Messe in einer Kirche im deutschen Kevelaer, Covid-19-Vorschriften
Reuters/Thilo Schmuelgen
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Homosexuelle

Deutschland: Viel Kritik an Vatikan-Dekret

Nach dem endgültigen Nein des Vatikans zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare via Dekret am Montag hat es aus der als liberal geltenden deutschen katholischen Kirche viele enttäuschte und kritische, aber auch einige zustimmende Reaktionen gegeben.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ist nach eigenen Worten „nicht glücklich darüber“, dass der Vatikan sich zum jetzigen Zeitpunkt so massiv in die Debatte über eine Segens für gleichgeschlechtliche Paare einbringt.

„Das erweckt den Eindruck, man wolle die in verschiedenen Teilen der Weltkirche, auch bei uns in Deutschland derzeit streitig geführte theologische Auseinandersetzung möglichst schnell beenden“, sagte der Limburger Bischof am Montag der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn.

„Diskussion intensiv geführt“

„Das ist aber gar nicht möglich. Denn die Diskussion wird an vielen Orten intensiv und mit guten Argumenten geführt, und die theologischen Anfragen an die heutige pastorale Praxis können nicht einfach mit einem Machtwort aus der Welt geschafft werden.“

Die Glaubenskongregation hatte zuvor im Vatikan erklärt, die Kirche habe keine Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen. Das sei auch die Position von Papst Franziskus.

Keine einfachen Antworten

Bätzing zeigte sich in einer Presseerklärung zuvor offen für eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre bei diesem Thema. Die Glaubenskongregation gebe den Stand der kirchlichen Lehre wieder, „wie er sich in mehreren römischen Dokumenten spiegelt“, so der Bischof.

Der Limburger Bischof Georg Bätzing
APAAFP/Torsten Silz
Bischof Bätzing: Die Diskussion könne „nicht mit einem Machtwort aus der Welt geschafft werden“.

In Deutschland und Teilen der Weltkirche gebe es aber seit Längerem Diskussionen darüber, „in welcher Weise diese Lehre und Lehrentwicklung allgemein mit tragfähigen Argumenten vorangebracht werden kann“. Das müsse auf der Basis grundlegender Wahrheiten des Glaubens und der Moral, aber auch in Offenheit für neuere Ergebnisse der Humanwissenschaften und der Lebenssituationen heutiger Menschen geschehen. Es gebe keine einfachen Antworten.

Voderholzer dankt Rom

Der Regensburger katholische Bischof Rudolf Voderholzer begrüßte hingegen das Nein des Vatikans und dankte für die Klarstellung. Mit dem Papst und den Mitgliedern der Familiensynode von 2015 finde auch er, „dass jeder Mensch, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden soll und sorgsam zu vermeiden ist, ihn ‚in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen‘“.

Mit ihrer Antwort, so der Bischof, bekräftige die Kongregation die Lehre des Papst-Schreibens „Amoris laetitia“. Darin hatte Franziskus eine Gleichsetzung von Ehe und homosexuellen Lebensgemeinschaften strikt abgelehnt. Auch der Passauer Bischof Stefan Oster begrüßte die Stellungnahme. Er verbinde damit die Hoffnung, dass die Äußerung des Lehramtes „größere Einmütigkeit“ befördere, sagte er.

Denn die Glaubenskongregation die Klarstellung in einer Frage gebracht, die die Kirche in Deutschland, aber auch weltweit gerade intensiv beschäftigte und zu Polarisierungen führe. Oster fügte hinzu, die römische Erklärung sei für ihn ein Auftrag, besonders auch auf die Menschen zuzugehen, die sich durch eine solche Hervorhebung des Ehesakraments zurückgesetzt oder verletzt fühlten.

Scharfe Kritik von Verbänden

Schwule und lesbische Katholikinnen und Katholiken in Deutschland appellierten am Montag an die Bischöfe, sich der Entscheidung aus Rom zu widersetzen. „Wir fordern alle unsere katholischen Bischöfe in Deutschland auf, dem römischen Versuch des Ausschließens entgegenzutreten“, sagte das Vorstandsmitglied der ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK), Thomas Pöschl, der Deutschen Presse-Agentur in Nürnberg. Die Starrheit der römisch-katholischen Kirche habe diese „vor den Abgrund geführt, wo sie heute steht“.

