Caritas-PK zum Thema Pflegereform, 8.9.2021
Caritas/Johannes Hloch
Caritas/Johannes Hloch
Pflege

Caritas-PK zu Pflege: „Fordern Taten“

Bei einer Pressekonferenz im Caritas-Pflegewohnhaus Schönbrunn in Wien haben am Mittwoch Caritas-Präsident Michael Landau, Generalsekretärin Anna Parr und Caritas-Direktor Klaus Schwertner erneut die Umsetzung der Pflegereform gefordert.

Mit dabei hatten die Caritas-Vertreter einen großen Stapel Papier mit Ausschnitten aus Presseaussendungen, Regierungsprogrammen und Strategieberichten zum Thema Pflege von diversen Bundesregierungen, Parteizentralen und Verantwortlichen in den Ländern. Dieser stelle symbolisch die Ankündigungen und Versprechungen über die Umsetzung einer Pflegereform in den letzten 15 Jahren dar, so eine Presseaussendung vom Mittwoch.

„Nach Jahren der Ankündigungen, nach eineinhalb Jahren Pandemie und im Angesicht des sich zuspitzenden Pflegenotstands sagen wir heute: Papier ist geduldig“, wurde Caritas-Präsident Landau zitiert. „Aber die Pflege ist es nicht. Der Pflegenotstand ist längst Realität – im Alltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Betreiber von Einrichtungen und nicht zuletzt im Alltag der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen.“

Pflegenotstand „längst Realität“

Im Berufsalltag der Pflegefachkräfte sei der „Pflegenotstand längst Realität“. Barbara Poier, die Direktorin der Pflegeschulen der Caritas Steiermark berichtete von fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten sowie bestehenden Hürden, sich für den Weg in den Pflegeberuf zu entscheiden. Barbara Riegler, eine Pflegefachkraft aus Niederösterreich, erzählte außerdem vom Zusatzaufwand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Pandemie und den auch schon davor bestehenden „enormen Belastungen im Arbeitsalltag“.

Der Personalengpass wirke sich letztlich nicht nur auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege aus, sondern auch auf die pflegenden Angehörigen und die pflegebedürftigen Menschen selbst, sagte Generalsekretärin Parr: „Mehrere hundert offene Stellen in den Pflege-Einrichtungen der Caritas können aktuell nicht besetzt werden.“ In Niederösterreich hätten in der mobilen Pflege deshalb 2020 an die tausend neue Klientinnen und Klienten abgewiesen werden – die jedoch dringend Pflege und Betreuung bräuchten.

Betten nicht vergeben

In Kärnten sei es in einer stationären Einrichtung bereits zum Aufnahmestopp von Bewohnerinnen und Bewohnern gekommen, so Parr. „Die Betten wären da, können aber nicht vergeben werden, weil das Personal dafür fehlt und Abstriche in der Qualität keine Option sind." Der geschäftsführende Caritas-Direktor Schwertner fügte hinzu: „Dass es bis 2030 zusätzlich 100.000 Pflegekräfte braucht, ist bekannt. Und aus unseren Pflegewohnhäusern können wir ergänzen: Rund ein Fünftel der heute aktiven Pflege- und Betreuungskräfte gehen spätestens in zehn Jahren in Pension. Außerdem ist davon auszugehen, dass der derzeit wichtigste Pflegedienst Österreichs – die pflegenden Angehörigen – in den nächsten Jahren rückgängig sein wird.“

Allein ein Rückgang von zehn Prozent bei den pflegenden Angehörigen bedeute, dass nach Schätzungen zusätzliche 20.000 Pflege- und Betreuungskräfte gebraucht würden, so Schwertner.

Personaloffensive wichtigster Hebel

„Uns läuft die Zeit davon“, warnten Landau, Parr und Schwertner und appellierten für die sofortige Umsetzung der angekündigten Personaloffensive. Parr: „Es braucht ein umfassendes Bündel an Maßnahmen, und zwar jetzt.“ Zum einen müsse der Einstieg in den Pflegeberuf durch unterschiedlichste Ausbildungswege möglich sein – für junge Menschen, berufsbegleitend und auch für potenzielle Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger.

„Und zum anderen müssen Ausbildungskosten abgeschafft werden.“ Was für angehende Polizistinnen und Polizisten längst Normalität ist, müsse auch für die Pflegekräfte von morgen möglich sein, forderte Parr: „Ein Ende von Schulgeld und Studiengebühren und stattdessen finanzielle Unterstützung bei der Deckung der Lebenserhaltungskosten.“ Außerdem wäre es auch wichtig, den Berufseinstieg für ausländisches Personal zu erleichtern, sagte die Caritas-Generalsekretärin.

Pflegeberuf attraktiver machen

Schwertner ergänzte, dass es auch darum gehen müsse, attraktivere Rahmenbedingungen sicherzustellen: „Für Pflegekräfte darf nicht länger das Motto gelten: Applaus ja, Reform nein. Es muss sehr viel attraktiver werden, sich für den Pflegeberuf zu entscheiden. Dazu gehören auch höhere Gehälter, die mittels öffentlicher Zuschläge aber eben auch nur von der öffentlichen Hand und im Zuge einer politischen Diskussion durchzusetzen sind.“

Aber auch verbindliche Dienstpläne, längere Freizeiten und, dass sich Pflegekräfte wirklich um die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen annehmen können, seien essenziell. „Diese Zeiten müssen in der Personalberechnung – in den Personalschlüsseln – berücksichtigt werden und österreichweit verbindlich für alle gelten.“

Pflegegipfel notwendig

Caritas-Präsident Landau: „Unser Pflegesystem wird bald selbst zum Pflegenotfall werden, wenn uns die Reform nicht rasch gelingt. Und gerade bei diesem Punkt ist klar, dass die Verantwortung zur politischen Umsetzung nicht alleine beim Gesundheits- und Sozialminister liegt.“ Es brauche die gemeinsame Anstrengung des Gesundheits-, des Arbeits-, des Bildungs- und natürlich auch des Finanzministeriums.

„Gleichzeitig müssen neben der Bundesregierung auch die Länder ihre Verantwortung wahrnehmen“, so Landau. Und auch die Einbindung der wichtigsten Stakeholder sei notwendig. In diesem Zusammenhang erinnerte Landau an das breit getragene Anliegen von u. a. Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotem Kreuz, und Volkshilfe: „Ein Pflegegipfel, bei dem gemeinsam Priorisierungen vorgenommen, Arbeitsaufträge und ein Stufenplan zur Umsetzung vereinbart werden – das wäre ein Weg. Als Caritas sind wir jedenfalls bereit, einen Beitrag zu leisten.“

Caritas startet Pflege-Kampagne

Einen Beitrag zur Attraktivierung des Pflegeberufs will die Caritas auch mit ihrer neuen Kampagne leisten. Im Rahmen dieser macht sie in den nächsten Wochen und Monaten auf die vielfältigen Job-Möglichkeiten in der Pflege aufmerksam. Interessierte können sich beispielsweise an Info-Tagen auf Social Media sowie in Job Zoom Calls über die unterschiedlichen Berufsangebote in der Pflege informieren.