Blick auf die Elbphilharmonie in Hamburg
APA/AFP/Daniel Reinhardt
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Missbrauch

Amtsverzicht von Hamburger Erzbischof abgelehnt

Papst Franziskus hat den angebotenen Amtsverzicht des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße wegen Verfehlungen während seiner Zeit im Erzbistum Köln abgelehnt. Es wurde ihm die Vertuschung sexuellen Missbrauchs vorgeworfen.

Der Papst bitte Heße vielmehr, „im Geist der Versöhnung“ seinen Dienst in Hamburg fortzuführen, hieß es in einer am Mittwoch von der Deutschen Bischofskonferenz verbreiteten Erklärung der vatikanischen Botschaft in Berlin. Heße habe nicht mit Absicht sexuellen Missbrauch vertuscht.

Im März war in Köln ein seit langem erwartetes Gutachten vorgestellt worden. Darin wurde untersucht, wie Bistumsverantwortliche in der Vergangenheit mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester umgegangen sind. Heße, der früher Personalchef und Generalvikar im Erzbistum Köln war, wurden insgesamt elf Pflichtverletzungen vorgeworfen. Dabei handelte es sich nach Angaben der Gutachter unter anderem um Verstöße gegen die Melde- und Aufklärungspflicht.

Heße zurückhaltend

Heße hatte umgehend seinen Rücktritt angeboten. Papst Franziskus hatte ihm zunächst eine Auszeit gewährt. Das wurde dahingehend gedeutet, dass sich Papst Franziskus nicht gleich festlegen wollte. Nun hat er entschieden.

Nach der Ablehnung seines Amtsverzichts äußerte sich Heße am Mittwoch in einer ersten Reaktion zurückhaltend. Er übernehme „nach dem Willen des Papsts ausdrücklich wieder Verantwortung“, erklärte Heße in Hamburg. „Dabei ist mir durchaus bewusst, dass es nicht unbedingt leicht sein wird, meinen Dienst wieder aufzunehmen.“

Bischof begrüßt Entscheidung

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, begrüßte die Entscheidung des Papstes begrüßt. Damit ende „eine schwierige Zeit der Ungewissheit“, teilte Bätzing am Mittwoch in Bonn mit. „Das ist gut so, und dafür bin ich dankbar. Erzbischof Heße wird in Hamburg bleiben und damit auch weiterhin Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz sein.“ Er wünsche dem Erzbistum und seinem Erzbischof einen guten Neustart. „Bei allen, die nun möglicherweise irritiert sind, werbe ich um das Zutrauen, dass die Entscheidung des Papstes aufgrund von Beratung wohl überlegt und begründet ist“, so Bätzing.

„Wir sind Kirche“: Entscheidung „Amnestie für Heße“

Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ übt Kritik an der Entscheidung von Papst Franziskus. Das Vorgehen sei „höchst problematisch“, teilte „Wir sind Kirche“ am Mittwoch mit. „Die jetzige Entscheidung Roms stellt faktisch eine Amnestie für Erzbischof Stefan Heße dar, dem das Gutachten der Kanzlei Gercke elf rechtlich fassbare Pflichtverletzungen als früherer Kölner Generalvikar nachgewiesen hat.“ Es stelle sich die Frage, wofür Menschen in kirchlichen Leitungsdiensten dann überhaupt noch zur Verantwortung gezogen würden.

Harte Kritik von Theologen

„Für die Opfer sexualisierter Gewalt ist dies ein Schlag ins Gesicht, weil sie wieder den Eindruck gewinnen müssen, dass niemand für seine Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen wird“, sagte der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller der Deutschen Presse-Agentur.

Der Theologe Daniel Bogner bezeichnete die Entscheidung als „Zumutung“: „Das verhängnisvolle Signal ist, dass der Anlass für den Rücktritt als nicht so gravierend betrachtet wird“, sagte der Professor für Moraltheologie und Ethik an der schweizerischen Universität Freiburg. So werde verhindert, dass sich ein Amtsträger seiner Verantwortung stellen und dies durch einen öffentlich sichtbaren Schritt wie einen Rücktritt dokumentiere. „Das ist für eine Religionsgemeinschaft, in deren Botschaft der individuellen Person und ihrer Gewissensüberzeugung eine hohe Bedeutung zukommt, eine ganz schlechte Nachricht.“