Recht

Experte: Verschiebung bei Staat-Kirche-Verhältnis

Eine zunehmende Einflussnahme und Kontrolle der Kirchen, Religions- und Glaubensgemeinschaften durch den Staat hat der Wiener Religionsrechtler Richard Potz registriert.

Die staatliche Bekämpfung des Phänomens des Islamismus und des „politischen Islams“ wirke sich letztlich auf alle Religionen und ihr Verhältnis zum Staat aus, sagte der emeritierte Leiter des Instituts für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien am Mittwochabend bei einem Onlinevortrag der „Akademie am Dom“.

Als Folge des Gleichbehandlungsprinzips sei die aus dem Protestantengesetz stammende „Meistbegünstigungsklausel“ mittlerweile zu einer „Meistdiskriminierungsklausel“ abgewandelt worden. „Wenn die Muslime unter stärkere staatliche Aufsicht kommen, entsteht dadurch die Gefahr, dass dann auch andere Religionsgesellschaften in diesen Strudel hineingezogen werden“, warnte Potz.

„Strudel“ stärkere staatliche Aufsicht

Beobachten könne man das auch bei der öffentlichen Wahrnehmung der Religionen: Als „unleidliche Äußerungen“ eines islamischen Religionslehrers in den Medien auftauchten, sei nach dem Aufschrei darüber die Debatte sehr schnell in Richtung einer Hinterfragung des islamischen Religionsunterrichts, sowie als nächsten Schritt des Religionsunterrichts allgemein umgeschwenkt. Ähnlich sei es auch bei der Diskussion um die Einbindung der islamischen Glaubensgemeinschaft bei der Einführung eines islamischen Studiums verlaufen.

Schon seit 2001 bestimme die Auseinandersetzung mit dem Islam die Weiterentwicklung des österreichischen Religionsrechtes, sagte der Experte rückblickend. Zuvor sei dieses Recht nach 1945 aus Versatzstücken früherer Traditionen entstanden.

Es habe dann eine Korrektur- und eine Konsolidierungsphase mit der Neufassung bzw. Einführung von Protestanten- (1961), Orthodoxen- (1967) und Israelitengesetzen (2012) gegeben und – infolge des Drucks neuer religiöser Bewegungen – in den 1990er-Jahren eine Pluralisierung sowie auch eine „Europäisierung“ stattgefunden, wobei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) – die öfters auch die Religion berühren – Einfluss bekommen habe.

Vorbildfunktion verloren

Grundsätzlich halte er das in Österreich geltende Kooperationsmodell mit Sondergesetzen für die einzelnen historisch und gesellschaftlich bedeutenden Kirchen und Religionsgesellschaften für ein „gutes Modell“, an das sich andere Länder wie Italien und Spanien angenähert hätten, so Potz.

Die darauf begründete einstige internationale Vorbildfunktion habe Österreich jedoch in letzter Zeit verloren. Der Grund sei das neue Islamgesetz, mit dem man sich unter Verfassungsrechtlern „ins Out manövriert“ habe – wie sehr die Regelung auch „politisch für manche attraktiv“ sei.

Auch für die viel diskutierte „Islam-Landkarte“ der „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ zeigte Potz wenig Begeisterung: Leute würden sich erschrecken bei der Feststellung, dass es mehrere muslimische kleine Gebetsräume in ihrem Bezirk gibt. Durch die unterschiedslose Darstellung aller islamischen Institutionen auf einer Karte habe man eine „Vereinheitlichung“ beabsichtigt, was er für eine „unglückliche Idee“ halte, so der Experte.