Homosexuelle

Theologieprofessoren protestieren gegen Segnungsverbot

Mehr als 200 Theologieprofessorinnen und -professoren aus dem deutschen Sprachraum protestieren in einer Stellungnahme gegen das vom Vatikan erlassene Segnungsverbot für homosexuelle Paare.

Die Erklärung der römischen Glaubenskongregation sei „von einem paternalistischen Gestus der Überlegenheit geprägt“ und diskriminiere homosexuelle Menschen und ihre Lebensentwürfe, heißt es in der Stellungnahme, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Die römische Glaubenskongregation hatte am vergangenen Montag klargestellt, dass die Kirche nicht befugt sei, homosexuelle Paare zu segnen. Unzulässig sei jede Segnungsform, die eine homosexuelle Partnerschaft anerkenne. Dies hat in der katholischen Kirche in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Proteststürme entfacht.

Viele segnen trotzdem

„Von dieser Position distanzieren wir uns entschieden. Wir gehen demgegenüber davon aus, dass das Leben und Lieben gleichgeschlechtlicher Paare vor Gott nicht weniger wert sind als das Leben und Lieben eines jeden anderen Paares.“

In vielen Gemeinden würden Priester, Diakone und andere Seelsorger und Seelsorgerinnen Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare anbieten. „Wir begrüßen diese würdigenden Praktiken ausdrücklich“, stellen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klar.

212 Unterzeichnende

Der Erklärung der Glaubenskongregation fehle es an theologischer Tiefe und argumentativer Stringenz. „Werden wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und nicht rezipiert, wie es in dem Dokument der Fall ist, untergräbt das Lehramt seine eigene Autorität“, so die Experten.

Die Stellungnahme, die bis Sonntag von 212 Theologieprofessoren und -professorinnen unterzeichnet worden war, ist von einer Arbeitsgruppe an der Universität Münster entworfen worden und kann weiterhin unterschrieben werden.

Namhafte Theologinnen und Theologen

Zu den Unterzeichnenden gehören unter anderem der Dogmatiker Georg Essen von der Humboldt-Universität Berlin, der 92-jährige Peter Hünermann, von dem zahlreiche bedeutende Publikationen stammen, Julia Knop und Gregor Maria Hoff, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Dogmatik und Fundamentaltheologie, sowie der Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann aus Erfurt.

Weitere bekannte Vertreter ihres Fachs sind die Vorsitzende des Katholischen Fakultätentags, Johanna Rahner aus Freiburg, der Münchner Fundamentaltheologe Thomas Schärtl-Trendel, der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald, der Neutestamentler Michael Theobald aus Tübingen und der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Auch mehrere Vertreter kirchlicher Hochschulen haben unterzeichnet, darunter Jesuiten aus St. Georgen und Lehrende von den katholischen Hochschulen in Eichstätt und Linz.

Unmut wächst

Unter den Katholiken in Deutschland wächst insgesamt das Unbehagen über das Nein des Vatikans zur Segnung homosexueller Paare. „Wir kritisieren, dass gleichgeschlechtlich liebende Menschen trotz anderslautender Bekundungen weiterhin diskriminiert werden“, heißt es in einer Mitteilung des Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn.

In dem Komitee sitzen theologische Laien. Es sei verständlich, dass sich viele Menschen von der Kirche abwenden. Das vatikanische Papier stehe „im deutlichen Widerspruch zur Lebensrealität und zu der lebenszugewandten Botschaft Jesu“. Auch die Diözesanräte von Aachen und Köln verurteilten die Entscheidung Roms.

„Großer Schaden“

Widerspruch gegen die Haltung des Vatikans gab es auch von Bischöfen. „Es kann nur misslingen, eine Diskussion beenden zu wollen“, sagte der Aachener Bischof Helmut Dieser am Freitagabend bei einer Diskussionsveranstaltung. „Das ist naiv und hat großen Schaden angerichtet. Wir müssen das als Bischöfe nach Rom tragen.“

Auch in Nürnberg formiert sich Widerstand. Gott lasse sich überall finden, „wo Menschen in Liebe und Treue miteinander verbunden sind und einander in Respekt begegnen“, erklärten 15 Priester und Seelsorger in einer Stellungnahme am Sonntag.

„Die Behauptung, dass diese Partnerschaften grundsätzlich sündhaft seien, ist theologisch unhaltbar, sie widerspricht unserem Auftrag als Seelsorger, Menschen an den wichtigen Stationen ihres Lebens zu begleiten und ihnen Gottes Segen zuzusprechen.“

Synodaler Weg in Gefahr

Bischof Dieser sagte zu der Absage des Vatikans an die Segnungen, er verstehe nicht, „wie man in diesem Synodalen Prozess so einen Blattschuss setzen“ könne. Damit bezog er sich auf den derzeitigen Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg. Dort geht es unter anderem um eine Erneuerung der kirchlichen Sexualmoral.

Zuvor hatte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in einem Brief an alle Pfarreien im Bistum Essen eine „ernsthafte und zutiefst wertschätzende Neubewertung der Homosexualität“ durch die katholische Kirche verlangt. In den zurückliegenden Tagen habe er zahlreiche Zuschriften von Seelsorgerinnen und Seelsorgern erhalten, die ihm ihre offene Ablehnung der Position des Vatikans übermittelt hätten.

„Dringend“ neue Sichtweise auf Sexualität

Die kirchliche Lehre erfordere „dringend eine erweiterte Sichtweise auf die menschliche Sexualität“, so Overbeck. Die Erklärung der Glaubenskongregation habe viele Menschen mit einer homosexuellen Orientierung gekränkt und verletzt. Eine solche Position werde in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptiert. Die Haltung der Gläubigen dürfe vom Vatikan nicht ignoriert werden.

Kritik kam auch vom Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose: „Wir wollen uns nicht auf diese sehr verengte und veraltete Sicht von Sexualität fixieren, sondern wir sehen liebende Menschen“, sagte er. Zusammen mit dem Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm, der sich vor zwei Jahren öffentlich als homosexuell geoutet hatte, hatte Hose vergangenen Montag eine Unterschriften-Aktion gegen das Segnungsverbot gestartet.

Knapp 2.000 Menschen haben seinen Angaben zufolge bis zum Wochenende unterschrieben – die meisten von ihnen katholische Theologen, Priester, Ordensleute, Seelsorger, Pfarr- oder Gemeindereferenten.