Studie

Österreichs Jugendliche eher „gläubig“ als „religiös“

Wie religiös schätzen sich Österreichs Jugendliche ein? Welche Bedeutung haben Religion und Glaube in ihrem Leben? Wie denken sie über Fragen von Religion und Glaube? Diese und andere Fragen beantworteten 14.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 16 in ganz Österreich im Rahmen einer Studie.

Befragt wurden junge Leute mit christlichem bzw. islamischem Hintergrund. Die Bildungswissenschaftlerin Helga Kohler-Spiegel von der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg bereitete die Ergebnisse in einem Beitrag im theologischen Onlinefeuilleton feinschwarz am Montag auf. Sie gehört zur Herausgebergruppe der Studie der österreichischen Pädagogischen Hochschulen im Zeitraum von März bis Juni 2020 mit Namen „Lebenswelten 2020 – Werthaltungen junger Menschen in Österreich“, die im Frühjahr veröffentlicht wurde.

Interessant sei, dass junge Menschen sich selbst eher als „gläubig“ denn als „religiös“ bezeichnen, weil „religiös“ für sie einen „frommeren“ Klang habe als „gläubig“, so Kohler-Spiegel. Aufschlussreich sei zugleich die formale Zugehörigkeit zu Kirchen und Glaubensgemeinschaften: Demnach werde die Aussage „Ich denke sehr oft über den Sinn des Lebens nach“ von den befragten Jugendlichen mit christlicher Religionszugehörigkeit mit 37 Prozent am höchsten von allen Aussagen zugestimmt.

Alltag, religiöse Rituale, Gebet

Die Zuordnung zur Aussage „Ich glaube stark daran, dass es Gott oder etwas Göttliches gibt“ erfolge von 30 Prozent der Jugendlichen mit christlicher Religionszugehörigkeit. Deutlich weniger, nämlich 20 Prozent der Jugendlichen mit christlicher Religionszugehörigkeit, benennen, dass sie oft spüren, dass Gott oder etwas Göttliches ihnen in ihrem Leben nahe ist.

Jugendliche überqueren eine Straße
ORF.at/Carina Kainz
14.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 16 wurden befragt

18 Prozent dieser Gruppe sagen von sich „Ich bin ein gläubiger Mensch“ und 14 Prozent „Ich bin ein religiöser Mensch“. Zehn Prozent der Jugendlichen benennen Religion als wichtig für ihren Alltag und üben religiöse Rituale aus – wie das persönliche Gebet, Meditation oder Lesen in Heiligen Schriften.

Kaum Geschlechterunterschiede

Mädchen und Buben mit christlicher Religionszugehörigkeit unterscheiden sich bei den Aussagen zur Religiosität großteils nicht. Nur bei der Aussage „Ich denke sehr oft über den Sinn des Lebens nach“ stimmen 43 Prozent der Mädchen und 30 Prozent der Buben zu. Auch bezüglich der Schulart, die die jungen Menschen besuchen, dem Bildungshintergrund und dem sozioökonomischen Hintergrund der Eltern gibt es laut Kohler-Spiegel keine nennenswerten Unterschiede bei Jugendlichen mit christlicher Religionszugehörigkeit.

Frage nach Glaubensüberzeugung

Die Frage nach der Glaubensüberzeugung der Existenz Gottes „Ich glaube stark daran, dass es Gott oder etwas Göttliches gibt“ findet bei Jugendlichen mit Zugehörigkeit zum Islam mit 84 Prozent sehr hohe Zustimmung. Die Ablehnung ist mit vier Prozent dementsprechend sehr gering.

Auch die Aussage „Ich spüre, dass Gott oder etwas Göttliches mir in meinem Leben nahe ist“ findet mit 74 Prozent hohe Zustimmung. Während islamische Jugendliche der Aussage „Ich bin ein gläubiger Mensch“ zu 64 Prozent zustimmen, bejahen nur 44 Prozent die Aussage „Ich bin ein religiöser Mensch“; die Zahl derer, die dazu eine neutrale Haltung einnehmen, ist mit 47 Prozent vergleichsweise hoch.

Islamische Jugendliche religiöser

Mittels weiterführender Analysen lasse sich zeigen, dass sich hinter den Aussagen zur Religiosität fünf Faktoren abbilden lassen, die unterschiedliche Religiositätstendenzen aufweisen, so die Bildungswissenschaftlerin weiter. Fünf Gruppen könnten demnach unterschieden werden: die Gruppe der „Religiösen“, der „eher Religiösen“, der „religiös Neutralen“, der „eher nicht Religiösen“ und der „nicht Religiösen“.

Die Jugendlichen, welche der Gruppe der „Religiösen“ zuzuordnen sind, gehören vorrangig der islamischen Religion an. Innerhalb der Jugendlichen mit christlicher Zugehörigkeit sind die Jugendlichen, die zu den orthodoxen Kirchen gehören, am häufigsten unter den Religiösen zu finden. In dieser Gruppe finden sich die höchsten Zustimmungswerte zu allen Aussagen der Religiosität.

Nicht-Religiöse: Nachdenken über Sinn

Die Gruppe der „nicht Religiösen“ ist vorrangig der Gruppe ohne Religionszugehörigkeit zuzuordnen, ein Viertel jedoch auch der christlichen Religion. Die Ablehnung der Aussagen zur Bedeutung von Religion im eigenen Alltag sowie die Zustimmung zum Nicht-religiös-Sein ist eindrücklich. Einzig geringe Zustimmung ist beim Nachdenken über den Sinn des Lebens gegeben.

Zusammenfassend lasse sich feststellen, „dass die Relevanz von Glauben und Religion für das eigene Leben und Handeln erfahrbar zu machen, wohl nicht nur im Blick auf junge Menschen eine Herausforderung ist, sondern auch für die christlichen Kirchen“, so Kohler-Spiegel abschließend.