Österreich

Experte: Beichtgeheimnis durch Verfassung geschützt

Ein Konflikt um das katholische Beichtgeheimnis, wie er derzeit in Frankreich tobt, wäre in Österreich derzeit nicht möglich. Das hat der Wiener Kirchenrechtler Andreas Kowatsch im „Kurier“-Interview (Montagausgabe) betont.

Er verwies darauf, dass das Beichtgeheimnis in der österreichischen Verfassung geschützt sei: „Das Beichtgeheimnis gehört zum Wesen des Sakraments der Beichte. Die Sakramente, die religiösesten aller Feiern, wenn man so will, innerhalb der katholischen Kirche stehen ganz im Zentrum dessen, was im Artikel 15 des Staatsgrundgesetzes unserer Verfassung geschützt ist und betreffen auch die individuelle Religionsfreiheit der Beichtenden.“

In Österreich dürfe ein Priester von der Exekutive auch nicht dazu befragt oder vernommen werden. Das gelte auch, wenn ein Priester als Zeuge bei einem Prozess aussagen muss. Allein die Tatsache, dass dort versucht würde, das Beichtgeheimnis zu knacken, könnte am Ende ein Urteil nichtig machen, so Prof. Kowatsch.

Staat anerkennt religiöse Gebote

Für den Leiter des Instituts für Kirchenrecht und Religionsrecht an der Universität Wien geht es dabei nicht um die Frage, ob religiöses Recht über dem staatlichen Recht stehe, wie das in Frankreich diskutiert wird. Vielmehr betonte Kowatsch: „Es ist nicht das religiöse Recht, das über dem Staat steht, sondern der Staat anerkennt eben, dass gewisse religiöse Gebote für bestimmte Menschen so wichtig sind, dass sie in einer Abwägung mit anderen Werten, die der Staat schützt, im Einzelfall wichtiger sind.“

Ein Beichtstuhl
APA/Roland Schlager
Das Beichtgeheimnis ist in Österreich verfassungsrechtlich geschützt

Beim Beichtgeheimnis stehe auch für den Priester viel auf dem Spiel. Für diesen zähle bei einer Kollision das Kirchenrecht mehr als die staatliche Rechtsordnung. Das Kirchenrecht würde ihn bei Verletzung des Beichtgeheimnisses mit der Höchststrafe, nämlich der Exkommunikation, belegen. – Eine Exkommunikation, die ausschließlich der Papst selber wieder aufheben könnte. „Wir sind hier im aller innersten Bereich katholischer Glaubenspraxis“, so Kowatsch.

Täter bewegen, sich zu stellen

Zur Frage, wie man damit umgehe, wenn ein Mord oder ein Missbrauchsfall im Beichtstuhl gestanden wird, betonte Kowatsch, dass das nicht nur eine theoretische Diskussion sei. In der Priesterausbildung werde man mittlerweile auf solche Situationen vorbereitet. „Jedenfalls wird ein vernünftiger Beichtpriester alles tun, dass er den Täter dazu bewegt, sich selber zu stellen. Er wird alles daransetzen, dass der Täter dasselbe außerhalb der Beichte noch einmal erzählt.“

Dann dürfe der Priester nach staatlichem Recht zwar immer noch nicht vernommen werden, „weil es diese geistliche Amtsverschwiegenheit gibt, aber er unterliegt innerkirchlich nicht mehr dem Beichtgeheimnis“. Wenn ein minderjähriges Missbrauchsopfer beichtet, müsse der Priester „alles unternehmen, dass dieses Kind zu seinen Eltern geht, zur Polizei geht, zu den Lehrern geht, zu wem auch immer und sich außerhalb dieses Kontextes jemandem anvertraut“.

Warnung vor Kollateralschäden

Der Kirchenrechtler sieht keine Notwendigkeit, dass der Staat am Beichtgeheimnis rüttelt: „Persönlich glaube ich nicht, dass da einem Opfer geholfen worden wäre, weil dann das System als solches nicht mehr vorhanden ist.“ Außerdem warnte Kowatsch vor Kollateralschäden für den Staat, wenn der in diesen innersten Bereich der Kirche eindringt.

„Insgesamt müsste das österreichische Religionsrecht dann auf neue Beine gestellt werden, mit wohl großen Kollateralschäden, sodass der Staat letztlich bestimmt, was Menschen religiös zu denken haben und was nicht. Damit würde er seine eigenen Fundamente angreifen, auf denen er seit der Neuzeit steht – eben nicht religiöse Entscheidungen treffen zu wollen.“

Debatten in Frankreich

In Frankreich war es zuletzt zu heftigen Debatten zwischen Staat und Kirche um das Beichtgeheimnis im Falle von Kindesmissbrauch gegangen. Innenminister Gerald Darmanin, der auch für religiöse Angelegenheiten zuständig ist, hatte sich gegen ein generelles Beichtgeheimnis von katholischen Priestern ausgesprochen. Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort, Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz, hatte andererseits das Beichtgeheimnis als „stärker als die Gesetze der Republik“ bezeichnet. Inzwischen sind Kirche und Politik in einen Dialog eingetreten und die Thematik hat sich wieder entspannt.