Muslimin, Frau mit Kopftuch
Pixabay/Engin Akyurt
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EuGH

Kopftuchverbot am Arbeitsplatz kann rechtens sein

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte von Arbeitgebern gestärkt, die muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen von Kopftüchern verbieten. Ein Verbot des Tragens von religiösen Symbolen wie dem Kopftuch am Arbeitsplatz kann unter Umständen gerechtfertigt sein, erklärte der EuGH am Donnerstag in Luxemburg.

Das Verbot des Tragens jeder sichtbaren Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen könne durch das Bedürfnis des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, gegenüber den Kundinnen und Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln oder soziale Konflikte zu vermeiden, urteilte der EuGH.

Der Arbeitgeber müsse aber nachweisen, dass ohne eine solche Politik der Neutralität seine unternehmerische Freiheit beeinträchtigt würde. Der Gerichtshof prüfte auch, ob ein Verbot nur für das Tragen von großflächigen Symbolen – wie beispielsweise einem Kopftuch – diskriminierend sei. Dies bejahte er – denn es könne zur Folge haben, dass einige Mitarbeiterinnen wegen ihrer Religion schlechter behandelt würden als andere. Sollte hier aber keine unmittelbare Diskriminierung festgestellt werden, könne eine Ungleichbehandlung rechtens sein, wenn ein Verbot „jede sichtbare Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen“ erfasse.

Keine „großflächige“ religiöse „Zeichen“

In den behandelten Fällen ging es um zwei Musliminnen aus Deutschland (Az. C-341/19 und C-804/18). Da ihnen das Tragen des islamischen Kopftuchs am Arbeitsplatz untersagt wurde, zogen sie vor deutsche Gerichte. Diese baten den EuGH um Auslegung des EU-Rechts.

Eine der Frauen hatte bereits seit 2002 bei einer Drogerie als Verkaufsberaterin und Kassiererin gearbeitet. Nach ihrer Elternzeit wollte sie 2014 – anders als zuvor – ein Kopftuch tragen. Die Drogerie wies sie aber an, „ohne auffällige großflächige Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen“ zur Arbeit zu kommen. Dagegen klagte sie. Die zweite Frau ist Heilerziehungspflegerin bei einem gemeinnützigen Verein, der Kindertagesstätten betreibt. Sie trug seit Anfang 2016 ein Kopftuch. Kurz darauf ging sie in Elternzeit.

Kopftuchverbot nach der Elternteilzeit

Während dieser Zeit erließ der Verein eine Dienstanweisung, die das Tragen von sichtbaren Zeichen der politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung am Arbeitsplatz für Beschäftigte mit Kundenkontakt verbietet. Die Erzieherin weigerte sich nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit, das Kopftuch abzunehmen, wurde deshalb mehrmals abgemahnt und schließlich freigestellt. Gegen die Abmahnungen zog sie vor Gericht. Vor dem Arbeitsgericht Hamburg wurde daraufhin verhandelt, ob die Einträge aus der Personalakte gelöscht werden müssen.

Beide Verfahren wurden in Deutschland ausgesetzt, weil die Gerichte dem EuGH Fragen vorlegten. So wollte das Bundesarbeitsgericht wissen, ob eine Anordnung in der privaten Wirtschaft wie die der Drogerie diskriminierungsrechtlich stets gerechtfertigt sei oder ob die Religionsfreiheit berücksichtigt werden müsse.

Bereits ähnliche Fälle

Ähnlich ging das Bundesarbeitsgericht 2019 mit dem Fall einer Muslimin aus dem Raum Nürnberg vor, die gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte. Während sich die Angestellte in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt sah, verwies die Drogeriekette auf unternehmerische Freiheit.

Bereits 2017 hatte der EuGH in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein allgemeines internes Verbot von politischen oder religiösen Symbolen am Arbeitsplatz keine unmittelbare Diskriminierung darstellt. Der Wunsch von Arbeitgebern, ihren Kundinnen und Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, sei legitim und gehöre zur unternehmerischen Freiheit, so die Richter.

Gerichte haben Spielraum bei Religionsfreiheit

Das abschließende Urteil im konkreten Fall der Kita-Mitarbeiterin und der Angestellten des Drogeriemarktes müssen nun die zuständigen deutschen Gerichte treffen. Der EuGH betonte am Donnerstag, dass diese durchaus Entscheidungsspielraum haben.

Demnach könnten die nationalen Gerichte im Rahmen des Ausgleichs der in Rede stehenden Rechte und Interessen dem Kontext ihres jeweiligen Mitgliedstaats Rechnung tragen. Insbesondere sei dies der Fall, wenn es in Bezug auf den Schutz der Religionsfreiheit günstigere nationale Vorschriften gebe.