Stift Klosterneuburg
ORF.at/Johanna Grillmayer
ORF.at/Johanna Grillmayer
Klosterneuburg

Ein Stift als Wirtschaftsplayer

Das niederösterreichische Stift Klosterneuburg ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region um Wien. Nach einem großen Immobilienkauf stellt sich die Frage: Wofür braucht eine katholische Ordensgemeinschaft so viel Geld?

Die Wirtschaftsbetriebe stellen die finanzielle Basis für die Durchführung der religiösen, kulturellen und sozialen Aufgaben des Stiftes: So formulierte es der Pressesprecher des Stiftes, Walter Hanzmann, gegenüber religion.ORF.at. Vergangene Woche hatten Nachrichtenagenturen vermeldet, dass das Stift 73.000 Quadratmeter Gewerbegrund in Anif bei Salzburg erworben habe, auf dem das ehemalige CD-Werk von Sony steht. Ein Wiener Immobilienentwickler habe den Grund für 23,6 Millionen Euro an die Chorherren verkauft, hieß es.

Seit der Gründung durch den Babenberger Markgrafen Leopold III. und seine Frau Agnes im Jahr 1114 entwickelte sich das Stift, das bis ins 18. Jahrhundert ein Doppelstift mit Augustiner-Chorfrauen war, zu einem wichtigen kulturellen und sozialen Zentrum im Nordwesten Wiens. Reiche Kunstschätze und eines der größten und ältesten Weingüter Österreichs machen es unter anderem zu einem beliebten Ausflugsziel.

Gewichtiger Wirtschaftsfaktor

Doch es ist auch ein gewichtiger wirtschaftlicher Player in der Region: Rund 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten derzeit im Stift. Die gewerblichen Betriebe des Augustiner-Chorherrenstiftes seien in vier Geschäftsfeldern tätig, so Hanzmann: in der Land- und Forstwirtschaft, Kultur und Tourismus, Betrieb und Erhaltung sowie Immobilien- und Liegenschaftsverwaltung.

Stift Klosterneuburg
Stift Klosterneuburg
Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region

Dabei stellten Immobilien „seit jeher ein wichtiges Standbein der Wirtschaftsbetriebe dar“. Das Stift Klosterneuburg vermietet rund 700 Wohnungen, Büros und Geschäftslokale „in über 70 denkmalgeschützten Häusern“ mit einer Gesamtfläche von 87.000 Quadratmetern in Wien und Niederösterreich. Außerdem verwaltet das Stift rund 4.000 Pachtverträge für Liegenschaften in Wien, Klosterneuburg, Korneuburg, Langenzersdorf, Tattendorf, Bisamberg und nun auch in Anif/Salzburg.

Erhaltung, Pflege und Renovierung

Nicht zu vergessen „die eigentliche Hauptaufgabe der Augustiner-Chorherren“, die Seelsorge in 27 Pfarren, 24 in Wien und Niederösterreich, aber auch einer Pfarre in Norwegen und zwei in den USA.

Dazu komme die Erhaltung und Pflege von Kulturgütern: Allein die Renovierungskosten der Stiftsgebäudes beliefen sich auf rund eine Million Euro – jährlich. 60 Prozent davon trägt laut Website das Stift, 25 Prozent das Land Niederösterreich, der Rest verteilt sich auf Bund, Erzdiözese Wien und Stadt Klosterneuburg. Kosten für Archiv, Bibliothek und die umfangreichen Kunstsammlungen des Stiftes sind hier noch nicht inbegriffen.

Es bestehe mit dem Stift Klosterneuburg „ein stetiger, enger Austausch“, so das Bürgermeisteramt der Stadtgemeinde Klosterneuburg gegenüber religion.ORF.at. Die Beziehung zwischen Stadt und Stift blicke auf eine lange Tradition zurück und fuße „auf guter Zusammenarbeit“. Es gebe „Verbindungen in vielfacher Weise, gemeinsames Marketing, Feste und Anlässe wie das jährliche ‚Stift & Stadt feiern‘ oder das Leopoldifest“, so die Gemeinde. Die Zusammenarbeit sei vorwiegend kultureller Natur.

