Homosexuelle Paare

Schönborn über Vatikan-Dekret: Viele verletzt

Kardinal Christoph Schönborn hat sich erstmals öffentlich zur heftig diskutierten Stellungnahme der vatikanischen Glaubenskongregation zur Segnung Homosexueller geäußert. Er verstehe, dass sich viele Menschen von der Erklärung verletzt fühlen würden.

Im Interview mit der römisch-katholischen Nachrichtenagentur Kathpress und den Medien der Erzdiözese Wien („Der Sonntag“, „Radio klassik Stephansdom“) zeigte er sich „nicht glücklich“ über die Erklärung. Die Glaubenskongregation hatte verkündet, dass die römisch-katholische Kirche keine Vollmacht besitze, homosexuelle Paare zu segnen.

In der Öffentlichkeit wahrgenommen worden sei nur ein „Nein“, so der Kardinal. „Und zwar ein ‚Nein‘ zum Segen; und das ist etwas, was viele Menschen zuinnerst verletzt.“ Dass hinter dem Anliegen der Erklärung auch ein positives Anliegen im Blick auf die sakramentale Ehe gefunden werden kann, sei hingegen völlig untergegangen.

Kardinal Christoph Schönborn beim Segnen
APA/Erzdiözese Wien/Stephan Schönlaub
Kardinal Christoph Schönborn sagt, eine ehrliche Bitte um Segen solle nicht verweigert werden

Die Frage, ob man gleichgeschlechtliche Paare segnen kann, gehöre in die gleiche Kategorie wie die Frage, ob dies bei Wiederverheirateten oder Partnerschaften ohne Trauschein möglich ist. Und hier sei seine Antwort relativ einfach, so der Kardinal:

Ehrliche Bitte um Segen nicht verweigern

„Wenn die Bitte um den Segen keine Show ist, also nicht nur eine Art Krönung von einem äußerlichen Ritual, wenn die Bitte um den Segen ehrlich ist, es wirklich die Bitte um den Segen Gottes für einen Lebensweg ist, den zwei Menschen, in welcher Situation auch immer, zu gehen versuchen, dann wird man ihnen diesen Segen nicht verweigern.“

Als Priester oder Bischof sage er: „Das ganze Ideal habt ihr nicht verwirklicht. Aber es ist wichtig, dass ihr euren Weg auf der Basis menschlicher Tugenden lebt, ohne die es keine gelungene Partnerschaft gibt. Und das verdient einen Segen.“ Ob die richtige Ausdrucksform dafür eine kirchliche Segnungsfeier ist – „darüber muss man gut nachdenken“.

„Segen keine Belohnung“

Schönborn hielt fest, dass ein Segen nicht die Belohnung für Wohlverhalten sei, „sondern eine Bitte um Schutz, um Hilfe von oben“. Oft würden ihn Menschen um einen Segen bitten. „Manchmal passiert es mir sogar auf der Straße, dass mich Leute um einen Segen bitten. Dann frage ich natürlich nicht zuerst genau nach ihren Lebensverhältnissen und ihrer Lebenssituation, sondern ich gebe ihnen gerne diesen Segen, weil diese Menschen offensichtlich spüren: Ohne den Segen Gottes ist das Leben noch viel ausgesetzter, als es nicht sowieso schon ist.“

Die Kirche als Mutter für alle

Er gehe letztlich von einer sehr einfachen Beobachtung aus, erläuterte der Wiener Erzbischof: „Viele Mütter segnen ihre Kinder. Meine Mutter macht es immer noch, bis heute. Ich gehe nicht weg von Zuhause, ohne dass sie mich segnet. Eine Mutter wird den Segen nicht verweigern, auch nicht, wenn ihr Sohn oder ihre Tochter Lebensprobleme hat. Im Gegenteil.“

Die Kirche sei, wie man traditionellerweise sagt, „Mater et Magistra, Mutter und Lehrerin“, so der Kardinal: „Sie muss lehren, aber sie ist zuerst Mutter. Und viele gleichgeschlechtlich Empfindende und Lebende sind gerade in dieser Frage besonders sensibel: ‚Ist uns die Kirche Mutter?‘ Und sie bleiben Kinder Gottes. Und sie wollen auch die Kirche als Mutter sehen und deshalb hat diese Erklärung viele so besonders schmerzlich getroffen, als würden sie spüren und sagen: ‚Mutter, hast du keinen Segen für mich? Ich bin doch auch dein Kind.‘“ Viele Menschen hätten das Empfinden, sie würden von der Kirche abgelehnt.

Segnungsfeier kein Sakrament

Schönborn führte im Interview weiter aus, dass es der Glaubenskongregation um die „hohe Wertschätzung der sakramentalen Ehe“ gehe, „die in der heutigen Welt fast schon eine Seltenheit geworden ist“. Die sakramentale Ehe sei aber „etwas Großes und Heiliges, der Bund von einem Mann und einer Frau. Ein Bund fürs Leben, vor Gott versprochen und geschlossen, der dann auch zu Kindern führen kann, die als Geschenk Gottes empfunden werden.“

Deshalb sei es das berechtigte Anliegen der Glaubenskongregation, „dass durch eine Segnungsfeier nicht der Eindruck entsteht, dass hier eine sakramentale Ehe geschlossen wird“.

Kirche nicht die einzige Stimme

Aber dieses „Ja“ zur Familie müsse man nicht in einem „Nein“ zu allen anderen Formen sagen, so Schönborn: „Die Kirche hat sich längst daran gewöhnt – es war ein schmerzlicher, langer Prozess -, dass sie nicht die einzige Stimme ist, die über Partnerschaften ein Wort zu sagen hat. Seit dem 19. Jahrhundert hat der Staat die Souveränität der Kirche über die Ehe zurückgenommen, und es ist für uns selbstverständlich – auch für die Kirche -, dass man sich zuerst zivil verheiratet, ehe man kirchlich heiratet.“

Und trotzdem sei das staatliche Verständnis von Ehe als einem Vertrag etwas wesentlich anderes als das Verständnis der sakramentalen Ehe, betonte der Kardinal. Nachsatz: „Damit leben wir längst.“