Schwerpunkt

Vom Gehen, Wandern und Pilgern

Der Herbst ist eine der schönsten Jahreszeiten für ausgedehnte Bergtouren und Wanderungen und eine beliebte Zeit zum Pilgern. Die ORF-Abteilung „Religion und Ethik“ widmet sich diesem Thema vom 25. September bis Ende Oktober ausführlich.

Gehen ist das beste Tempo für Körper, Geist und Seele, das belegen nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch die Erfahrungen von mehr und mehr Wanderbegeisterten und Pilgerinnen und Pilgern. Diese Art von Bewegung ist in den vergangenen Jahren zum Boom, Trend, gar Hype geworden. Dabei ist die Lebenskunst des Gehens schon Jahrhunderte alt und vielen Religionen und Traditionen bekannt.

Auf dem Weg durch die Natur und Welt näher zu sich selbst oder zu einer transzendenten, spirituellen Quelle, zu Gott finden: Pilgern ist die älteste, bis in die Spätantike zurückreichende Form des bewussten Wanderns – mit einem örtlichen und einem geistigen Ziel. Mittlerweile gibt es weltweit und auch in Österreich ein dichtes Netz an Wander- und Pilgerwegen, das zum Aufbrechen einlädt.

Bewaldeter Berg mit Kreuz
Johannes Kaup
Pilgern ist die älteste, bis in die Spätantike zurückreichende Form des bewussten Wanderns

Die einzelnen Programmpunkte in TV, Radio und Online

TV

„Viele Wege – ein Ziel“

Religionen der Welt, 16.10.2021, 16.53 Uhr, ORF2

Jedes Jahr hat der Grazer Imam Fikret Fazlic eine interreligiöse Pilgerreise organisiert. Die letzte, eine Reise nach Sarajevo, liegt zwei Jahre zurück, dann kam Corona. Heuer wird sie wieder stattfinden, und zwar geht es in die Heiligengeistklamm an der steirischen Grenze zu Slowenien. Dabei sein werden Vertreter/innen aus verschiedensten Religionsgemeinschaften – aus Islam, Judentum, Christentum, Buddhismus, Hindu-Traditionen und vielen mehr. Ziel ist es, auch in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten, gemeinsam zu wandern, zu beten und zu essen.
Gestaltung: Gundi Lamprecht

„Frauenpilgertag“

Orientierung, 24.10.2021, 12.30 Uhr, ORF 2

Den „Frauenpilgertag“ der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö) am 16.10. nimmt das Religionsmagazin „Orientierung“ zum Anlass, um nachzufragen: Was erwarten sich engagierte Katholikinnen in ganz Österreich von der nun startenden Bischofssynode unter dem Titel „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“? Wie bewerten sie den mehrjährigen Prozess, den Papst Franziskus in Gang gesetzt hat?

„Vom Gehen“

Was ich glaube, 24.10.2021, 16.53 Uhr, ORF2

Andreas Lechner ist Pfarrer von Schladming, ausgebildeter Bergretter, begeisterter Alpinist und Kletterer. Gehen, Wandern und Pilgern sind für ihn immer wieder auch Wege zu sich selbst und zu Gott. Schon in der Bibel wird dem Gehen und Pilgern eine bedeutende Rolle zugemessen. Es beschreibt eine Grundhaltung des Menschen, der unterwegs und auf der Suche ist.
Gestaltung: Veronika Hofer-Stein

Wegweiser auf einem Berggipfel
Johannes Kaup
Die Lebenskunst des Gehens ist schon Jahrhunderte alt und vielen Religionen und Traditionen bekannt

ONLINE

„Verpönt und verboten“

Warum Pilgern im Protestantismus tabu war, religion.ORF.at, Oktober 2021

Luther bezeichnete das Pilgern als etwas für „Narren“. Im protestantischen Norwegen stand auf Pilgern zeitweise sogar die Todesstrafe. Heute erfreut sich Pilgern bei evangelischen Christinnen und Christen großer Beliebtheit. Warum wandte sich Reformator Martin Luther derart gegen die Pilgerreise? Und wie stehen die evangelischen Kirchen heute zum – wie man mancherorts sagt – „Beten mit Füßen“?
Bericht: Clara Akinyosoye.

Bergsee
Johannes Kaup
Pilgern wird mancherorts als „Beten bzw. Meditieren mit den Füßen“ bezeichnet

RADIO

„Meditieren mit den Füßen“ – Oder: Was wir beim Wandern und Pilgern erfahren können

Logos – Glauben und Zweifeln 25.9.2021, 19.05 Uhr, Ö1

Das Wandern ist vermutlich so alt wie die menschliche Kultur. Jäger und Sammler, später auch Hirten und Händler, waren auf Wanderschaft, weil es das Überleben abverlangte. Doch niemand dachte im Altertum daran, freiwillig und zwecklos durch die gefährliche Natur oder gar über die Alpen zu marschieren. Das entsteht erst spät, in der Romantik, als Gegenbewegung zur Entfremdung des Menschen von der Natur durch ein Leben in industrialisierten, urbanen Zentren.