Soziale Aufgaben und Projekte

Einen hohen Betrag wende das Stift pro Jahr für soziale Aufgaben und Projekte im In- und Ausland auf, so Hanzmann. Jedes Jahr würden mindestens zehn Prozent des Ertrages für soziale Aufgaben im In- und Ausland aufgewendet, rund 1,4 Mio. Euro Spendengelder pro Jahr.

Sozialprojekt der katholischen Hilfsorganisation Concordia in Ploiesti, Rumänien
Stift Klosterneuburg
Das Stift unterstützt Sozialprojekte, hier von der katholischen Hilfsorganisation Concordia in Ploiesti in Rumänien

Augustiner-Chorherren

Augustiner-Chorherren sind keine Mönche, sondern Geistliche, die in einer Priestergemeinschaft nach der Regel des heiligen Augustinus leben. Sie werden daher auch nicht mit der Anrede „Pater“ angesprochen, sondern mit „Herr“ in Kombination mit dem Ordensnamen.

Im Bereich Land- und Forstwirtschaft legen die Chorherren Wert auf Nachhaltigkeit: Das Stiftsweingut Klosterneuburg mit über hundert Hektar Anbaufläche wurde 2009 als erstes Weingut Österreichs als klimaneutral zertifiziert. Der zum Stift gehörende Forst umfasst 8.000 Hektar, die (Bio-)Landwirtschaft 280 Hektar Fläche.

Ein unterirdisches Biomasseheizwerk versorgt seit 2003 das Stift und seine Nebengebäude sowie kommunale Einrichtungen in Klosterneuburg: das Rathaus, das Freizeitzentrum Happyland und das Krankenhaus, wie die Stadtgemeinde informierte. Man sei um „naturnahe und schonende Bewirtschaftung der Wälder und Ackerflächen“ bemüht, hieß es seitens des Stiftes.

Seelsorge in 27 Pfarren

Die etwa 45 Chorherren des Stiftes Klosterneuburg betreuen insgesamt 27 Pfarren. Die Pfarren der Stiftskirche Klosterneuburg und St. Martin gehörten von Beginn an zum Stift, andere seien mit Grundbesitz hinzugekommen, so Pressesprecher Hanzmann. Weitere Aufgaben ergaben sich durch die Reformen Kaiser Josephs II.: Er schuf neue Pfarren, die seelsorgerisch betreut werden mussten.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert, als die Randgebiete Wiens einen Bevölkerungszuwachs erlebten, wurden auch dort neue Zentren der Seelsorge geschaffen. Durch den Eintritt von Chorherren aus Norwegen und den USA ergaben sich auch Aufgaben außerhalb Österreichs: Derzeit ist Markus Eidsvig, ein Chorherr des Stiftes Klosterneuburg, Bischof von Oslo, und die Pfarre Bergen wird vom Stift betreut.

Hohe Renovierungskosten

Drei der US-amerikanischen Chorherren des Stiftes gründeten im Juni 2011 die Niederlassung Glen Cove in New York, wo sie zwei Pfarren betreuen. „Verbunden mit der Betreuung von Pfarren ist nicht nur die Entsendung von Seelsorgern, sondern auch ein finanzieller Beitrag zur Erhaltung der Kirchen und sonstiger Gebäude: Allein der Beitrag zu den Renovierungskosten der Kirchen beträgt pro Jahr rund eine Million Euro“, erklärte der Pressesprecher des Stiftes.

Die Pfarren des Stiftes in Klosterneuburg selbst umfassen die Stiftspfarre, Kierling, St. Leopold, St. Martin, Kritzendorf, Weidling, Höflein an der Donau, im übrigen Niederösterreich kommen noch Haselbach, Korneuburg, Langenzersdorf, Reinprechtspölla, Stoitzendorf und Tattendorf dazu.

Elf weitere Pfarren in vier Wiener Bezirken werden von Klosterneuburg betreut, zusätzlich habe das Stift „Realpatronate“ über die Pfarrkirchen Hauskirchen, St. Bernhard, Neukirchen a. d. Wild , die Filialkirche Maria Bründl in Poysdorf (alle Niederösterreich) sowie Groß-Jedlersdorf (Wien-Floridsdorf). Diese Pfarren sind nicht Eigentum des Stiftes, werden aber von ihm betreut; Klosterneuburg müsse auch hier einen finanziellen Beitrag, beispielsweise Erhaltungsaufgaben, leisten, so der Stiftssprecher.