Therapie

CoV und Psyche: Caritas will Angebote ausweiten

Einen neuen Bedarf an psychosozialen Angeboten beobachtet derzeit die Caritas der Diözese St. Pölten. „Menschen, die vorher gerade so zurechtkamen, konnten in der Corona-Zeit ihre Probleme nicht mehr kompensieren“, sagt die Leiterin des Psychosozialen Dienstes. Daher sei ein Ausbau der Angebote nötig.

Anna Entenfellner, Leiterin des Bereichs Psychosozialer Dienst (PSD) der Caritas St. Pölten äußerte sich im Interview mit der Kirchenzeitung „Kirche bunt“ (aktuelle Ausgabe). Der Herbst, die bevorstehende winterliche Dunkelheit und die Coronavirus-Krise, das alles sei derzeit für viele Menschen eine psychische Belastung.

„Wir sehen, dass mit der Dauer der Pandemie vermehrt psychische Krankheiten auftreten“, so Entenfellner, die darauf hinwies, dass viele Betroffene selbst zunächst meist gar nicht bemerkten, dass sie psychisch krank sein könnten.

Geduld und Achtsamkeit gefragt

„Man merkt zwar, dass man nicht gut drauf ist, schlecht schläft, sich vielleicht schlecht konzentrieren kann. Doch man denkt am Anfang, dass man selber etwas falsch gemacht hat“. Meist falle dem Umfeld zuerst auf, dass „etwas nicht stimmt“. Deswegen kommen oft zunächst die Angehörigen und nicht die Betroffenen selbst zum psychosozialen Dienst der Caritas, so Entenfellners Erfahrung.

Für Angehörige sei es wichtig, den Betroffenen nicht unter Druck zu setzen. „Nicht fordern, sondern achtsam sein“, riet Entenfellner. Appelle wie „Komm, reiß dich zusammen, wir gehen jetzt raus, es ist so schön draußen!“ seien oft wenig hilfreich. Auch Geduld sei gefragt: „Manchmal dauert es sehr lange, bis ein offenes Gespräch zustande kommt.“

Psychische Probleme oft Tabu

Dazu komme, dass eine psychische Erkrankung noch immer als Tabu gilt. Auch wenn das Thema in den letzten Jahren viel salonfähiger geworden sei, es bleibe das große Hindernis des Stigmas: „Die Betroffenen leiden stark unter Vorurteilen, dumm, faul, selber schuld und unberechenbar zu sein.“ Dazu komme die Frage, ob die Krankheit dem Arbeitgeber mitgeteilt werden soll oder nicht: „Riskiere ich, den Job zu verlieren, oder überfordere ich mich permanent, um die Arbeit zu behalten?“

Dabei seien psychische Erkrankungen heute durch die drei Säulen „Psychotherapie, Soziotherapie – und je nach Schwere der Erkrankung – Medikamente“ gut behandelbar, unterstrich Entenfellner. Besonders bedeutend sei die Komponente der Psychotherapie – „die Möglichkeit, Probleme aufzuarbeiten, meine Lebensperspektive zu klären“.

Der psychosoziale Dienst der Caritas würde seine Angebote an von der Krankenkasse bezahlten Psychotherapie-Stunden gerne flächendeckend ausweiten. Der Bedarf sei nämlich, auch aufgrund der hohen Kosten, „bei Weitem nicht gedeckt“, so Entenfelllner.