„Liebesbeziehungen im Kontext von Sünde“

Das Schreiben „rückt gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen in den Kontext von Sünde und fordert homosexuelle Menschen auf, ihre sexuelle Orientierung zu unterdrücken“, kritisierte auch das katholische LSBT+-Komitee (die Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen) am Dienstag in Nürnberg.

„Die Glaubenskongregation verspielt damit die vermutlich letzte Chance, weltweit menschenfreundlich und ethisch anschlussfähig zu bleiben“, erklärte das Komitee. Dabei zeigten die Erfahrungen der vergangenen Jahre, dass Mitglieder der katholischen Kirche „vielerorts nicht mehr dazu bereit sind, gleichgeschlechtliche Beziehungen als Sünde zu diffamieren, dass Segensfeiern bereits Teil ‚inoffizieller‘ kirchlicher Praxis sind und dass die immer wieder beschworene biblische Verurteilung homosexueller Beziehungen theologisch nicht mehr haltbar ist“.

Mit Enttäuschung reagierte auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, auf die Entscheidung aus Rom. Sie reihe sich ein in „eine Folge von Störungen des Synodalen Weges“ – gemeint ist ein hierzulande laufender innerkirchlicher Reformprozess. Auf diesem gemeinsamen Weg der deutschen Bischöfe und des ZdK werde die Segnung von Menschen weiter ein Thema sein, sagte Sternberg.

„Verheutigung“ der Lehre nicht ablehnen

Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern der Weltkirche werde über die Segnung gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen diskutiert. Eine „Verheutigung“ der katholischen Lehre, wie sie Moraltheologen seit Langem fordern, dürfe nicht einfach abgelehnt werden, sagte er.

Es müsse eine Weiterentwicklung der Lehre mit tragfähigen Argumenten geben. Das Zentralkomitee befürwortet schon seit längerem, Liebesbeziehungen von Homosexuellen zu segnen.

Der ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri, der sich kürzlich als homosexuell geoutet und erst am Freitag seinen langjährigen Lebensgefährten geheiratet hatte, sieht sich in seiner Entscheidung bestätigt, der römisch-katholischen Kirche den Rücken zu kehren.

„Affront“ gegen Katholiken in Deutschland

„Genau diese starre Haltung der Kurie war für mich der Grund, zur altkatholischen Kirche überzutreten. Dort ist eine offizielle kirchliche Segnung einer homosexuellen Ehe möglich.“ Er sieht in der Mitteilung aus Rom einen „Affront“ gegen Katholiken in Deutschland und den laufenden Reformprozess „Synodaler Weg“.

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) widersprach der Glaubenskongregation ebenfalls. „Wir lehnen die heute veröffentlichte Haltung aus Rom klar ab, auch wenn wir um die Spannung zwischen kirchlicher Lehre und der Lebenswirklichkeit der Menschen wissen“, so der kfd-Bundesverband.

Frauenverband: „Setzen uns weiter ein“

„Wir setzen uns weiter für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare ein. Menschen dürfen nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Lebensformen diskriminiert werden.“ Der Synodale Weg – der derzeitige Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland – müsse weiter über das Thema sprechen. Die Katholische Frauengemeinschaft ist mit rund 450.000 Mitgliedern einer der größten Frauenverbände Deutschlands.

Die Glaubenskongregation hatte am Montag klargestellt, dass die Kirche nicht befugt sei, homosexuelle Paare zu segnen. Unzulässig sei jede Segnungsform, die eine homosexuelle Partnerschaft anerkenne.

Auch die deutsche katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ hat am Montag das Nein des Vatikans zur Segnung homosexueller Partnerschaften als „unsägliche Entscheidung“ kritisiert. Die Glaubenskongregation hatte am Montag klargestellt, dass die Kirche nicht befugt sei, homosexuelle Paare zu segnen – mehr dazu in Reformbewegung: Vatikan-Dekret „unsägliche Entscheidung“.