Kerzen in einer Kirche
Public Domain
Public Domain
Allerseelen

Über den Umgang mit Trauer

Kaum eine Situation ist so belastend wie das Leben mit einem geliebten Menschen, der todkrank ist. In Ausnahmesituationen wie diesen empfiehlt es sich, so schnell wie möglich Hilfe und Unterstützung zu suchen. Denn Abschiednehmen gehört zum Leben dazu.

Die Diagnose kommt oft völlig überraschend, ist sie einmal ausgesprochen, verändert das sich bisherige Leben von Grund auf. Angst, Verzweiflung und Unsicherheit beginnen, um sich zu greifen. Zu der emotionalen Belastung kommen auch noch organisatorische Herausforderungen: Stehen längere Krankenhausaufenthalte oder aufwendige Therapien an? Was bedeutet das für die Paarbeziehung oder das Familiengefüge? Werden sich (z. B. bei selbstständig Tätigen) finanzielle Engpässe ergeben?

Eine erste Ansprechstelle kann die Telefonseelsorge sein, die nicht nur telefonisch, sondern auch per Mail und Chat erreichbar ist. Hier gibt es nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch Tipps, an welche Einrichtungen man sich wenden kann. Handelt es sich um eine Tumorerkrankung, ist es eine gute Lösung, sich an die Krebshilfe zu wenden. Wichtig ist es, schnell zu handeln. Wer zuwartet, bis die eigenen Kräfte erschöpft sind, geht ein Risiko ein.

Hinweis

Brigitte Krautgartner, die Autorin dieses Textes, ist ORF-Redakteurin und hat nach dem Verlust ihres Partners nun das Buch „Hinter den Wolken ist es hell“ geschrieben.

Sofort Hilfe suchen

Denn es ist nicht gesagt, dass die erste Kontaktaufnahme erfolgreich ist. Es kann eine Zeit dauern, bis Beratungstermine verfügbar sind, bis Selbsthilfegruppen freie Plätze haben und so weiter. Zudem kann es hilfreich sein, auch im Anfangsstadium schon gewisse Weichenstellungen vorzunehmen.

Zuschüsse zu beantragen etwa oder den Wohnbereich behindertengerecht zu gestalten. Kundige Begleitung wirkt nicht nur bei schmerzhaften Gefühlen entlastend, sie wirkt auch wie ein Kompass, der die Orientierung in ganz praktischen Dingen wesentlich erleichtert.

Trotzdem Freude haben

Weiters ist es wichtig, freudvolle Erfahrungen nicht aus dem Leben zu verbannen. Sowohl die erkrankte Person als auch die gesunden Angehörigen profitieren von schönen Momenten. Ein gutes Essen, ein Konzertbesuch, ein Besuch von Freunden, aber auch Erfolge im Beruf – diese Dinge haben weiterhin ihre Bedeutung. Sie stärken die Seele und spenden Energie, sie bilden einen Gegenpol zu all dem Negativen, das durch die Diagnose plötzlich das Leben so schwierig macht.

Das ist nicht herzlos – ganz im Gegenteil: Psychologinnen und Psychologen empfehlen gezielt, eigene Kraftquellen zu suchen und so viel wie möglich aus ihnen zu schöpfen. Diese Kraftquellen können im Bereich der Kreativität liegen oder im Bereich des Sportes, aber auch die berufliche Umgebung kann viel Halt bieten, Räume jenseits der Krankheit zu eröffnen. Spiritualität kann ebenfalls eine bedeutende Stütze sein.

Ein Sicherheitsnetz knüpfen

Sinnvoll ist es, sich so früh wie möglich ein Sicherheitsnetz zu knüpfen – bis hin zum Anlegen einer Liste mit Notfalltelefonnummern. Wer ist ein Ansprechpartner in psychischen Krisen? Wer kann in praktischen Angelegenheiten helfen? Wer kann mitgehen zu schwierigen Arzt- oder Behördenterminen? Je länger diese Liste ist, umso besser. Vielen Schultern fällt es leichter, eine schwere Last (mit) zu tragen.

Sollte dennoch einmal niemand erreichbar sein, gilt es, sich vor einer Denkfalle zu hüten: „Nie ist jemand für mich da“ oder „Wenn es schwierig ist, bin ich ganz allein“. Das führt nur in die Verzweiflung. Es gehört zum Leben dazu, dass man manche Situationen ganz allein ertragen muss.

Als Sinnbild dafür kann das Leiden Jesu im Garten Gethsemane gelten. In der Phase tiefster Todesangst stand ihm (zunächst) niemand bei. Seine Freunde waren eingeschlafen. Den Moment schmerzlichster Einsamkeit musste er ertragen – bis schließlich doch Trost kam. Auch das ist eine Botschaft dieser Bibelstelle: Es ist möglich, Trost zu finden – auch wenn es zunächst gar nicht danach aussieht.

Buchcover „Hinter den Wolken ist es hell“
Tyrolia Verlag
Brigitte Krautgartner, Hinter den Wolken ist es hell, Tyrolia 2021, 19,95 Euro.

Abschied als Teil des Lebens

Gerade von gläubigen Menschen ist immer wieder zu hören, dass sie mit Gott hadern. Da ist man so sehr darum bemüht, nach seinen Vorgaben zu leben – und dann bekommt man als „Lohn“ dafür Verzweiflung und Trauer. Welchen Rückhalt kann so ein Gott bieten? Lohnt es sich überhaupt, weiter auf ihn zu vertrauen?

Tatsache ist, dass es zum Menschsein dazugehört, geliebte Angehörige zu verlieren. Warum muss das gerade mir passieren? Diese Frage liegt natürlich nahe. Bei genauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass niemand davor gefeit ist, schmerzhafte Verlusterlebnisse zu erleiden. Am Krankenbett oder Grab eines liebsten Menschen zu stehen gehört genauso zum Leben wie der erste Kuss oder der erste Urlaub am Meer. Es ist eine Realität, die nur allzu gern ausgeblendet wird, aber Faktum ist: Trauer ist der Preis, den wir dafür bezahlen, jemanden zu lieben.

Nicht mehr trauern als nötig

Professionelle Hilfe kann dabei unterstützen, der Trauer nicht mehr Platz einzuräumen, als unbedingt notwendig ist. Dass das möglich ist, zeigen die schönsten Texte, die die jüdisch-christliche Tradition je hervorgebracht hat. Psalm 23 etwa, das berühmte Bekenntnis „der Herr ist mein Hirte“. Moderner und zutiefst berührend sind die Zeilen von Dietrich Bonhoeffer: „von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag“. Er verfasste dieses Gedicht in einem Gefängnis des NS-Regimes, wenige Monate bevor das Todesurteil gegen ihn vollstreckt wurde.

Tröstliche Gedanken und Erlebnisse sind Geschenke. Man kann sie nur in eingeschränktem Ausmaß bewusst herbeiführen. Aber eines kann man sehr wohl: sich auch in schwierigen Situationen bemühen, offen dafür zu sein. Es lohnt sich, die Wahrnehmungsfähigkeit dafür zu trainieren.