Papst Franziskus in der Slowakei
Reuters/Radovan Stoklasa
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Analyse

Vatikanist Politi: Papst-Reise verdeutlicht Vision

Der jüngste Papst-Besuch in Budapest und der Slowakei hat aus Sicht des Vatikan-Kenners Marco Politi klar die Linie und Vision von Papst Franziskus für Gesellschaft und Christentum zum Ausdruck gebracht.

„Christus breitet die Arme aus, das Kreuz ist offen für alle, und man soll seine Identität nicht verteidigen, indem man feindselig zu den anderen wird“, betonte Politi im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress (Donnerstag) in Wien ein vom Papst in Predigten und Reden beschriebenes Bild. Papst Franziskus anerkenne nationale Identitäten, so der 74-jährige Journalist und Buchautor: „Aber es soll nicht zu einer Konfrontation mit anderen Identitäten kommen.“

Vor allem der Besuch in Budapest sei angesichts der „großen Unterschiede“ zwischen dem Papst und Regierungschef Viktor Orban „delikat“ gewesen, so Politi. Man habe gesehen, dass Franziskus mit der ungarischen Staatsspitze über die Rolle der Kirche, das Klima und die Rolle der Familie gesprochen hat, aber nicht über Migranten.

„Heißes Eisen Migration nicht angefasst“

„Das bedeutet, dass beide Seiten dieses heiße Eisen nicht anfassen wollten.“ Bei den Gottesdiensten und anderen Treffen im Rahmen der öffentlichen Teile der Reise sei die ganze Linie des Papstes in gesellschaftlichen Fragen aber sehr klar deutlich geworden.

Papst trifft Viktor Orban
APA/AFP/VATICAN MEDIA/Handout
Der Besuch in Budapest sei angesichts der „großen Unterschiede“ zwischen dem Papst und Regierungschef Viktor Orban „delikat“ gewesen, so Politi

Beim Thema Migration fordere der Papst, dass jedes Land so viele Menschen aufnehmen soll, wie es kann, erklärte der Vatikan-Experte. „Es ist nicht so, dass jeder herein können muss, aber man muss immer offen sein, dass man diesen Leuten hilft“, schilderte Politi die Grundposition von Franziskus.

Für viele Menschen sei ihre Flucht eine „Sache des Überlebens“, so der Journalist. „Und da muss natürlich Europa offen sein für seine Rolle.“ Papst Franziskus habe in den vergangenen Jahren immer unterstrichen, dass Europa für seinen inneren Zusammenhalt arbeiten muss – aber auch für seine Rolle in der Welt, indem es offen ist für die neuen Herausforderungen.

Papst „setzt auf Europa“

Nach Ansicht des Vatikan-Kenners setzt Papst Franziskus in der komplizierten Weltpolitik stark auf Europa, vor allem seit der Regierungszeit von Donald Trump in den USA, in der man gesehen habe, so Politi, „wie eine Politik des Identitätssuprematismus und auch ein Bündnis zwischen klerikal-fundamentalistischen Kräften mit rechtsextremen Kräften sich negativ auswirken konnte“. Fundamentalistisch Konservative gebe es dabei unter Evangelikalen, aber auch unter katholischen Kräften, erinnerte der Journalist.

Papst Franziskus habe sehr früh die Gefahr eines neuen klerikalen Nationalismus erkannt, der sich in Europa etwa in Polen und Ungarn ausgebreitet hat, sagte Politi. „Das findet der Papst nicht positiv.“ In Polen sei vor einigen Jahren eine große Rosenkranz-Gebetsaktion an den Grenzen organisiert worden, erinnerte der Journalist.

Gegen „klerikalen Nationalismus“

„Eine Million Gläubige beteten, um Polen zu beschützen vor einer Islaminvasion, vor einer atheistischen Invasion.“ Die offizielle Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“ habe diesem Treffen keine Zeile gewidmet, so Politi: „Denn der Papst ist absolut dagegen, dass man Religion manipuliert, und dass man Religion für einen klerikalen Nationalismus ausnützt.“

Der Journalist und Buchautor Politi hält sich derzeit im Rahmen einer Lesereise in Österreich auf. Zuletzt erschien im Herder-Verlag sein neues Buch „Im Auge des Sturms – Franziskus, die Pest und die Heilung der Welt“.