Montenegro

Proteste gegen orthodoxes Kirchenoberhaupt

Heftige Proteste haben die Amtseinführung des neuen Oberhaupts der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro, Metropolit Joanikije, begleitet. Bei Demonstrationen gegen die Zeremonie in einem Kloster in der Stadt Cetinje im Süden des Landes kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Die Sicherheitskräfte trieben die Demonstranten am Sonntagmorgen mit Tränengas auseinander, es gab mehr als 20 Verletzte. Der designierte Metropolit Joanikije und der Patriarch Porfirije wurden unter Polizeischutz per Hubschrauber eingeflogen. Hintergrund der Proteste sind ethnische Spannungen mit Serben in dem kleinen Balkanstaat.

Schon am Vorabend der Amtseinführung hatten wütende Demonstranten Polizeiabsperrungen durchbrochen und Straßensperren am Stadtrand errichtet. Sie riefen Parolen wie „Dies ist nicht Serbien!“ und „Lang lebe Montenegro!“. Das serbisch-orthodoxe Christentum ist zwar die wichtigste Religion in Montenegro, viele Montenegriner sehen sie aber als von Belgrad beeinflusst.

Demonstrierende vor brennenden Barrikaden aus Autoreifen
APA/AP/Risto Bozovic
Die Amtseinführung von Metropolit Joanikije führte zu heftigen Protesten

Viele Demonstranten hatten die Nacht auf der Straße verbracht und sich an Feuern warmgehalten, berichtete eine AFP-Korrespondentin. Einige waren bewaffnet und schossen in die Luft, andere zündeten Reifen als Barrikaden an. Sie wollten die Kirchenvertreter daran hindern, zu dem Kloster zu gelangen, das vielen Montenegrinern wegen seiner Geschichte als Nationalsymbol für die Souveränität ihres Staates gilt.

Kirchenvertreter mit Hubschrauber eingeflogen

Das Kloster wurde angesichts der Proteste von einem starken Polizeiaufgebot abgeschirmt. Acht Menschen wurden festgenommen, wie die Polizei bekanntgab. Die Polizei sprach von rund 20 verletzten Polizisten, Medienberichten zufolge wurden auch mehrere Demonstranten verletzt.

Die Kirchenvertreter eilten nach der Landung ihres Hubschraubers zu einer kurzen Zeremonie in das Kloster, woraufhin sich die meisten Protestierenden von den Barrikaden zurückzogen. Metropolit Joanikije sagte bei der Zeremonie, dass er der „brüderlichen Aussöhnung dienen“ wolle. Er fügte hinzu, die „Spaltung“ sei „provoziert“ worden.

Amtseinführung von Metropolit Joanike
APA/AP/Risto Bozovic
Metropolit Joanikije wurde unter heftigen Protesten in sein Amt als neues Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro eingeführt

Die massive Ablehnung der Zeremonie durch die örtliche Bevölkerung gründete sich darauf, dass die historische Hauptstadt Cetinje als Wiege der montenegrinischen Unabhängigkeitsidee gilt. Die serbisch-orthodoxe Kirche mit Sitz in Belgrad erkennt wiederum nicht die staatliche Identität Montenegros an.

Komplexer Konflikt

Hintergrund der jüngsten gewalttätigen Ereignisse ist, dass es im seit 2006 unabhängigen Montenegro zwei orthodoxe Kirchen gibt: die Serbisch-orthodoxe Kirche und zum anderen die kleine Montenegrinisch-orthodoxe Kirche, die sich selbst als unabhängig ansieht, von der Weltorthodoxie aber nicht anerkannt ist. Der historische Hintergrund des Konflikts ist komplex, die überwiegende Mehrheit der Gläubigen und Geistlichen in Montenegro hält jedenfalls der Serbisch-orthodoxen Kirche die Treue, die die Schaffung einer eigenständigen montenegrinisch-orthodoxen Kirche vehement ablehnt.

Von der politischen Führung in Podgorica um Staatspräsident Milo Djukanovic war in den vergangenen Jahren die kleine unabhängige Kirche favorisiert worden. Vor allem auch, um die politische Unabhängigkeit von Belgrad zu festigen. Im Zuge dessen war auch die serbisch-orthodoxe Kirche politisch unter Druck gekommen. Ihr wird vorgeworfen, der verlängerte Arm Serbiens zu sein und die Unabhängigkeit Montenegros zu untergraben.

Vorwurf: Unruhen inszeniert

Seit den Parlamentswahlen vom Sommer 2020, bei denen Djukanovic mit seiner Partei DPS knapp unterlag, ist ein neues, eher pro-serbisches Regierungsbündnis unter Ministerpräsident Zdravko Krivokapic an der Macht. Auf Anordnung von Krivokapic nahm die Polizei laut APA am Sonntag einen Berater von Djukanovic fest. Veselin Veljovic, der unter der DPS-Regierung Landespolizeichef war, wird beschuldigt, die Unruhen inszeniert zu haben.

Djukanovic, der das Land 2006 über ein Referendum in die Unabhängigkeit geführt hatte, hielt sich nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt der Unruhen in Cetinje auf. „Heute haben wir eine in der Geschichte unseres Landes beispiellose Schande seitens der serbisch-orthodoxen Kirche und der Regierung erlebt“, sagte er in einem YouTube-Video. Die Amtseinführung des neuen Metropoliten sei durch „völlig unangemessene Gewaltanwendung gegen friedlich versammelte Bürger“ erzwungen worden.