„Es tut not, dass die unheilvolle Beeinflussung der Macht und des Geldes aus unseren Herzen und aus der Kirche ausgerottet werden“, sagte der 84-Jährige am Sonntag in seiner Predigt im Fußballstadion der kurdischen Hauptstadt Erbil.
Vor der Messe fuhr er im „Papamobil“ eine Runde im Stadion unter den Jubelrufen der vielen Menschen, die gekommen waren, um ihn zu sehen. Er forderte zudem Solidarität der Gläubigen. „Wir müssen uns verantwortlich fühlen und dürfen nicht einfach zuschauen, wenn der Bruder oder die Schwester leidet“, sagte er weiter.
Erbil wurde für viele Christen zum Zufluchtsort, als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nordirak immer mehr Städte einnahm. Vor gut sechs Jahren hielt die Stadt den Angriffen mit Hilfe einer Allianz aus kurdischen Kämpfern und den Vereinigten Staaten stand, als die Islamisten bis auf 40 Kilometer auf Erbil vorgerückt waren.
Die Messe setzte den Schlusspunkt hinter die Irak-Reise des Oberhaupts der katholischen Kirche. Zuvor hatte Franziskus die Christen im Nordirak besucht, wo er von Scharen von Gläubigen umjubelt wurde.
Papst reiste zu Christen-Gemeinden im Irak
Der Papst und seine Begleiter sind gegen das Coronavirus geimpft. Dennoch hatte der gesamte Besuch des Papstes in einer Zeit, da die Pandemie auch im Irak wieder stärker wütet, für Kritik gesorgt. Für Papst Franziskus stand am Sonntag mit dem Besuch der christlichen Gemeinden im Norden des Irak einer der wichtigsten Teile seiner Reise in das Land an.
Sehnsüchtig warteten die Menschen in den vergangenen Jahren auf einen Besuch des Oberhaupts der katholischen Kirche. Die Tagestour brachte den Papst an Orte, die mit dem Kampf gegen den IS in Verbindung stehen.
Empfang am Flughafen von Erbil
Am frühen Morgen des dritten Tages seiner Irak-Reise traf Papst Franziskus von Bagdad kommend, im Norden des Landes ein. In der kurdischen Regionalhauptstadt Erbil wurde der Papst von Präsident Nechirvan Barsani und Regierungschef Masrur Barsani begrüßt.
Nach einer kurzen Unterredung in der VIP-Lounge des Flughafens startete der Papst zu einer Rundreise durch den Nordirak. Per Hubschrauber reiste das katholische Kirchenoberhaupt weiter nach Mossul.
Papst betet in vom IS zerstörten Mossul für Kriegsopfer
In einem gepanzerten Fahrzeug wurde der Papst vom Hubschrauber zur Ruine einer Kirche im Zentrum von Mossul gebracht. Der Papst gedachte der Opfer des Krieges gegen den IS. „Wenn Gott der Gott des Lebens ist – und das ist er -, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten“, sagte der Papst auf dem Kirchenplatz in Mossul umringt von Trümmern einer zerstörten Kirche.
Der Papst bekräftige seine Überzeugung, dass die Geschwisterlichkeit stärker als der Brudermord sei. „Hier in Mossul sind die tragischen Konsequenzen des Krieges und der Feindseligkeiten nur allzu sichtbar“, erklärte er weiter. Es sei „grausam“, dass Tausende gewaltsam vertrieben und getötet wurden und dass Kulturstätten in dieser „Wiege der Zivilisation“ zerstört wurden.
Besuch in Karakosch: „Terror hat niemals das letzte Wort“
Von Mossul reiste der Papst um die Mittagszeit weiter in die Kleinstadt Karakosch und feierte dort mit der christlichen Gemeinde in der Kirche der Unbefleckten Empfängnis. Papst Franziskus ermutigte die christliche Gemeinde der Kleinstadt, ihren Glauben nicht zu verlieren.
„Hört nie auf zu träumen“, sagte er in der Kirche. Sicher gebe es Momente, in denen der Glaube ins Wanken geraten könne; diese Erfahrung hätten die Menschen in den dunkelsten Tagen des Krieges gemacht. Auch auf die aktuelle Lage mit der Coronavirus-Pandemie und der Unsicherheit treffe das zu, erläuterte der Papst.
Besonders beeindruckt war er von der Erzählung einer Christin. Die Frau erzählte von einem IS-Angriff aus dem August 2014. Ihr Sohn kam dabei ums Leben, sie floh aus Karakosch. „Sie sagte, seitens der Überlebenden der Terrorakte sei Vergebung nötig“. Das sei auch wichtig, um Christ zu bleiben, hob Franziskus hervor.
Papst bringt vor Islamisten gerettetes Gebetbuch zurück
Bei seinem Besuch in der christlichen, einst vom IS verwüsteten Stadt Karakosch in der irakischen Ninive-Ebene brachte Papst Franziskus der dortigen Gemeinde ein besonderes Geschenk mit: In der Kirche der Unbefleckten Empfängnis übergab er laut Vatikan-Angaben ein restauriertes Gebetbuch mit liturgischen Gebeten aus dem 14. bis 15. Jahrhundert.
Es war zuvor von Priestern in Karakosch 2014 vor der anrückenden Terrormiliz gerettet worden. Das in syrischer Schrift verfasste Buch enthält Gebete, die zwischen Ostern und dem Heiligkreuzfest auf Aramäisch gesprochen werden. Nach der Rettung überließ der syrisch-katholische Bischof Yohanna Butros Mouche das stark beschädigte Buch italienischen Spezialisten, die es aufwendig restaurierten. Nach rund sieben Jahren kehrte das Werk nun an seinen angestammten Platz zurück.
Die Kleinstadt Karakosch ist mehrheitlich von Christen bewohnt. Zehntausende flohen während des Krieges in Richtung Erbil oder suchten Schutz im Ausland. Von Karakosch reiste Papst Franziskus zurück nach Erbil, wo er vor seiner Rückkehr nach Bagdad im Fußsballstadion eine Messe feierte.
Besuch für Johannes Paul II. untersagt
Für die Christen im Irak ist der Papst-Besuch gewissermaßen ein Jahrhundertereignis. Schon Johannes Paul II. hatte geplant, im Jahr 2000 im Zuge einer Pilgerreise zu den heiligen Stätten des Christentums zu reisen und auch in die Ebene von Ur im Südirak.
Der damalige Machthaber Saddam Hussein untersagte den Besuch jedoch. Papst Franziskus wird in die Geschichte eingehen als erster Papst, der den Irak, ein Land mit mehr als 38 Millionen Einwohnern, besucht hat. Am Montag will er mit seiner Delegation wieder nach Rom zurückkehren.