Wald
APA/Barbara Gindl
APA/Barbara Gindl
Studie

Umweltschutz für viele Religionen „Luxusthema“

Christliche Kirchen und andere Religionsgemeinschaften betonen oft, wie wichtig die Umwelt ist. In einer Studie wurde nun untersucht, wie „grün“ Religionsgemeinschaften in der Schweiz und Deutschland sind. Sie zeigt auf: Religionsgemeinschaften haben beim Umweltschutz Nachholbedarf, für manche ist er ein „Luxusthema“.

Es ist, wie so oft, auch eine Frage der Ressourcen. Sie seien für den Umweltschutz von „fundamentaler Bedeutung“. Das besagt die Studie „Urban Green Religions“, die zwischen 2018 und 2021 am Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik der Universität Basel durchgeführt wurde. Religionsgemeinschaften, die über eine „vergleichsweise hohe Ressourcenausstattung“ verfügen, haben es jedenfalls leichter beim ökologischen Wandel.

„Finanziell und personell mit einem größeren Polster ausgestattet, können sie sich langfristigeren Themen viel einfacher widmen als Gruppierungen, die keinerlei staatliche Förderung erhalten und von den Beiträgen der oftmals weniger vermögenden Mitglieder abhängig sind“, heißt es in der Studie, bei der mit Religionsvertretern und Religionsvertreterinnen in Deutschland und der Schweiz Interviews geführt wurden. Das trifft auf die „traditionell ansässigen Religionsgemeinschaften“ zu. In Deutschland sind dies die katholische Kirche und die in der EKD (Evangelischen Kirche Deutschland) organisierten Kirchen und in der Schweiz die katholische und die reformierte Kirche.

Nachhaltigkeit für viele „Luxusthema“

Nachhaltigkeit rufe „bei vielen nicht-traditionell ansässigen Gemeinschaften durchaus Interesse hervor“. Doch sie könne nur aktiv bearbeitet werden, „wenn nach der Sicherung der grundständigen Gemeindeaktivitäten“, etwa der Zahlung von Gebäudemiete, „noch Kapazitäten frei sind“.

Daher würden evangelisch-freikirchliche Gemeinschaften, muslimische, buddhistische und hinduistische Gemeinschaften sowie Jehovas Zeugen den Bereich des nachhaltigen Wandels „mehr oder weniger explizit als ein Luxus- oder Randthema“ betrachten.

Mülltrennung bis Gebäudeoptimierung

In Deutschland und der Schweiz würden besonders die Landeskirchen Geld und Personal in Umweltkampagnen investieren, erklärte der Soziologe, Theologe und Leiter der Studie, Jens Köhrsen dem Schweizer Rundfunk (SRF). „Das Thema ist öffentlich sichtbar geworden. Nun schauen die Kirchen, dass auch sie dieses Thema besetzen.“

In den Kirchen wurden verschiedene Projekte durchgeführt, um ökologische Nachhaltigkeit zu fördern. Sie reichen „von der Einführung eines Mülltrennungssystems, dem Einkauf und Konsum nachhaltiger Lebensmittel, dem Einsatz zum Erhalt der Biodiversität“ bis hin zu baulichen Maßnahmen im Bereich Heizung oder Isolierung, „um die Gebäude nachhaltiger zu gestalten“. In der Schweiz bietet etwa der ökumenische Verein „Oeku – Kirchen für die Umwelt“ Lehrgänge in Umweltmanagement an und zeichnet mit dem Label „Grüner Güggel“ energetisch sanierte Kirchengebäude aus.

Mangelnde Umsetzung in Kirchengemeinden

Lokale religiöse Gemeinschaften engagieren sich allerdings durchschnittlich weniger stark für die Umwelt als deren regionale oder nationale Dachverbände. Es würde im Umweltschutz zwar einiges weitergehen, so Köhrsen, doch Schwierigkeiten gibt es bei der lokalen Umsetzung in den Kirchengemeinden.

Auch da ginge es oftmals um mangelnde Ressourcen. Kleine Gemeinden müssten zuerst die religiöse Grundversorgung ihrer Mitglieder sicherstellen und soziale Aufgaben wahrnehmen.

Religionen als Promotoren für Klimaschutz

Alle Interviewpartnerinnen und Interviewpartner wiesen darauf hin, dass die natürliche Umwelt ein wichtiger Bereich in ihrer Religion sei, und es entsprechende Glaubensvorstellungen gebe. „Der theologische Gehalt nachhaltigen Handelns im Sinne der Wertevermittlung“ stelle zudem einen „Bezugshorizont“ für das Engagement einiger Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner dar, heißt es in der Studie. Zwar hoben einige hervor, dass sie diese Werte auch aktiv an Glaubende vermitteln, etwa in religiösen Schulungen oder im Rahmen religiöser Feiern, doch grundsätzlich finden die Werte „nur bedingt Einzug“ in die theologische Vermittlungspraxis vor Ort.

Dabei orten die Studienautorinnen und Studienautoren genau in diesem Punkt Chancen für den Ausbau des ökologischen Engagements. „Der Bereich der Wertevermittlung bietet ein besonderes Potential, ohne finanzielle Ressourcen zu beanspruchen. Er kann Menschen ansprechen, die bislang noch nicht so sehr für ökologische Belange sensibilisiert sind und ergänzt allgemein das breite Band der verschiedenen Ansätze religiösen Umweltengagements.“ Religionen könnten also ihren Einflussbereich stärker für den Klimaschutz nutzen. So bezeichnen sich immerhin 80 Prozent der Weltbevölkerung als religiös.

Interviews mit Religionsvertretern

Potenzial sieht die Studie auch bei der Kooperation zwischen unterschiedlichen Konfessionen und Religionen, aber auch mit nichtreligiösen Partnern. Diese sollten öfter angestoßen werden. „Die Bereitschaft zur Teilnahme besteht beidseitig“, es fehle meist nur „der erste Schritt“. In der Studie wurden auch Interviews mit Personen geführt, die sich im Umweltbereich engagieren.

Die Studie basiert auf 67 Interviews in Deutschland und der Schweiz, 43 davon mit Vertreterinnen und Vertretern von katholischen, reformierten, evangelisch-lutherischen, evangelisch-freikirchlichen sowie altkatholischen Gemeinschaften und Jehovas Zeugen, sowie mit muslimischen, jüdischen, buddhistischen und hinduistischen Gemeinschaften.