Synodaler Weg

Emmaus-Gründer Rottenschlager: „Keine hoffnungslosen Fälle“

Für die Emmausgemeinschaft St. Pölten „gibt es keinen hoffnungslosen Fall, weil es für Gott keinen gibt“. Das betont der Gründer der Obdachloseninitiative, Karl Rottenschlager, im Interview mit den heimischen Kirchenzeitungen.

Im Letzten brauche es Menschen, „die glaubwürdig vorleben und vermitteln können, dass die ausgegrenzten Menschen radikal angenommen werden – unabhängig von ihrer Vorgeschichte“, so der Theologe und Sozialarbeiter: "Ob jemand von der Straße kommt, vom Gefängnis, aus der Psychiatrie oder Prostitution, wir sagen ihm: Du kriegst alle Chancen.

Was vorher war, versenken wir auf der Mülldeponie der göttlichen Barmherzigkeit. Ende. Du kannst völlig neu beginnen. Wenn du das einem Menschen, der vor dir sitzt, sagst, spürst du, wie ein Ruck durch ihn geht."

„Ich bleibe bei dir“

Erfolg stelle sich dann oft erst nach vielen Rückschlägen ein, räumte der Emmaus-Gründer ein. Es brauche solide Begleitung und Treue. Rottenschlager: „Das heißt: Auch wenn es sie zehnmal hinhaut – sie rückfällig werden, ihnen zu sagen: ich bleibe bei dir. Diese Weggemeinschaft bewirkt Unglaubliches. Den Tisch, an dem wir sitzen, hat der Franz gemacht. Erst nach 14 gescheiterten Entwöhnungen ging es wieder aufwärts.“

Und so müsse man ergänzen: „Es gibt keinen hoffnungslosen Fall, wenn der Betroffene die Therapieangebote nutzt. Wir wollen ihm schon – wir nennen das wohlwollende Konfrontation – sagen: Du kriegst eine faire Chance, aber du musst die Spielregeln ernst nehmen.“

Weggemeinschaft mit Ausgegrenzten

Rottenschlager erinnerte an die Anfänge seines Projekts: „Die ersten fünf Versuche etwas Emmaus-Ähnliches zu starten, sind jeweils am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Die Begründung war meistens: Es ist super, was Sie da wollen, aber bitte nicht bei uns. Nichts gegen diese Gemeinden, in jedem Ort Europas ist Ähnliches möglich.“

Im sechsten Anlauf habe es schließlich geklappt. „Das war 1982. Die Caritas St. Pölten hat mir ein Sozialarbeiter-Gehalt bezahlt und mich zur Gründung von Emmaus freigestellt. Bald haben fünf bis sieben Haftentlassene mitgelebt. Unter ihnen habe ich mein Gehalt aufgeteilt, jeder bekam 30 Schilling pro Tag, also zwei Euro, und dazu Kost und Quartier. Dafür mussten sie hackeln. Da haben wir diese Bruchbude, eine ehemalige Fleischhauerei, so weit saniert, dass wir eine Dusche und ein brauchbares WC hatten. In diesem Haus – inzwischen natürlich mehrmals erweitert – lebe ich noch heute.“

Anlehnung an biblische Erzählung von Emmausjüngern

„Emmaus“ stehe in Anlehnung an die biblische Erzählung von den Emmausjüngern für eine Weggemeinschaft mit den Ausgegrenzten der Gesellschaft. Rottenschlager: "Das gemeinsame Wohnen oder Arbeiten, oder beides ist das Um und Auf.

Entscheidend ist auch die Tischgemeinschaft, das gemeinsame Essen. Die zwei wichtigsten Dinge sind für uns Liebe und Kompetenz: die Liebe als Grundhaltung, und Kompetenz heißt nichts anderes als professionelle Begleitung unserer Gäste, also der Menschen, die zu uns kommen. Das Ziel von Emmaus ist der liebes- und arbeitsfähige Mensch."

Rottenschlager wollte ursprünglich Afrika-Missionar werden, dann kamen aber Gesundheitsprobleme dazwischen. Schließlich wurde er Sozialarbeiter im Gefängnis Stein. Aufgrund der Erfahrungen, die er dort machte, gründete er die Emmausgemeinschaft.

Gründung eines eigenen Sozialmarktes

Mittlerweile ist die Emmausgemeinschaft auf vier Wohnheime, drei Notschlafstellen, zwei Tageszentren und vier Betriebe für einen leichteren Einstieg in den Berufsalltag angewachsen. Zudem gründete Rottenschlager auch einen eigenen Sozialmarkt. Befürchtungen der Anrainer, die Nachbarschaft zu ehemaligen Häftlingen und Suchtkranken könnte gefährlich werden, bewahrheiten sich nicht.

In seinem aktuellen Buch „Hassen oder vergeben?“ geht es dem Emmaus-Gründer darum, durch „Mutmachergeschichten“ aufzuzeigen, dass Gott nicht nur im Gelingen, sondern auch im Scheitern am Werk sei und in Phänomenen wie etwa der Globalisierung stets auch Chancen einer Mitgestaltung der Welt liegen. Prominente „Überwinder von Hass“ kommen zu Wort, und der Autor ermuntert zum Wagnis einer Weggemeinschaft mit Ausgegrenzten, zu gewaltfreier Konfliktlösung und Versöhnung sowie zu universeller Geschwisterlichkeit.