Vatikan-Dekret

Theologen: Homosexualität nicht moralisch bewerten

Die bibelwissenschaftliche Debatte um das Nein der vatikanischen Glaubenskongregation zur Segnung homosexueller Paare geht weiter. Eine Bibelwissenschaftlerin und ein -wissenschaftler warnen vor moralischen Bewertungen biblischer Texte mit Blick auf die aktuelle Segensdebatte.

Diesbezüglich äußerten sich die Direktorin des Österreichischen katholischen Bibelwerks, Elisabeth Birnbaum, und der deutsche Bibelwissenschaftler Thomas Hieke. So gibt es, wie Birnbaum im Online-Feuilleton „feinschwarz“ schreibt, keinen expliziten Segen Gottes für die Verbindung von Frau und Mann mit dem Ziel der Fruchtbarkeit.

Die Bibel kenne aber genauso wenig das heutige Konzept „von Homosexualität als eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft auf Augenhöhe“, wie eine monogame heterosexuelle Ehe, betont Hieke, in der „radio klassik Stephansdom“-Spezialsendung „Achtung Bibel!“

Gottes einziger Plan?

Zwar seien „heterosexuelle Beziehungen zur Zeugung von Nachkommen der Plan Gottes“. Jedoch stehe nicht in der Bibel, „dass dies der einzige Plan Gottes mit dem Phänomen menschlicher Sexualität sei“, so der Bibelwissenschaftler der Universität Mainz.

Zuvor hatte der Wiener Alttestamentler, Ludger Schwienhorst-Schönberger, in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress gesagt, dass es innerhalb der Bibel keinerlei Anhaltspunkte für eine Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen in Analogie zur Ehe oder gar in Gleichsetzung mit der Ehe gebe.

Mehrere Bibelausgaben in einer Bücherei
APA/dpa/Christoph Schmidt
Bibelwissenschaftlerin Elisabeth Birnbaum weist darauf hin, dass es in der Bibel auch das Verbot gibt, Bärte zu stutzen und zu schwören

Sodom: Gewaltsame Unterdrückung geächtet

Die Bibel ächte zwar „bestimmte gleichgeschlechtliche Akte unter Männern", aber dies aus ganz bestimmten Gründen“, so der Autor des Buches „Bibel falsch verstanden. Hartnäckige Fehldeutungen biblischer Texte erklärt“.

Sendungshinweis

Interview mit Thomas Hieke, Mittwoch 17:30 Uhr auf „radio klassik Stephansdom“ und danach im Podcast.

Hieke verweist etwa auf den Text von Genesis 19 im Alten Testament, wo Männer von Sodom mittels analem Geschlechtsverkehr Lot und seine Gäste demütigen wollen – eine bis heute verbreitete Kriegstaktik. „Die Sünde der Männer von Sodom ist also nicht Homosexualität, sondern die gewaltsame Unterdrückung von Fremden und Schutzbedürftigen.“

Segensverweigerung „subtile Entwürdigung“

Auch alttestamentliche Verbote – „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel“ (Lev 18,22) – beziehen sich auf illegitime Sexualbeziehungen, die meist mit Inzest zu tun haben oder die keine Nachkommen hervorbringen, erklärt Hieke. So sei es auch verboten mit einer menstruierenden Frau zu schlafen oder Tiere zu begatten. „Eine homoerotische Veranlagung bzw. homosexuelle Identität sind nicht im Blick.“

Trotz vatikanischem Nein zum Segen gleichgeschlechtlicher Paare, meint Hieke, dass dies noch lange nicht heiße, „dass sich Gott an diese Interpretationen anschließt und ebenfalls den Segen verweigert.“ Letztlich können Menschen andere nicht von Gottes Segen fernhalten; die Verweigerung des Segenszeichens sei aber „eine subtile und daher umso gravierendere Entwürdigung der Ausgeschlossenen“.

Auch Bärte stutzen und Schwören verboten

„Derzeit gibt es einige Anstrengungen, das Verbot der Segnung von Homosexuellen biblisch zu fundieren“, schreibt Birnbaum. Ähnlich wie Hieke verweist sie auf das Verbot gleichgeschlechtlicher Sexualakte, aber auch auf Verbote, wie dem Stutzen von Bärten, das Ritzen der Haut oder jegliche Form des Schwörens. „Eine konsequente Umsetzung aller biblischen Verbote und Gebote hätte also weitreichende Folgen“, konstatiert Birnbaum auf „feinschwarz“.

Die Bibelwissenschaftlerin verweist auch darauf, dass Gott im Alten Testament zwar Einzelpersonen oder ganze Personengruppen segne, „aber keine Paare, weder homo- noch heterosexuelle“.

Neue Lesart gefragt

Anstatt biblische Verse gegeneinander antreten zu lassen, sei es die Aufgabe der Kirche, „die Botschaft Gottes von ihrer geschichtlichen Bedingtheit loszulösen und ins Heute zu übersetzen, statt die damaligen Gesellschaftsordnungen und Moralvorstellungen um jeden Preis zu prolongieren“. Das Argument „In der Bibel steht aber …“ gelte nicht, so Birnbaum. Zudem müsse Bibel „nicht mehr in jedem Detail historisch nachweisbar sein, um Bibel sein zu dürfen“.

Gefragt sei aktuell eine neue Lesart der Bibel, die den befreienden und erlösenden Gott bezeuge, so Birnbaum: „Einen Gott, der lieber sein Verhalten ändert, als dass er seine Gebote rigoros verwirklicht haben will … Einen Gott, der alle Menschen segnet, noch bevor er ihnen Aufgaben erteilt.“ Und weiter: „In einem solchen Stück könnte die Bibel ihre Stärken jedenfalls ideal entfalten. Ein dankbares Publikum wäre der Kirche gewiss.“

Regenbogenpastoral: Verletzende Sichtweise

Auch der Leiter der „Regenbogenpastoral Österreich“, der Linzer Beziehungs-, Ehe- und Familienseelsorger Franz Harant, kritisiert in der Tageszeitung „Österreich“ am Mittwoch die von der Glaubenskongregation eingenommene „verkürzende, einengende und ausschließende“ Haltung, „dass das kostbare Gut der Sexualität ausschließlich von einer mit einem Mann verheirateten Frau und deren beidseitiger Bereitschaft, gemeinsam fruchtbar zu werden, gelebt werden darf“.

Dies verletze all jene Partnerschaften von Frauenpaaren und Männerpaaren, „die demnach nicht dem römisch-katholischen Ideal einer sakramental geschlossenen Ehe entsprechen können“. Diese würden in einem solch geschlossenen System „als sündig ausgeschlossen“, was auch von vielen glaubenden Menschen nicht mehr verstanden werden könne.

Sexualmoral „verantwortungsvoll überdenken“

Aktuell stehe es daher an, die kirchliche Sexualmoral „verantwortungsvoll zu überdenken und verheutigt neu zu formulieren“. Harant weiter: „Zärtlichkeit und Sexualität als körperlicher Ausdruck von Liebe sowie lustvoll gelebt, hat auch in sich einen Wert. Diesen Wert gilt es neu zu definieren.“