Ausstellung

Wotruba-Kirche: Früher geschmäht, heute verehrt

Der „Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit“, besser bekannt als „Wotruba-Kirche“ in Wien-Mauer, ist ab Donnerstag eine Ausstellung im Belvedere 21 gewidmet. Die „Architekturikone aus Beton“ wurde anfangs kritisch gesehen, heute ist sie Kult.

Thema der Ausstellung ist die Entstehungsgeschichte des Sakralbaus vom bildhauerischen Entwurf Fritz Wotrubas (1907-1975) für ein Karmelitinnenkloster bis zur architektonischen Umsetzung zwischen 1974 und 1976. Die erste Ausstellung über die Wotruba-Kirche, die trotz anfänglichen Anfeindungen heute als modernes Wahrzeichen Wiens gilt, ist bis 13. März 2022 geöffnet.

Eingeweiht wurde die aus 152 unverkleideten Betonblöcken gebildete Kirche am 24. Oktober 1976, mehr als ein Jahr nach dem Tod des Künstlers Fritz Wotruba und nach 13-jähriger, schwieriger Entstehungsgeschichte. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Beamtin, Managerin und zugleich tiefgläubige Christin Margarethe Ottillinger, die von den sowjetischen Besatzern 1949 wegen angeblicher Spionage zu Zwangsarbeit verurteilt wurde, wie die Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig und Kuratorin Gabriele Stöger-Spevak schilderte.

Ursprünglich Auftrag für Karmelitinnenkloster

Nach ihrer Rückkehr 1955 aus einem russischen Gulag wurde Ottillinger Vorstandsdirektorin der ÖMV und widmete sich als Dank für ihr „zweites Leben“ auch kirchlichen Projekten. Sie vermittelte 1965 den ursprünglichen Auftrag an Wotruba, ein Karmelitinnenkloster zu entwerfen. Dieser Plan scheiterte, die Erzdiözese Wien unter Kardinal Franz König bemühte sich danach um die Realisierung zumindest der Klosterkirche.

Fritz Wotruba beim Modellbauen. Seine Dohle Hansi sitzt auch am Brett
Belvedere Wien, Nachlass Fritz Wotruba
Fritz Wotruba in seinem Atelier bei der Arbeit an einem Tonmodell für das Projekt eines Karmelitinnenklosters in Steinbach bei Wien, 1967. Dabei sitzt Dohle Hansi.

Die ersten Entwürfe Wotrubas sahen einen Bau aus gelblichem Karst-Marmor vor, erzählte die Kuratorin. Der damals mitwirkende Architekt Fritz Gerhard Mayr – den der Bildhauer nach dem Scheitern einer Zusammenarbeit mit Architekt Roland Rainer als Mitwirkenden gewann – überzeugte ihn jedoch von der besseren Eignung von Beton als Baustoff. Skulptur und Architektur gingen in der Folge eine erfolgreiche Symbiose ein, das Projekt wurde als Rektoratskirche auf dem Georgenberg in Wien-Mauer umgesetzt.

Ausstellungshinweis

„Wotruba. Himmelwärts“ im Untergeschoß des Belvedere 21 (Arsenalstraße 1, 1030 Wien). Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr. Bis 13. März 2022.

Fritz Wotruba, einer der bedeutendsten europäischen Bildhauer der klassischen Moderne, habe damit seinen Traum von „einer Skulptur, in der Landschaft, Architektur und Stadt zur Einheit werden“, realisiert, so Stöger-Spevak.

Anfangs kontroversielle Debatte

Die Ausstellung zeigt Entwurfszeichnungen, Kirchenmodelle und ergänzende plastische Arbeiten aus den 1960er-Jahren. Einer der Themenbereiche beleuchtet die kontroversielle öffentliche Debatte zum Kirchenbauprojekt im Mai 1968, nachdem Wotrubas Entwürfe für das Karmelitinnenkloster in der Wiener Galerie nächst St. Stephan präsentiert wurden.

Der Bildhauer selbst war nicht gläubig und wegen einer beabsichtigten Hochzeit mit einer Jüdin noch vor dem Krieg aus der Kirche ausgetreten. Der sozialistisch gesinnte Wotruba habe aber durchaus einen gesellschaftlichen Sinn darin gesehen, einen Sakralbau zu schaffen und habe Werte wie Armut und Askese geschätzt, so die Kuratorin.

„Blöcke zur Architektur getürmt“

Mit der Beanstandung, sein Entwurf habe nicht wirklich etwas mit Architektur zu tun, damit konnte Wotruba nichts anfangen. Für ihn ging es der Kuratorin zufolge um eine „Beschäftigung mit Raum, Figur und Architektur“, was ihn auch mit anderen internationalen Künstlern jener Zeit verband. In Österreich sei er damals aber „Solitär“ gewesen, betont Stöger-Spevak.

„Wotruba hat 135 Blöcke zu Architektur getürmt, geschichtet und arrangiert. Er wollte eine wirkliche Architektur bauen, die aber meist als begehbare Plastik wahrgenommen wurde, was nicht in seinem Sinne war.“

Inneres im Gegensatz zum Außen

Wotruba selbst erlebte die Einweihung übrigens nicht mehr mit: Er starb ein Jahr zuvor, im Sommer 1975, mit 68 Jahren. Für die Fertigstellung der Kirche – es gab noch offene Fragen die Innenausstattung oder die Fenster betreffend – orientierte man sich letztlich an früheren Entwürfen, die Wotruba für Kirchenprojekte in Luzern und Bruchsal angefertigt hatte.

Die Wotruba-Kirche am Georgenberg in Wien-Mauer
Belvedere Wien/Johannes Stoll
Die Wotruba-Kirche wurde zum Wiener Wahrzeichen

Die Kritik am markanten Erscheinungsbild verstummte schon mit der Eröffnung der Kirche zusehends, wobei allen voran das Innere auch die Kritiker überraschte. „Ihre helle, großzügige, lichtdurchflutete Situation stand in gewissem Gegensatz zu äußerem Erscheinungsbild“, so Stöger-Spevak. Heute gehört die Wotruba-Kirche jedenfalls zu den ikonischen Architekturdenkmälern der Stadt.

Adaptionen mit Lift 2019

Eine weitere Diskussion über die Kirche kam erst jüngst 2019 auf, als die Kirche mit einem barrierefreien Zugang ausgestattet wurde: Sie bekam einen neuen Zugang und eine Glasfront, es wurde ein Lift errichtet, die im Inneren des Hügels liegenden Gemeinderäume wurden erweitert. Die Anziehungskraft, die das außergewöhnliche Werk moderner Bildhauer-Architektur auf zeitgenössische Kunstschaffende ausübt, ist ungebrochen.

Die Exponate der Ausstellung wie ein 1967 entstandenes, maßstabloses Modell in Gips, das die markanten Blöcke der Kirche in noch roherer Form veranschaulicht, stammen überwiegend aus dem umfangreichen Nachlass Fritz Wotrubas, der 2011 der Österreichischen Galerie Belvedere anvertraut wurde und seitdem im Belvedere 21 für Forschung und Publikum zugänglich ist.