„Lehre der Verachtung“

Vatikan weist Kritik von Rabbiner an Papst zurück

Der Vatikan hat Kritik an Aussagen einer Papstansprache über die Thora in einem Brief an den Rabbiner Rasson Arussi zurückgewiesen. Der Papst habe die Thora in keiner Weise abgewertet und kehre nicht, wie kritisiert, „zu einer sogenannten Lehre der Verachtung“ zurück. Arussi hatte Kritik an den Worten des Papstes geübt.

Franziskus habe in der Katechese vom 11. August über einen Brief des Apostels Paulus ausdrücklich erwähnt, dass Paulus das jüdische Gesetz beachtet und geschätzt habe, schrieb Kurienkardinal Kurt Koch in einem Brief an Arussi, den Leiter der Kommission des israelischen Großrabbinats für den Dialog mit dem Heiligen Stuhl. Der Papst hat in seiner Ansprache den Satz gesagt: „Das Gesetz (die Thora) aber gibt kein Leben.“

Damit habe der Papst erklärt, die jüdische Lehre sei veraltet, er habe den christlichen Glauben als Ersatz für die Thora dargestellt und behauptet, jüdische Religionsausübung sei „in der heutigen Zeit obsolet“, so die Kritik von Rabbiner Arussi.

Satz „im Kontext“ lesen

Den Brief vom 3. September veröffentlichte der Päpstliche Einheitsrat, der auch für den Dialog mit dem Judentum zuständig ist, am Freitag auf seiner Website. Der besonders kritisierte Satz „Das Gesetz gibt kein Leben“ müsse im Kontext der Ansprache und der Theologie des Paulus gelesen werden, so Koch.

Nach christlichem Glauben, so der Kardinal, „ist Jesus Christus der neue Weg der Erlösung“. Dies bedeute aber keinesfalls, „dass die Thora herabgemindert wird oder nicht mehr als ‚Weg der Erlösung für Juden‘ anerkannt wird“.

Papst Franziskus
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Papst Franziskus sagte, die Thora würde kein Leben geben, Rabbiner reagierten mit Kritik

Keinesfalls „Lehre der Verachtung“

Auch habe der Papst in der kritisierten Ansprache in keiner Weise das heutige Judentum erwähnt, so Koch weiter. Die Katechese sei allein eine Reflexion zu paulinischer Theologie im Kontext der damaligen Zeit gewesen. Angesichts der wiederholten und beständigen Wertschätzung des Papstes für das Judentum, „kann keinesfalls vermutet werden, er kehre zu einer sogenannten ‚Lehre der Verachtung‘ zurück“, schrieb Koch mit Bezug auf einen solchen Vorwurf in Arussis Brief vom 12. August.

Kochs Antwortbrief ging gleichlautend an Rabbiner David Sandmel, den Vorsitzenden des Internationalen Jüdischen Komitees für interreligiöse Beratungen (IJCIC) in New York. Sandmel hatte sich in einem Schreiben vom 24. August der Kritik Arussis angeschlossen. Der Vorwurf lautete, der Papst habe die Thora als nicht lebenspendend herabgesetzt. Vertreter des Oberrabbinats in Jerusalem hatten daher eine Klarstellung gefordert.