Brief

Papst lehnt Rücktritt von Kardinal Marx ab

Papst Franziskus hat den Rücktritt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, abgelehnt. Das schrieb das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in einem vom Heiligen Stuhl am Donnerstag veröffentlichten Brief.

Am Freitag hatte die Erzdiözese München und Freising mitgeteilt, dass Marx dem Papst seinen Rücktritt angeboten hat. In seinem Brief an Franziskus schreibt Marx: „Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten.“

Papst Franziskus schüttelt dem deutschen Kardinal Reinhard Marx in einer Privataudienz die Hand, Archivbild vom 3. Februar 2020
APA/AFP/Vatican Media
Papst Franziskus und Marx im Rahmen einer Privataudienz die Hand, Archivbild vom 3. Februar 2020

Vorwurf: Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauch

Der 67-jährige Marx, der nach viel öffentlicher Kritik wegen der auch im Erzbistum München noch nicht abgeschlossenen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im April auf die Verleihung des Großen Verdienstkreuzes durch den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier verzichtet hatte, erklärte, er wolle durch seinen Rückzug ganz bewusst auch ein Zeichen für „einen neuen Aufbruch der Kirche“ setzen. Diese müsse sich grundlegend erneuern und reformieren.

Für diesen Sommer wird ein Gutachten über Fälle von sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising erwartet, das vor allem herausarbeiten soll, wie sexueller Missbrauch von Priestern im Bistum möglich wurde und ob hochrangige Geistliche Täter schützten.

Reformfreudiger Papst-Berater

Marx ist nicht nur einer der prominentesten katholischen Geistlichen in Deutschland, sondern auch ein enger Berater des Papstes. Bis 2020 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In der Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland, dem „Synodalen Weg“ hatte er sich zuletzt als reformfreudig hervorgetan.

Die Reaktionen auf den Entschluss des Papstes fielen unterschiedlich aus: Der deutsche Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht in der Ablehnung des Rücktrittsgesuch einen Aufruf zu Reformen. "Die Botschaft: Wir können vor der strukturellen Sünde und Schuld des sexuellen Missbrauchs nicht fliehen – sondern müssen ihr gemeinsam ins Auge schauen.

Reaktionen gemischt

Und: wir müssen Reformen anstoßen, das heißt Fleisch auf den Grill legen", sagte der Direktor des Institutes für Kanonisches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster der Deutschen Presse-Agentur.

„Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising“, schrieb das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem Brief an Marx, den der Heilige Stuhl veröffentlichte. „"Vorsätze“ zur Änderung des Lebens zu machen, ohne „das Fleisch auf den Grill zu legen", führt zu nichts“, hieß es darin auch.

Der Brief an Marx sei „außergewöhnlich persönlich und klar“, sagte Schüller. „So bleibt Kardinal Marx Erzbischof und ein wichtiger Begleiter des Papstes“. Er werde nun im Amt als Sünder mit seinen Fehlern als Bischof von Trier und Erzbischof von München-Freising im Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch konfrontiert werden. „Das mag schmerzlich sein, aber der Papst erspart Marx nicht diesen Gang.“

Laien: Papst stärkt Marx den Rücken

Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sieht die schnelle Antwort aus Rom als „brüderliche Rückenstärkung“ für Kardinal Marx. Der Brief sei auch eine Aufforderung an Marx, „sich hier in seinem Bistum und auf dem Reformkurs der katholischen Kirche in Deutschland auch weiterhin mit seiner Kraft und Kompetenz einzusetzen“, sagte „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner. „Es ist ein Zeichen, dass es mehr noch als eines personellen Wechsels eines strukturellen, mentalen und spirituellen Wechsels bedarf.“

Der Papst mache deutlich, „dass die Kirche keinen Schritt nach vorne tun kann“, ohne „die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs in der Kirche und ihres Umgangs damit anzunehmen“, sagte Weisner.