Gemälde der Brunner-Familie
Dietmar Walser
Dietmar Walser
Vorarlberg

Jüdisches Museum zeigt „Die letzten Europäer“

Im Jüdischen Museum Hohenems ist derzeit die Ausstellung „Die letzten Europäer“ zu sehen, die Einblick in die Geschichte der jüdischen Familie Brunner gibt und die Frage aufwirft, inwieweit Jüdinnen und Juden zur Idee und Umsetzung der europäischen Integration beigetragen haben.

Ausgangspunkt ist der Nachlass von Carlo Alberto Brunner (1933-2014), den das Vorarlberger Museum von dessen Nachkommen als Dauerleihgabe erhielt. Die Exponate ermöglichen Interessierten einen Blick auf 300 Jahre jüdische Familiengeschichte und ein europäisches Zeitalter, das in Krieg und Zerstörung endete.

Im Nachlass befinden sich Briefe, Dokumente, Erinnerungsstücke und Alltagsgegenstände vieler Generationen der Familie Brunner. Sie bezeugen die frühe Präsenz der Idee eines vereinten und in verschiedener Hinsicht miteinander verbundenen Europas.

Fotoalbum Familie Brunner
Dietmar Walser
Das Fotoalbum der Familie Brunner

Das Jüdische Museum Hohenems beleuchtet, welche Rolle Jüdinnen und Juden in der wirtschaftlichen und kulturellen Einigung Europas spielten und ob es sich bei ihnen sozusagen um die „letzten Europäer“ handelt, die diesen vereinigenden Geist verkörpern. Die Ausstellung ist bis 3. Oktober zu sehen.

Themen der Gegenwart

Ein Zusatzprogramm widmet sich aktuellen Tendenzen, die den europäischen Einigungsprozess gefährden, macht aber auch auf Chancen aufmerksam und thematisiert zukunftsweisende und überkommene Gesellschaftskonzepte.

Der Ausstellungs-Untertitel „Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee“ weist zudem auf ein breites Diskussionsprogramm hin, in dem über Themen der Gegenwart reflektiert wird, darunter die Situation Geflüchteter in Griechenland oder die Schließung der Budapester „Central European University“ durch die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban. Im Mai wird ein Online-Vortrag mit dem deutschen Politikwissenschafter Jens Hacke angeboten, im Juni folgen Beiträge des britischen Philosophen Brian Klug und des israelischen Soziologen Natan Sznaider.

Ausstellung „Die letzten Europäer“
Dietmar Walser
Das Thema der Situation Geflüchteter in der heutigen Zeit wird nicht ausgespart

Möglicherweise Neuauflage in Wien

„Die Idee war, dass sich die Ausstellung über den Ausstellungszeitraum hinweg durch neue Beiträge verändert“, sagte Hanno Loewy, Leiter des Jüdischen Museums Hohenems, im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie gab es dabei zwar Planänderungen, der gewünschte sichtbare Prozess des Ausstellungsprogramms konnte aber dennoch über das Streaming-Angebot gewährleistet werden.

Bereits im Oktober 2020, zu Beginn der Ausstellung, gab Loewy im Gespräch mit Ö1 ein ausführliches Interview zu Details und Hintergründen der Ausstellung; nachzuhören auf der Homepage des Museums. Im Raum stehe auch eine Neuauflage der Ausstellung im Jüdischen Museum Wien, schilderte Loewy.

Aufstieg zu europäischer Größe

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand die jüdische Familie Brunner aus Hohenems aus Metzgern und Viehhändlern. Einige Nachkommen wanderten um 1830 in das damals österreichische Triest aus. In sehr kurzer Zeit trugen die jüdischen Auswanderer anfangs durch Geschäfte in der Textilindustrie zum steilen Aufstieg der habsburgischen Mittelmeermetropole bei und wurden selbst zu Wirtschaftsmagnaten. Die Familie lebte und wirkte bald in ganz Europa.

Ausstellung „Die letzten Europäer“
Dietmar Walser
Die Brunner waren eine bedeutende jüdische Familie – von einem steilen Aufstieg und dem Abstieg erzählt die Ausstellung

Mit dem Ersten Weltkrieg begann das Familienimperium zu bröckeln und fand mit dem Einsetzen der aufkeimenden rassistischen Ideologien Europas und dessen Höhepunkt im Zweiten Weltkrieg ihr Ende. Heute treffen sich Nachkommen regelmäßig und verstreut über den Globus, heißt es in einem Pressetext des Museums.

Buch über Familie Brunner

Einer detaillierten Schilderung der Familiengeschichte widmete sich Hannes Sulzenbacher in seinem Buch „Die Familie Brunner. Eine europäisch-jüdische Geschichte. Hohenems-Triest-Wien“.

Die Buchvorstellung findet am 25. Mai ab 18.00 Uhr im Beisein des Autors in Hohenems statt und wird – wie die begleitenden Vorträge – via Zoom und YouTube live angeboten.