Afghanistan

IGGÖ: Islamverständnis der Taliban „pervertiert“

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat sich für die Aufnahme von „besonders vulnerablen Personen“ aus Afghanistan ausgesprochen. Die erneute Machtübernahme der Taliban bedeute für die Bevölkerung die Rückkehr in eine Gewaltherrschaft. Das Islamverständnis der Taliban sei „pervertiert“.

In Afghanistan sei nun mit der „massiven Einschränkung der Selbstbestimmung afghanischer Mädchen und Frauen, der Diskriminierung und Verfolgung religiöser und ethnischer Minderheiten und kritischer Stimmen sowie brutaler Körperstrafen und Hinrichtungen zu rechnen“, warnt die IGGÖ in einer Aussendung am Mittwoch.

Während die internationale Staatengemeinschaft zur Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, wie Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstlern sowie Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten aufruft, lehne die österreichische Bundesregierung „aus innenpolitischem Kalkül“ eine solche strikt ab und fordere zudem „die Errichtung von Abschiebezentren in der Region“, kritisiert die Glaubensgemeinschaft.

Aussagen der Regierung „deplatziert“

IGGÖ-Präsident Ümit Vural bezeichnete die Aussagen der Regierungsspitzen angesichts der tragischen Bilder und Berichte, „die uns aus Afghanistan erreichen“ als „unangebracht und deplatziert“. Österreich sei „rechtlich zur Einhaltung sowohl der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet.“

Angesicht der dramatischen Lage in Afghanistan müsse sich die Bundesregierung an einer europaweiten humanitären Aufnahme von besonders vulnerablen Personen solidarisch beteiligen und damit ein Zeichen der Menschlichkeit und des Mitgefühls setzen, so Vural.

Österreich werde keine Flüchtlinge aufnehmen, betonten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) immer wieder. Auch NGOs und kirchliche Organisationen wie Caritas und Diakonie forderten die Regierung zum Helfen auf.

Familienzusammenführung ermöglichen

Die IGGÖ sprach sich auch dafür aus, dass die Rechte von bereits in Österreich lebenden Afghaninnen und Afghanen gewahrt werden, ausständige Asylentscheidungen sollten beschleunigt und eine rasche Zusammenführung mit ihren nun gefährdeten Familienangehörigen ermöglicht werden.

Bereits vergangene Woche hatte die IGGÖ davor gewarnt, dass den medialen Ankündigungen der Taliban, was den Schutz der Zivilbevölkerung und der Wahrung ihrer Rechte angeht, mit großer Skepsis zu begegnen sei.

Hinrichtungen von Zivilisten

Zuletzt mehrten sich Berichte von schweren Menschenrechtsverletzungen gegenüber Zivilistinnen und Zivilisten, die in den vergangenen Jahren für internationale Organisationen und ausländische Staaten tätig waren.

Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sprach am Dienstag in Genf von Hinrichtungen von Zivilisten und Angehörigen regierungstreuer Sicherheitskräfte. Die USA wollen weiter an ihrem Plan festhalten, ihre Truppen bis zum 31. August aus Afghanistan abzuziehen. Die Evakuierungsflüge werden voraussichtlich nur noch wenige Tage durchgeführt werden können.