Politik

„Bespitzelung“: Kirchen-Kritik an „Islam-Landkarte“

Deutliche Kritik an der „Islam-Landkarte“ kommt nun auch aus der römisch-katholischen Kirche: Der Vorsitzende der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, Markus Ladstätter, kritisierte die Vermischung von Islam und Islamismus und ortet Impulse zur „Bespitzelung“.

Es erscheine „fragwürdig, warum staatliche Behörden nun einseitig eine Landkarte mit flächendeckenden Informationen und Bewertungen zu allen Institutionen einer einzelnen Religionsgemeinschaft erstellen“, sagte Ladstätter zur Debatte über die „Islam-Landkarte“ der Dokumentationsstelle Politischer Islam.

Der Religionswissenschaftler an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Graz kritisierte im Gespräch mit der römisch-katholischen Nachrichtenagentur Kathpress mögliche „Bespitzelung“ und hinterfragte den von der Regierung behaupteten „Service“-Charakter. Die primäre Absicht der Landkarte sei aus dem ursprünglichen – und inzwischen wieder entfernten – Text darunter klar geworden: „Wenn Sie Informationen zu einzelnen Vereinen oder Moscheen haben, … schreiben Sie uns bitte an …“. Dazu Ladstätter: „Solche Impulse zu gegenseitiger Bespitzelung dienen, so wissen wir aus leidvoller Erfahrung, nicht dem gesellschaftlichen Frieden.“

Kritik an „Ungleichbehandlung“

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) hat die Landkarte, die Informationen über mehr als 600 muslimische Vereine enthält und auch deren Stellung zum politischen Islam auslotet, mehrfach verteidigt und erklärt, sie könne auch für Muslime selbst von Nutzen sein.

Ladstätter hielt fest, Österreich habe ein bewährtes System der Beziehungen zwischen Staat und Religion, das eine grundsätzliche Trennung bei gleichzeitiger Kooperation vorsehe und in seiner Ausgestaltung in vielem international vorbildliche Qualitäten aufweise. Mit der Landkarte liege eine Ungleichbehandlung vor. Diese als „Service“ für die Muslime darzustellen, sei „schwer nachvollziehbar, da die derart ‚servicierten‘ Personen weder den Wunsch nach dieser staatlichen Dienstleistung geäußert haben noch irgendwie sonst einbezogen worden sind“.

Islam und Islamismus vermischt

Die Karte sei offensichtlich als „Instrument im Kampf gegen einen ‚politischen Islam‘“ zu verstehen. Durch die gemeinsame Präsentation von „Islam“ und „Islamismus“ bzw. „politischem Islam“ entstehe – „ungewollt oder gewollt“ – eine Vermischung dieser beiden Inhalte. Dies werde zur Belastung für alle friedlichen, gläubigen Musliminnen und Muslime.

Aus diesem Grund sollte die plakative Formulierung „politischer Islam“ überhaupt endlich aufgegeben werden, riet der Religionsdialog-Experte. Gleiches gelte für die Bezeichnung der betreffenden Dokumentationsstelle, „da sie ungeeignet ist, zwischen legitimen politischen Anliegen von (jeder) Religion und destruktiven Formen wie ‚Islamismus‘ zu unterscheiden“.

Idee nicht schlecht

Eine grundsätzliche Orientierung über Zugehörigkeiten einzelner religiöser Gruppierungen sei nicht schlecht, sondern hilfreich, gestand Ladstätter. „Aber sollte sie nicht viel eher von der betreffenden Religionsgemeinschaft selbst erstellt werden?“

Hier tue sich ein Feld auf, in dem beide Seiten – staatliche Behörden und Islamische Glaubensgemeinschaft – „unter Beweis stellen könnten, dass es ihnen mit Integration und Kooperation wirklich ernst ist“.

Khorchide verteidigt Landkarte

Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) kritisierte am Dienstag die „Islam-Landkarte“ einmal mehr scharf und forderte am Dienstag Polizeischutz für Betroffene, deren Adressen in der von der „Islam-Landkarte“ veröffentlicht wurden. So seien Angriffe gegen Muslime sowie die Schändung einer Moschee in Graz seit der Veröffentlichung der Karte publik geworden.

Der österreichische, in Münster lehrende islamische Theologe Mouhanad Khorchide sagte am Dienstag der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), er könne die Kritik an der von ihm mitverantworteten „Islam-Landkarte“ nicht nachvollziehen. Eine solche Karte sei bereits 2009 bis 2019, also zehn Jahre lang, online gewesen und habe niemanden gestört, sagte Khorchide. „Nun benutzen Vertreter des politischen Islam die aktualisierte Neuauflage für eine konstruierte Skandalisierung und stellen sich einmal mehr als Opfer einer Diffamierungskampagne dar. Das ist sehr weit hergeholt“, so Khorchide.

„Lobbyisten des politischen Islam“

Die Debatte darüber sei von islamischen Repräsentanten ins Rollen gebracht worden, die fundamentalistischen Organisationen wie den Muslimbrüdern nahestünden, betonte der Theologe. Dahinter stehe die eigentliche Absicht, die Arbeit der Dokumentationsstelle in Verruf zu bringen und das Engagement gegen den Einfluss des „politischen Islam“ in Österreich zu schwächen. Dieser behindere aktiv die Integration von Muslimen in die westliche Gesellschaft, sagte Khorchide, der das Seminar für islamische Theologie der Uni Münster leitet.

Zeitgleich mit der Karte habe die Dokumentationsstelle drei akribisch recherchierte Dossiers über den mit der türkischen Regierung verbandelten Islamverband ATIB sowie über Milli Görüs und die rechtsextremistischen Grauen Wölfe vorgelegt. Die Lobbyisten des „politischen Islam“ hätten es mit ihrer „konstruierten Empörung“ geschafft, dass Medien nur das Thema Landkarte aufgriffen haben, bemängelte Khorchide.