Nachruf

Weihbischof Helmut Krätzl gestorben

Der langjährige Wiener Weihbischof Helmut Krätzl ist heute im Alter von 91 Jahren gestorben. Zeit seines Lebens setzte sich Krätzl für die konsequente Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils, für ökumenische Verständigung, für den interreligiösen Dialog und den Dienst der Kirche an der Gesellschaft von heute ein.

„Ich glaube, in der Kirchengeschichte sind die meisten Erneuerungen von unten gekommen. Darum ist es ist gut, wenn es Bewegungen gibt, die die Themen im Gespräch halten und auch die Bischöfe daran erinnern. Die heißen Eisen darf man nicht abkühlen lassen“, sagte Helmut Krätzl in einem Interview mit religion.ORF.at im September 2012 – drei Sätze, die bereits einiges über den Weihbischof verraten.

Am 23. Oktober 1931 in Wien geboren, studierte Helmut Krätzl an der Universität Wien Theologie, wo er 1959 zum Doktor promovierte. Am 29. Juni 1954 wurde Krätzl in Wien von Kardinal Theodor Innitzer zum Priester geweiht. Er arbeitete als Kaplan in Baden bei Wien, bevor er 1956 Zeremoniär des damals neu ernannten Erzbischofs von Wien, Franz König, wurde.

Helmut Krätzl 2017
APA/Herbert Neubauer
Weihbischof Krätzl 2017

Bewegung von der Basis aus

Nach einem schweren Autounfall ging Krätzl zum Kirchenrechtsstudium nach Rom, wo er dann als Konzilstenograf den großen Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965 miterlebte. In einem Interview für die „Wiener Zeitung“ sagte Krätzl anlässlich seines 80ers 2011, dass es vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil schon die liturgische und die ökumenische Bewegung an der Basis gegeben habe, deren Ideen die Theologen und Konzilsväter dann verarbeiteten.

Weihbischof Krätzl gestorben

Der emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl ist am Dienstag im 92. Lebensjahr verstorben.

„Im Sprung gehemmt“

Die Aufbruchsstimmung des Konzils beschrieb Krätzl später in seinem Buch „Im Sprung gehemmt. Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt“ (1998) als „die größte Wende in meinem kirchlichen Leben und Denken“. Beim Konzil selbst habe es „in fast allen ursprünglichen Vorlagen die Stimme der alten Theologie“ gegeben; herausgekommen sei dann aber dann eine neue Theologie.

Kardinal Franz König und Weihbischof Krätzl 2002 anlässlich des Doppeljubiläums ihrer Bischofsweihen im Wiener Stephansdom.
APA/Roland Schlager
Kardinal König und Weihbischof Krätzl 2002 anlässlich des Doppeljubiläums ihrer Bischofsweihen im Wiener Stephansdom

„Aber beim Konzil gab es eine einmalige Situation, weil der Papst wollte, dass die Kirche einen Sprung vorwärts macht – und nicht, dass man Altes wieder hervorholt“, so Krätzl. Die schleppende Umsetzung des Zweiten Vaticanums kritisierte er bis zuletzt.

Nach dem Ende seines Studiums in Rom (1964 Promotion zum Doktor des Kirchenrechts) wurde der Geistliche für vier Jahre Pfarrer in Laa an der Thaya, bis ihn Kardinal König am 1. September 1969 zum Ordinariatskanzler der Ezdiözese Wien bestellte.

Nicht Nachfolger Königs

1977 wurde Krätzl von Papst Paul VI. zum Titularbischof von Heraclea Pontica (Türkei) und Weihbischof für die Erzdiözese Wien ernannt. Am 20. November 1977 weihte ihn Kardinal König im Wiener Stephansdom zum Bischof. Viele sahen Krätzl bereits als sicheren Nachfolger Königs. Doch als dieser 1985 als Erzbischof von Wien zurücktrat, übernahm Krätzl zwar als Diözesanadministrator die interimistische Leitung der Erzdiözese Wien. Zum neuen Erzbischof wurde ein Jahr später aber Hans Hermann Groer ernannt.

Helmut Krätzl, Anas Schakfeh, Hansjörg Lein
APA/Herbert Pfarrhofer
Weihbischof Krätzl (li.) setzte sich für die Ökumene und den interreligiösen Dialog ein. Im Bild von 2006 mit dem damaligen Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh (Mitte), und dem damaligen Superintendenten der evangelischen Kirche A.B., Hansjörg Lein (re.).

Ökumene und Bildung

Unter diesem wurde Krätzl 1987 zum Bischofsvikar für die Bereiche Erwachsenenbildung und Priesterfortbildung – eine Funktion, die er auch unter Kardinal Christoph Schönborn ausübte. 2004 übernahm er das Amt des Bischofsvikar für ökumenische Fragen. In der österreichischen Bischofskonferenz war Krätzl auch für schulische Angelegenheiten, das Katholische Bibelwerk Österreich und das Seminar für Kirchliche Berufe zuständig.

Helmut Krätzl 1986
APA/Michael Leckel
Helmut Krätzl 1986

Zu seinem 75. Geburtstag im Jahr 2006 reichte er, wie vom Kirchenrecht vorgesehen, seinen Rücktritt ein, der 2008 von Papst Benedikt XVI. angenommen wurde. Er blieb aber auch in seiner Pension mit seinen Anliegen präsent. 2014 sprach sich Krätzl anlässlich seines diamantenen Priesterweihejubiläums für eine Öffnung der römisch-katholischen Kirche beim Thema Zölibat aus.

„Türen des Zölibats öffnen“

„Wir nehmen einen – zum Teil schon bedrohlichen – Eucharistiemangel hin, weil wir nicht bereit sind, die Zugänge zum Priesteramt zu verändern. Ich halte das für unverantwortlich.“ Die Eucharistie sei ein zentrales Sakrament, Quelle und Höhepunkt jeder kirchlichen Gemeinde. Deshalb „müssen wir neue Türen öffnen – auch die des Zölibats“.

Der emeritierte Weihbischof plädierte auch für mehr „Großzügigkeit“ und „ökumenische Gastfreundschaft“ betreffend die Interkommunion. Krätzl verfasste zahlreiche Bücher und erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (1996) und den Kardinal-König-Preis (2015). Die österreichische römisch-katholische Kirche hat mit ihm einen kritischen, manchmal unbequemen, aber immer wachen Geist verloren.