Heute ist Wandern zu einer boomenden Aktivität geworden, die sich im Alpenraum auf eine reich vernetzte Infrastruktur mit Wegen und Hütten stützen kann. Dass die gehende Bewegung gesund ist und der körperlichen Fitness dient, ist hinlänglich bekannt. Weniger, dass das Wandern genauso der geistigen Fitness dient. Wer sich bewegt, wandelt sich, weil er aus dem Gewohnten und Festgefahrenen aufbricht. Dadurch lernt er nicht nur die Natur, sondern auch sich selbst kennen. Wandern kann so zu einem Meditieren mit den Füßen werden. In diesem Fall fallen dann die „vita activa“, ein tätiges Leben und die „vita contemplativa“, ein Leben in Betrachtung, zusammen.

Das Pilgern wiederum ist die älteste freiwillige Form des Wanderns. Wer pilgert hat einerseits ein örtlich definiertes Ziel, einen Heiligen Ort, an dem er ankommen will. Aber die Pilgerin oder der Pilger hat sich auf ihrem oder seinem langen Weg bewusst ein geistiges Ziel gesetzt, das er durch die Anstrengungen des eigenen Körpers erreichen will. „Eine Pilgerschaft macht es möglich, dass man sich physisch durch die Anstrengungen des eigenen Körpers Schritt für Schritt auf jene immateriellen Ziele zubewegt, die sonst schwer zu fassen sind“, schreibt die Schriftstellerin Rebecca Solnit in ihrem Buch „Wanderlust“.

Johannes Kaup hat sich aufgemacht und mit leidenschaftlichen Wanderinnen und Wanderern, Pilgerinnen und Pilgern über ihre Tiefenerfahrungen mit der Natur, sich selbst und Transzendentem gesprochen. Eine Sendung im Rahmen des ORF-Schwerpunkts „Bewusst gesund: Jetzt die Psyche stärken“ und des multimedialen Religionsschwerpunkts „Wandern und Pilgern“.

Ein Marterl entlang eines Wanderwegs
Johannes Kaup
Einer der beliebtesten Pilgerwege ist der Jakobsweg

„Die Autobahn Gottes – Pilgern auf dem Jakobsweg“

Praxis – Religion und Gesellschaft 29.9.2021, 16.05 Uhr, Ö1

Blasen an den Füßen, Erschöpfung und innerer Frieden. Der deutsche Komiker Hape Kerkeling, die ehemalige Dschungelcamp-Kandidatin Georgina Fleur oder der österreichische Schauspieler Ulrich Reinthaller – sie alle sind den traditionsreichen Jakobsweg gegangen und haben darüber Bücher geschrieben, Filme gemacht oder auf sozialen Medien gepostet. Fakt ist: der Jakobsweg ist ein Magnet für viele Menschen, die sich aus ganz unterschiedlichen Motiven auf den Weg machen.

Schon vor eintausend Jahren war er bekannt, 1993 wurde der zentrale spanische Teil in die Liste der UNESCO-Welterbe aufgenommen: der „Camino de Santiago“. Dabei ist „der Jakobsweg“ eigentlich eine Vielzahl von Pilgerwegen durch Europa, ihr gemeinsames Ziel ist das angebliche Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela im nordwestlichsten Zipfel Spaniens.

Im Lauf der Jahre wurde aus dem Geheimtipp ein Boom: 2019 waren es 347.578 Pilger/innen, durch die Corona-Pandemie brach die Zahl 2020 auf knapp 54.000 ein, doch vermutlich wird sie bald wieder steigen. Der Run auf den Jakobsweg hat aber auch seine Schattenseiten: Statt Einsamkeit und Besinnung finden sich viele unterwegs in einem regelrechten Pilgerstrom wieder.

Weil sich immer mehr Wanderer auf dem Weg nach Santiago drängeln, hat der damalige Bürgermeister Martino Noriega schon vor einigen Jahren gewarnt, dass seine Stadt Gefahr läuft, „am eigenen Erfolg zu sterben“. Herbergen, Airbnbs und Souvenirshops breiten sich immer weiter aus und drohen die gewachsenen Altstadt-Strukturen zu erdrücken, die Immobilienpreise sind in den Himmel geschossen. Unterschriftenlisten und Demos – etwa in der 600 Kilometer entfernten Stadt Logrono, die am Pilgerweg liegt – sind die Folge. Dort demonstrierte eine kleine Bürgergruppe mit Plakaten mit der Aufschrift „Pilger geht nach Hause“.

