Hilfswerk

Lockdowns verschärfen Lage von Straßenkindern

Die Coronavirus-Pandemie hat die Situation für Millionen Kinder, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben, dramatisch verschlechtert: Das berichtet das Hilfswerk Jugend Eine Welt am Montag aus Anlass des Aktionstages „Tag der Straßenkinder“.

Er wird jährlich am 31. Jänner, dem Gedenktag des Jugendpatrons Johannes Bosco (1815-1888), begangen. Nicht das Virus selbst, sondern die Sperren des öffentlichen Lebens hätten den Kindern die Lebensgrundlage entzogen und einen „schleichenden Prozess“ in Gang gesetzt, der noch mehr Kinder auf die Straße treibe als bisher, warnte die international tätige Hilfsorganisation.

Für gewöhnlich sichern Straßenkinder mit Betteln, dem Verkauf kleiner Waren sowie mit Dienstleistungen wie Auto- und Schuheputzen oder Lastentragen ihr Überleben. Mit den coronavirusbedingten Lockdowns fällt dies jedoch teilweise weg.

Weniger Verkehr, geringeres Einkommen

„Der Verkehr reduziert sich, das bunte Treiben auf den Straßen fällt weg und somit auch die Teilnahme der Kinder an dieser informellen Wirtschaft“, berichtet Roland Kornhäusl, Programmmanager des 100 afrikanische Don Bosco-Berufsschulen umfassenden Netzwerks „Don Bosco Tech Afrika“, in der Aussendung. Immer wieder würden Jugendliche formulieren, sie hätten nun Angst, zwar nicht am Coronavirus, wohl aber an Hunger zu sterben.

Indisches Straßenmädchen, Projekt Jugend Eine Welt
Jugend Eine Welt
Straßenkinderschule in Indien

Die in der Republik Cote d’Ivoire tätige, aus Tirol stammende Ordensfrau Hanni Denifl berichtet Ähnliches: Hilfseinrichtungen wie das von ihr geleitete Mädchen-Schutzheim in Abidjan, der größten Stadt des westafrikanischen Landes, versuchten im Auftrag der Regierung, die Kinder von der Straße zu holen und sie zu ihren Familien zu bringen.

Flucht vor Gewalt in der Familie

„Kaum waren die Sperren aufgehoben, kehrten die Kinder wieder zurück. Wohl auch, weil sie erneut vor der Gewalt in der eigenen Familie flüchten mussten“, so die Don-Bosco-Schwester. Das sei auch einer der traurigen Hauptgründe, warum Kinder überhaupt ihre Familie verlassen und ein Leben auf den Straßen führen.

Beim Consortium for Street Children (CSC) – die internationale Plattform zum Schutz von Straßenkindern, der auch Jugend Eine Welt angehört – befürchtet man, dass die Kinder mit dem Wegfall ihres informellen „Arbeitsplatzes“ zu noch gefährlicheren Überlebenstaktiken gezwungen werden.

Zudem seien Straßenkinder oft von staatlicher Nothilfe ausgeschlossen, weil sie keine Papiere haben. In Indien verteilten zum Beispiel Regierungsbeamte in Armenvierteln der Städte Gutscheine für Einkäufe in Geschäften. Um diese einzulösen, musste jedoch ein offizieller Ausweis vorgezeigt werden.

Fataler Kreislauf

Laut Jugend Eine Welt besteht die Gefahr, dass Kinder nun „schleichend“ in ein Leben auf der Straße gedrängt werden: Wenn Eltern durch die Wirtschaftskrise ihren Job oder ihre Geschäftsbasis verloren haben und das regelmäßige Familieneinkommen fehlt, verlassen die Kinder oft die Schule, um den Eltern bei der Beschaffung des Notwendigsten zu helfen. „Der Beginn eines fatalen Kreislaufes“, so das Hilfswerk.

Auch die coronavirusbedingten Schulschließungen hätten vielerorts einen ähnlichen Effekt: Schließlich seien Kinder mit dem Verlust ihrer Schulmahlzeit und des von vielen Schulen gebotenen „Sicherheitsnetzes“ anfälliger für Missbrauch, Gewalt und Kinderarbeit. Der Onlineunterricht scheitere bei vielen zudem am fehlenden technischen Equipment.

Spendenhinweis

Spendenkonto: IBAN: AT66 3600 0000 0002 4000, Onlinespenden

„Sicherer Hafen“ und Bildung

Jugend Eine Welt hat sich der Unterstützung dieser Kinder verschrieben und bittet dafür um Spenden. Die weltweiten Partnerorganisationen versuchen, bedrohten und benachteiligten Kindern mit ihren Einrichtungen einen „sicheren Hafen“, Bildung und Ausbildung zu bieten.

Das gelingt u. a. über Stipendienprogramme, die nun weiter ausgebaut werden sollen, oder etwa in Indien durch Ausstattung der Schüler mit Handys oder TV-Geräten, um die digitale Kluft zu überwinden und eine Teilnahme am Online-Unterricht zu ermöglichen. „Wir dürfen diese Kinder gerade jetzt nicht zurücklassen!“, appellierte Geschäftsführer Reinhard Heiserer in der Aussendung.

Kurz vor dem „Tag der Straßenkinder“ gestaltet Jugend Eine Welt am Donnerstag (28. Jänner) einen ganzen Thementag über Straßenkinder von 8.00 bis 18.00 Uhr auf radio klassik Stephansdom. Dabei werden regelmäßig Beiträge von Projektpartnern, Mitarbeiterinnen, Volontären und Senior Experten des Hilfswerks zu hören sein.