Kardinal Theodore McCarrick 2014, Messe in Newark, USA
Reuters/Gregory A. Shemitz
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Sexueller Missbrauch

Ex-Kardinal McCarrick angeklagt

Der frühere US-Kardinal Theodore McCarrick wird wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs angeklagt. Der ehemalige Erzbischof von Washington muss sich vor dem Bezirksgericht in Dedham strafrechtlich verantworten, wie die Zeitung „Boston Globe“ am Donnerstag berichtete.

Damit ist McCarrick der ranghöchste Vertreter der katholischen Kirche in den USA, gegen den ein Strafverfahren läuft. In den drei Anklagepunkte geht es um sexuelle Übergriffe auf einen zum Zeitpunkt der Tat 16-jährigen am Rande einer Hochzeit im Wellesley College im US-Bundesstaat Massachusetts im Jahr 1974. Der Anwalt des mutmaßlichen Betroffenen, Mitchell Garabedian, wollte sich nicht zu Einzelheiten des Falls äußern. Sein Mandant kooperiere mit der Staatsanwaltschaft, „um anderen Opfern Mut und die Welt für Kinder sicherer zu machen“.

Ein strafrechtliches Vorgehen gegen den 91-Jährigen galt lange als unwahrscheinlich, weil Massachusetts eine Verjährungsfrist hat. Laut „Boston Globe“ trifft diese auf McCarrick nicht zu, weil er zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat in der Pfarre der St. Patricks Kathedrale in New York City lebte.

2019 aus Priesteramt entlassen

Der ehemalige Erzbischof von Washington war 2019 von Papst Franziskus aus dem Priesteramt ausgeschlossen worden. Zuvor hatte ein Vatikan-Gericht McCarrick für schuldig befunden, vor 50 Jahren einen Jugendlichen sexuell missbraucht zu haben. Bekannt ist auch, dass McCarrick Sex mit erwachsenen Theologiestudenten hatte.

Kardinal Theodore McCarrick
Reuters/Alessandro Bianchi
Der frühere US-Kardinal Theodore McCarrick, 2019 wurde er aus dem Priesteramt entlassen

Bereits mehrere Zivilprozesse

Der Ex-Kardinal lebt heute in Missouri. „Wir schauen uns das an und werden vor Gericht dazu Stellung nehmen“, erklärte McCarricks Anwalt Barry Coburn. McCarrick muss sich am 3. September der Anklage stellen. Bisher konnte sich der einstmals einflussreiche Kirchenmann strafrechtlicher Verfolgung entziehen. Mehrere Opfer hatten in New York und New Jersey zivile Prozesse angestrebt.

Der Ex-Kardinal bestreitet, Minderjährige missbraucht zu haben. Er war bereits mit mehreren Zivilprozessen konfrontiert, das ist das erste Strafverfahren gegen ihn. „Das ist der erste Kardinal in den Vereinigten Staaten, der wegen eines Sexualdelikts an einem Minderjährigen strafrechtlich belangt wird“, erklärte der Anwalt Marabedian.

Vatikan-Bericht über McCarrick

Im Vorjahr legte der Vatikan einen Untersuchungsbericht zum entlassenen US-Kardinal vor. Darin ging es um die Frage, wie McCarrick trotz seit den 1990er Jahren umlaufenden Gerüchten von moralischem Fehlverhalten Karriere machen konnte. Grund dafür waren demnach Versäumnisse und Unterbewertungen unterschiedlicher Stellen.

Es „seien Entscheidungen getroffen worden, die sich später als falsch herausstellten“, auch, weil nicht immer alle Befragten alles sagten, was sie wussten, hieß es in einem begleitenden Kommentar von „Vatican News“-Chefredakteur Andrea Tornielli. Einige der jüngsten vatikanischen Maßnahmen gegen Missbrauch und Vertuschung seien auch dem Fall McCarrick geschuldet, erklärte der Vatikan.

Keine Beweise, aber Gerüchte

Eine entscheidende Etappe war dem Bericht zufolge die geplante Ernennung McCarricks zum Erzbischof von Washington und damit zum Kardinal. Eine schriftliche Befragung, die Papst Johannes Paul II. (1978-2005) damals anordnete, erbrachte dem Bericht zufolge zwar keine konkreten Beweise. Dennoch rieten wegen allgemeiner Gerüchte der damalige Nuntius in Washington, Gabriel Montalvo, und der Leiter der Bischofskongregation, Giovanni Battista Re, davon ab, McCarrick in die US-Hauptstadt zu versetzen.

In einem persönlichen Brief an den päpstlichen Privatsekretär Stanislaus Dziwisz im August 2000 beteuerte McCarrick, „niemals sexuelle Beziehungen mit einer Person – Mann oder Frau, jung oder alt, Kleriker oder Laie“ gehabt zu haben. Johannes Paul II., der den Brief an Dziwisz las, habe McCarrick geglaubt. Dies, so der Bericht, sei auch dem Umstand geschuldet, dass der Papst aus seiner Zeit in Polen viele Fälle von Verleumdungen gegen Kleriker gekannt habe.

2017 konkrete Anschuldigungen

Nachdem im Herbst 2005 erneut Anschuldigungen gegen McCarrick wegen sexueller Belästigungen und Ausbeutung von Erwachsenen auftauchten, habe Papst Benedikt XVI. (2005-2013) den Rücktritt des gerade 75-Jährigen angenommen. Dieser geschah 2006. Weil keine Anschuldigung wegen Missbrauchs Minderjähriger vorlag – die gab es erst 2017 -, eröffnete die Römische Kurie kein formelles Verfahren. Man beließ es bei einer mündlichen, später schriftlichen Ermahnung, McCarrick solle ein zurückgezogenes Leben führen. Der Kardinal reiste trotzdem weiter durch die Weltkirche, was Rom duldete.

Erst als im Sommer 2017 die erste konkrete Beschuldigung wegen Missbrauchs eines Minderjährigen in den 1970er Jahren in New York auftauchte, leitete der Vatikan ein Verfahren ein. An dessen Ende standen die Entlassung McCarricks aus dem Kardinalsstand im Juli 2018. Ein halbes Jahr später entließ Papst Franziskus den Ex-Kardinal auch später aus dem Klerikerstand.