Der Jakobsweg als religiöse Wallfahrt? Als Selbstfindungstrip? Leidensmarsch oder Wellnesstour? Das Spektrum der Pilger/innen reicht von „Highlight-Hoppern“ bis zu „Hardcore-Pilgern“. Was bewegt sie? Was treibt sie an? Maria Harmer ist im „heiligen Compostelanischen Jahr 2021“ (das von Papst Franziskus wegen der COVID-19-Pandemie bis 2022 verlängert wurde) der „Faszination Jakobsweg“ auf den Grund gegangen und berichtet vom „neuen Run auf alten Pfaden“.

Eine Almwiese mit Blumen vor Berggipfeln
Johannes Kaup
Pilgern gilt als „Auszeit vom Alltag“

„Erst Jakobsweg, dann Hadsch“

Ein Pilger auf dem Weg zu sich – Tausende Kilometer nach Santiago und nach Mekka

Lebenskunst – Begegnungen am Sonntagmorgen, 3.10.2021, 7.05-8.00 Uhr, Ö1

Millionen Menschen pilgern nach Mekka, um dort das zentrale muslimische Heiligtum im Innenhof der heiligen Moschee, die Kaaba, umrunden. Die Pilgerfahrt, die jeder gläubige Muslim und jede Muslimin, einmal im Leben antreten sollte, gehört zu den religiösen Pflichten im Islam.

Für den Grazer Thair Abud war es der „Jakobsweg“ nach Santiago des Compostela, der ihn auf die Idee gebracht hat, auch von Graz nach Mekka zu wandern. Dabei hat der Sohn einer Deutschen und eines Irakers erfahren, dass ihn, wie er sagt, sein Gehen und Wandern immer mehr zu Gott führt.
Gestaltung: Kerstin Tretina

Pilgern als Auszeit vom Alltag und als Weg ins Innerste

Eine Wallfahrt nach Mariazell

Lebenskunst – Begegnungen am Sonntagmorgen, 10.10.2021, 7.05-8.00 Uhr, Ö1

Unterwegs sein, im Gehen zu sich selbst und vielleicht zum Göttlichen finden, ein Heiligtum als Ziel vor Augen: Pilgern hat wieder Saison, und dafür ist vor allem der Jakobsweg nach Santiago de Compostela berühmt. Doch das eindrucksvolle Erlebnis einer spirituellen Wanderung kann man auch in Österreich genießen, wobei das steirische Mariazell mit seiner Basilika und der Marienstatue der „Magna Mater Austriae“ das wahrscheinlich bekannteste Wallfahrtsziel ist.

Corona-bedingt waren eineinhalb Jahre lang keine größeren Wallfahrten möglich – nun machen sich wieder Gruppen von Pilgerinnen und Pilgern auf den Weg. Einige davon erinnern sich an interreligiöse Begegnungen aus der Vor-Corona-Zeit: spirituelle Erlebnisse mit Überraschungen. Lise Abid hat eine Pilgergruppe aus der Pfarre „Franz von Sales“ in Wien-Döbling ein Stück des Weges begleitet und mit Teilnehmer/innen gesprochen.

Umrah in Mekka
REUTERS/Waleed Ali
Millionen Musliminnen und Muslime machen sich jedes Jahr auf nach Mekka

Venedig, Athos und der Ganges

Axel Seidelmann über die Spiritualität des Reisens

Seit Jahrzehnten ist der Komponist und Musiktheoretiker Axel Seidelmann immer wieder unterwegs: auf seine Weise. Er geht viel zu Fuß, bewegt sich am liebsten abseits der ausgetretenen Touristenrouten und sucht bewusst Momente und Orte der Stille. In seinem Buch „Musik der Stille“ beschreibt er Erlebnisse, die er im Laufe von Jahrzehnten auf seinen Reisen gemacht hat. Und er geht der Frage nach, was seine Art des Reisens zu einem Unterwegssein im spirituellen Sinne machen. Brigitte Krautgartner hat sich davon erzählen lassen.

„Mekka von innen“

Eine Reportage aus der „Hauptstadt“ des Islam

Lebenskunst – Begegnungen am Sonntagmorgen, 17.10.2021, 7.05-8.00 Uhr, Ö1

Sofern es Corona und andere Umstände zulassen, machen sich zumindest einmal im Leben muslimische Pilger/innen in aller Welt auf, um eine der fünf wesentlichen Pflichten des Islam zu erfüllen: die Wallfahrt nach Mekka und den Besuch des dortigen Heiligtums, der Kaaba. Doch gleichzeitig ist Mekka auch ein Milliardengeschäft. Faris Rahoma war dabei und zählt zu den wenigen Journalisten, die die Erlaubnis erhielten, über diese extreme Welt zwischen Geld und Glauben zu berichten.