Auf Einladung der Bundesregierung beginnt am Montag das fünftägige „Dialogforum Sterbehilfe“. Dabei beraten Hilfsorganisationen, Pflegeeinrichtungen, die Ärztekammer, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der Verfassungsdienst, das Sozialministerium und eben Religionsgemeinschaften online über ein künftiges Gesetz, das die „Hilfe zum Selbstmord“ regelt. Dieses soll bis zum Sommer stehen.
Das aus 25 Personen bestehende Gremium soll Vorschläge erarbeiten, wie ein neu gestaltetes verfassungskonformes Gesetz aussehen könnte. Bereits vor dem VfGH-Spruch hatten Religionsgemeinschaften vor einer Lockerung der Gesetzeslage gewarnt und von einem „Dammbruch“ gesprochen. Es wird befürchtet, dass Druck auf unheilbar kranke und/oder pflegebedürftige Menschen ausgeübt werden könnte.
Katholisch: Sterbebegleitung statt Sterbehilfe
Die römisch-katholische Kirche tritt für Sterbebegleitung statt Sterbehilfe ein. Sosehr es eine „demokratiepolitische Tatsache“ sei, dass in Österreich in gewissem Rahmen Sterbehilfe zugelassen wird, „kann die Bischofskonferenz nie ein Gesetz gutheißen, das Hilfe zum Suizid unterstützt“, sagte Bischof Hermann Glettler kürzlich laut Kathpress.
Die neue Regelung dürfe nicht dazu führen, ein Menschenleben als „lebensunwert“ zu bewerten, die Suizidprävention und die Begleitung der Sterbenden müssten als primäre Aufgabe eines Sozialstaates abgesichert werden, sagte die auf biopolitische Fragen spezialisierte Juristin Stephanie Merckens, die für die Bischofskonferenz an dem Forum teilnimmt.
„An der Hand, nicht durch die Hand“
Ebenfalls für die römisch-katholische Kirche nimmt die Caritas-Generalsekretärin Anna Parr teil. Sie stützt sich auf den 2004 von Kardinal Franz König formulierten Satz, „dass Menschen an der Hand eines anderen Menschen sterben sollen und nicht durch die Hand eines anderen Menschen“.

Unbedingt sei bei der Formulierung des Gesetzesrahmens zum assistierten Suizid sicherzustellen, „dass jedweder Missbrauch und jedwede Geschäftemacherei durch gewinnorientierte Vereine und Unternehmen verhindert werden“, so Parr. Beide Vertreterinnen treten dafür ein, dass weder Gesundheitspersonal noch Institutionen zur Mitwirkung oder Beteiligung am assistierten Suizid gedrängt oder unter Druck gesetzt werden dürfen.
Diakonie: „Freie Selbstbestimmungsfähigkeit“
Aus evangelischer Perspektive soll es in erster Linie darum gehen, die Palliativ- und Hospizangebote auszubauen. Denn bis jetzt bestehe kein Rechtsanspruch auf diese Versorgung, sagte Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie, zu religion.ORF.at. Zugleich würden viel mehr Menschen Palliativmedizin benötigen als Sterbehilfe.
Hinweis
Die Palliativmedizin behandelt Schmerzen und Leiden, strebt aber keine ursächliche Bekämpfung einer Krankheit (mehr) an.
In Hospizeinrichtungen können unheilbar kranke Menschen ihre letzte Lebenszeit gut medizinisch betreut verbringen.
Ihr ist wichtig, dass assistierter Suizid an die „freie Selbstbestimmungsfähigkeit“ geknüpft wird. Es brauche ein „Schutzgesetz“, das die, die Hilfe wollen und jene, die darum gebeten werden, vor Missbrauch und Druck zu schützen. Der Wunsch nach Sterbehilfe sei ihrer Erfahrung nach eher „tiefe Verzweiflung“ und Ausdruck großer Angst vor Kontrollverlust und Schmerzen.
