl im Jahr 1978: Seine umfangreiche Korrespondenz mit Zeitgenossinnen und Zeitgenossen arbeitet die Wienbibliothek auf

Mehrere Ordner mit Predigten seien „von Interesse, weil diese ab Ende der 1960er Jahre bereits als Vorarbeiten für Holls kirchenkritischen Bestseller ‚Jesus in schlechter Gesellschaft‘ von 1971 zu lesen seien, der den langgedienten Kaplan die Lehrbefugnis und in weiterer Folge das Priesteramt kostete“. Holl zeichnete Jesus in dem Buch als Menschen, der sich für Außenseiter engagierte und gegen die etablierte Gesellschaft und Religion Position ergriff.

Kommentierte Werkausgabe

Im Nachlass befinden sich Manuskripte zu einigen weiteren Büchern Holls, darunter „Die linke Hand Gottes. Biographie des heiligen Geistes“ und die Autobiografie „Wie ich ein Priester wurde, warum Jesus dagegen war, und was dabei herausgekommen ist“ (Nachdruck: „Gott ist tot und läßt dich herzlich grüßen. Eine Autobiographie“).

Das fragmentarische Manuskript von Holls 33. Buch „Leibesvisitationen“, soll laut Wienbibliothek heuer erstveröffentlicht und auch Teil der zwölfbändigen kommentierten Werkausgabe werden, die im Herbst mit dem ersten Band „Jesus in schlechter Gesellschaft“ beginnt.