Vatikan

Mammutprozess zu Finanzskandal vertagt

Im Vatikan hat am Dienstag ein historisches Verfahren wegen eines großen Finanzskandals begonnen. Nach achtstündigen Beratungen beschloss das Gericht die Vertagung des Verfahrens auf den 5. Oktober. Damit gab es einer Forderung der Verteidigung nach.

Zehn Personen, darunter der einst prominente Kardinal Angelo Becciu, müssen sich vor Gericht verantworten. Es ist das erste Mal, dass ein Kardinal von der vatikanischen Strafverfolgung angeklagt wird. Die Angeklagten erschienen in der Früh in einem behelfsmäßigen Gerichtssaal, der für das Verfahren in den vatikanischen Museen eingerichtet wurde.

Kardinal Angelo Becciu, der bis zu seiner Entlassung im vergangenen September als Äquivalent eines Stabschefs für Papst Franziskus diente, werden Veruntreuung, Amtsmissbrauch und weitere Delikte vorgeworfen. Vor Gericht beteuerte er seine Unschuld und sein Vertrauen in die Justiz. „Der Kardinal ist überzeugt, seine Unschuld beweisen zu können“, betonte Beccius Anwalt Fabio Viglione nach der Gerichtsverhandlung am Dienstag.

Veruntreuung, Korruption, Erpressung und mehr

Am Prozess beteiligte sich das vatikanische Staatssekretariat als Nebenkläger und wird von der prominenten Anwältin und ehemaligen italienischen Justizministerin Paola Severino vertreten. Das dreiköpfige Richterkollegium steht unter der Leitung von Gerichtspräsident Giuseppe Pignatone, der zu den angesehensten italienischen Staatsanwälten zählt. Er war 2019 von Papst Franziskus zum Präsidenten des vatikanischen Gerichts ernannt worden.

Drei Richter beim Beginn eines Finanz-Skandal-Prozesses im Vatikan
APA/AFP/Simone Risoluti
Der am Dienstag begonnene Prozess im Finanzskandal im Vatikan wurde auf Oktober vertagt

Hintergrund des Prozesses ist ein missglückter Immobiliendeal im Londoner Stadtteil Chelsea, der in den Jahren 2018 und 2019 über die Bühne ging und für große Schlagzeilen sorgte. Das Geschäft hatte dem Vatikan als Staat damals hohe Verluste beschert. Auch aus dem Peterspfennig, der einmal jährlich weltweit gesammelten Kollekte für den Vatikan, soll für das Geschäft Geld entnommen worden sein. Die Anklagen lauten unter anderem auf Veruntreuung, Korruption, Erpressung, Geldwäsche, Betrug, Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung.

Ermittlungen mehrerer Behörden

Mehrere Behörden Italiens und des Vatikans haben seit Juli 2019 in der Sache ermittelt. Dabei erstreckten sich die Untersuchungen international bis in die Vereinigten Arabischen Emirate, Großbritannien, die Kanalinsel Jersey, Luxemburg, Slowenien und die Schweiz. Das Vorgehen folgte den Reformen zur Transparenz in den vatikanischen Finanzen, die von Papst Franziskus seit Beginn seines Pontifikats 2013 begonnen wurden.

Zu den weiteren Angeklagten zählt der ehemalige Leiter der vatikanischen Finanzinformationsbehörde (AIF), der Schweizer René Brülhart. Ihm und dem Investmentfondsmanager Enrico Crasso wird ebenfalls Machtmissbrauch vorgeworfen. Auch der ehemalige AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza muss sich dem Gericht im Vatikan stellen.

Geld zweckentfremdet

Einzige angeklagte Frau ist Cecilia Marogna, Vertraute von Kardinal Becciu. 2015 erhielt sie von Becciu Hunderttausende Euro – angeblich für Wohltätigkeitszwecke. Allerdings gab Marogna einen Großteil des Geldes für private Luxusgüter aus.

Vorgeladen ist auch Investmentbanker Gianluigi Torzi, gegen den die italienischen Behörden bereits im April einen Haftbefehl erlassen hatten. Die Justiz wirft ihm Geldwäsche und das Ausstellen von Rechnungen für fiktive Finanzgeschäfte vor. Bei dem Immobiliendeal in London soll der Italiener einen illegalen Gewinn von 15 Millionen Euro gemacht haben. Ein Teil davon soll in den Kauf von Aktien geflossen sein.