Die Diakonie-Direktorin ist dafür, das Recht auf Selbstbestimmung zuerst auf das Leben zu beziehen und dann erst auf den Tod. Wichtig sei in jedem Fall, die Menschen, die den Wunsch zu sterben äußern, nicht alleine zu lassen.
Islam: Drei Denkrichtungen
Islamisch gesehen darf der Mensch sein Leben nicht selbst beenden und auch aktive Sterbehilfe wird kategorisch abgelehnt. Die Website Kultur und Gesundheit.de zitiert den Propheten Mohammed folgendermaßen: „Wünscht euch nicht den Tod herbei, auch wenn es euch sehr schlecht geht, sondern sagt im äußersten Fall: ,O Gott, lass mich weiterhin leben, solange das Leben besser für mich ist, und lass mich sterben, wenn der Tod besser für mich ist!’“
Zur passiven Sterbehilfe gibt es im Islam drei Denkrichtungen: Die erste spricht von einer Therapiepflicht auch in aussichtslosen Fällen und macht keinen Unterschied zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe – lehnt also beide ab.
Debatte: Wie soll Sterbehilfe möglich sein?
Die zweite Richtung empfiehlt Therapien am Lebensende, spricht aber nicht von Pflicht. Und die dritte Richtung stellt lebenserhaltende medizinische Maßnahmen frei. Wünsche von Patienten und Familien sollen berücksichtigt werden. Wichtig sei immer die Intention, die hinter einer Handlung steht. Es dürfe demnach jemandem erlaubt werden, zu sterben, so der Artikel.
Judentum: Sterbehilfe nicht erlaubt
Gemäß jüdischem Recht ist jede Art von Sterbehilfe – aktive und auch passive – verboten. Der Mensch habe nicht das Recht, den Zeitpunkt des Todes selbst zu bestimmen – und zwar weder die betroffenen Personen, noch Angehörige oder Ärztinnen und Ärzte, sagte der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister gegenüber religion.ORF.at.
Was in aussichtslosen Fällen, die für jeden individuell geprüft werden müssen, möglich ist, ist das natürliche Auslaufenlassen von Medikamenten. Also etwa kann das Nachfüllen von Medikamenten unterlassen werden. Nach jüdischem Recht sei man nicht verpflichtet, aktiv das Leben oder das Leiden zu verlängern.
„Exekutorrolle, die uns nicht zusteht“
Eine allgemeingültige gesetzliche Regelung kann es aus Sicht des Rabbiners, der auch Sterbebegleitung macht, nicht geben – also auch kein Gesetz. Auch er warnt vor Missbrauch. Denn schon jetzt werde in Spitälern teils empfohlen, die Maschinen abzudrehen, weil Betten gebraucht würden. Er fürchtet auch, dass Patienten eingeredet werden könnte, beim Sterben nachzuhelfen. Hofmeister sieht die Gefahr, dass man in eine „Exekutorrolle, die uns nicht zusteht“ kommt.
Buddhismus: Den Tod enttabuisieren
Der Präsident der Österreichischen buddhistischen Religionsgesellschaft, Gerhard Weissgrab, sieht in der aktuellen Diskussion die Chance, den Tod in der Gesellschaft zu enttabuisieren. Denn er werde als „Versagen“ dargestellt und versucht, aus der Welt zu schaffen. Der Tod gehöre aber nun mal zum Leben dazu, so Weissgrab.
Seine Priorität liegt im Ausbau der Palliativmedizin und Hospizangebote „damit ein Sterbewunsch gar nicht aufkommt“, so Weissgrab. Eine zentrale Rolle spiele im Buddhismus aber die Eigenverantwortung. Und da der Buddhismus eine Erkenntnisreligion sei und keine Gebotsreligion, sei man Sterbehilfe gegenüber „nicht gänzlich verschlossen“.
Aus karmischer Sicht allerdings ist ein Selbstmord keine Lösung und bringe keine Befreiung. Denn die Bedingungen, die zum Leid im jetzigen Leben geführt haben, würden durch einen Suizid in die nächste Existenz mitgenommen.