Polen

Fast 300 Geistliche des Missbrauchs beschuldigt

Aufgrund von 368 Anzeigen wurden in Polen insgesamt 292 Priester und Ordensbrüder sexueller Gewalt gegen Minderjährige beschuldigt. Die Anzeigen betreffen demnach Taten aus den Jahren 1958 bis 2020, in 65 der 368 Meldungen geht es um Fälle aus den vergangenen drei Jahren.

Bei Diözesen und Männerorden der katholischen Kirche in Polen waren von Juli 2018 bis Ende 2020 insgesamt 368 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen eingegangen. Wie die Bischofskonferenz am Montag in Warschau mitteilte, wurden insgesamt 292 Priester und Ordensbrüder sexueller Gewalt gegen Minderjährige beschuldigt.

Insgesamt seien die mutmaßlichen Missbrauchsbetroffenen je zur Hälfte männlich und weiblich. Je 47 Prozent waren unter 15 Jahre bzw. 15 bis 17 Jahre alt; in den übrigen Fällen fehle eine Altersangabe. 48 Prozent der Anzeigen stammten den Angaben zufolge von den mutmaßlichen Opfern selbst, 19 Prozent hingegen von Geistlichen.

Hälfte der Fälle noch in Untersuchung

In bisher 39 Prozent der zwischen Juli 2018 und Ende 2020 eingetroffenen Anzeigen seien die Vorwürfe bestätigt worden, in 10 Prozent dagegen nicht. In den übrigen 51 Prozent dauere die Untersuchung an.

Polnische Bischöfe aus der Vogelperspektive
Reuters/Katarina Stoltz
Wegen des Umgangs der polnischen Kirche mit sexuellem Missbrauch sind zwei Bischöfe zurückgetreten

Polens Bischofskonferenz hatte bereits im März 2019 einen ersten Bericht zum Ausmaß der sexualisierten Gewalt von Geistlichen gegen Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Demnach missbrauchten mutmaßlich 382 Priester und Ordensmänner laut kirchlichen Akten, die von Jänner 1990 bis Juni 2018 angelegt wurden, Minderjährige. Die Akten umfassten Anzeigen zu Fällen, die bis 1950 zurückreichen. Von den 625 Opfern seien 345 unter 15 Jahre alt gewesen, hieß es damals.

Weiterer Bischof zurückgetreten

Papst Franziskus hat unterdessen den vorzeitigen Rücktritt des polnischen Bischofs Zbigniew Kiernikowski (74) von Legnica (Liegnitz) angenommen. Wie die Polnische Bischofskonferenz am Montag weiter mitteilte, hängt der Amtsverzicht mit einer vatikanischen Untersuchung zusammen. Kiernikowski wurden demnach Fehler im Umgang mit einem Fall sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Priester in der Diözese Siedlce vorgeworfen, die er von 2002 bis 2014 leitete.

Nach Abschluss dieses Verfahrens habe Kiernikowski, auch mit Blick auf „Schwierigkeiten bei der Leitung der Diözese Legnica“, seinen Rücktritt eingereicht, so die Bischofskonferenz ohne weitere Einzelheiten. Kiernikowski wird am Freitag 75 Jahre und erreicht damit jene Altersgrenze, mit der Bischöfe dem Papst nach dem Kirchenrecht ohnehin ihren Amtsverzicht anbieten müssen.

Untersuchungen durch Vatikan

Zum neuen Leiter der niederschlesischen Diözese ernannte Papst Franziskus nach Angaben der Vatikanbotschaft in Polen den bisherigen Breslauer Weihbischof Andrzej Siemieniewski (63).

Ebenfalls in Zusammenhang mit Vorwürfen von Fehlern im Umgang mit Missbrauchsfällen hatte Papst Franziskus bereits Mitte Mai den vorzeitigen Rücktritt des Bischofs Jan Tyrawa (72) von Bydgoszcz (Bromberg) angenommen. Auch in seinem Fall führte der Vatikan zuvor eine Untersuchung durch.