Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka (l.) und Kardinal Christoph Schönborn i
APA/Roland Schlager
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Recht

Sterbeverfügung: Bischöfe orten „gravierende Mängel“

Die Österreichische Bischofskonferenz hat am Freitag ihre Stellungnahme zum Sterbeverfügungsgesetz veröffentlicht. Der Gesetzesentwurf gehe zu weit, missachte in vielerlei Hinsicht die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) und könne den Missbrauch vulnerabler Personen nicht wirksam verhindern, so das Fazit der Bischöfe.

In der von Generalsekretär Peter Schipka gezeichneten Stellungnahme wird auch kritisiert, dass die Straflosigkeit der Beihilfe zum Suizid weder an das Vorliegen der Sterbeverfügung noch an die zwölf Wochen Bedenkzeit gebunden sei. Zudem sei die psychische Beihilfe zum Suizid ausnahmslos straflos. Auch werde die Entscheidungsfähigkeit des Suizidwiligen nicht in jedem Fall verpflichtend von einem Psychiater bzw. Psychologen beurteilt.

Durch diese drei Punkte werde das VfGH-Erkenntnis missachtet, heißt es in der Stellungnahme. Denn der VfGH habe bei seinem Urteil eine gesetzgeberische Neuregelung der Suizidassistenz im Blick gehabt, die eine erlaubte Assistenz nur innerhalb enger Grenzen und unter Sicherstellung eines freiwilligen, selbstbestimmten und dauerhaften Entschlusses des entscheidungsfähigen Suizidenten ermöglicht; ohne Einflussnahme Dritter auf dessen Willensbildung und ausschließlich als Ausnahme von einer weiterhin geltenden generellen Strafbarkeit, so die Kritik der Bischöfe.

Suizidbeihilfe weitgehend erlaubt

Das Instrument der Sterbeverfügung werde aber mit dem vorliegenden Entwurf auf einen bloßen „Bezugsschein in der Apotheke“ reduziert. Strafrechtlich sei nämlich jede andere Form der Beihilfe zu jeder beliebigen Art des Suizids unmittelbar nach der zweiten ärztlichen Aufklärung erlaubt. Damit wäre es beispielsweise für den Beihelfer strafrechtlich zulässig, „der suizidwilligen Person sofort nach der zweiten ärztlichen Aufklärung eine Schusswaffe auszuhändigen, damit sie sich damit an Ort und Stelle das Leben nimmt“.

Damit wären aber weder die Dauerhaftigkeit des Suizidwunsches noch der freie Willen gesichert. Bloß für eine einzige, vom Gesetzgeber vorgezeichnete Suizidvariante, nämlich für den Suizid durch ein tödliches Gift aus der Apotheke, wären hingegen die zwölf Wochen Bedenkzeit und die Errichtung einer Sterbeverfügung erforderlich, kritisiert die Bischofskonferenz.

Strafbarkeit beibehalten

Sie plädiert daher für die grundsätzliche Beibehaltung der Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid, unter gleichzeitiger Normierung der Ausnahme, wenn eine aufrechte Sterbeverfügung des Suizidwilligen vorliegt und der Suizid mittels des tödlichen Präparats aus der Apotheke durchgeführt wird. Dies würde den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs Rechnung tragen.

Ein weiterer Kritikpunkt: Da im Strafrecht ausschließlich bestimmte Formen der physischen Beihilfe zum Suizid unter Strafe gestellt werden, folgt daraus im Umkehrschluss, dass mit der neuen Regelung jede Form der psychischen Beihilfe zum Suizid straflos sein wird. Auch diese generelle Straflosigkeit der psychischen Beihilfe widerspreche aber den Vorgaben des VfGH. Schließlich habe dieser verfügt, dass die freie Willensbildung des Suizidenten zur Selbsttötung von Dritten nicht beeinflusst werden darf.

Psychologische Abklärung gefordert

Unzufrieden zeigt sich die Bischofskonferenz auch mit den Regelungen der ärztlichen Aufklärung. Laut Entwurf hat vor Errichtung einer Sterbeverfügung eine Aufklärung durch zwei ärztliche Personen zu erfolgen, um sicherzustellen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat. Ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin oder eine klinische Psychologin bzw. einen klinischen Psychologen sei aber nur dann beizuziehen, wenn sich im Rahmen der ärztlichen Aufklärung ein Hinweis darauf ergibt, dass bei der sterbewilligen Person eine krankheitswertige psychische Störung vorliegen könnte, deren Folge der Wunsch zur Beendigung ihres Lebens sein könnte.

Das Erkennen einer eventuell verborgenen psychischen Störung mit potenziellem Einfluss auf die Entscheidungsfähigkeit erfordere aber mitunter viel Erfahrung und Expertise und liege nicht in der medizinischen Kernkompetenz der meisten Ärzte, warnt die Bischofskonferenz. Deshalb wird in der Stellungnahme eine nicht nur fakultative, sondern obligatorische Überprüfung der Entscheidungs-und Einsichtsfähigkeit jeder suizidwilligen Person durch eine entsprechend qualifizierte Fachperson gefordert.

Institutionen nicht zu Beihilfe zwingen

In der Stellungnahme der Bischofskonferenz wird zudem darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung „Sterbeverfügung“ unzutreffend sei. Der Willensentschluss sei nicht darauf gerichtet, zu sterben, sondern sich das Leben zu nehmen, also Suizid zu begehen. Dieser Umstand müsse begrifflich auch entsprechend abgebildet werden, „da der Wille zu sterben und der Wille, Suizid zu begehen, nicht gleichgesetzt werden können“, so die Bischofskonferenz. Um Zweck und Inhalt der Willenserklärung auch sprachlich korrekt abzubilden, wäre es sachgerecht, den Begriff der „Sterbeverfügung“ durchgehend durch den Begriff „Suiziderklärung“ zu ersetzen und folglich auch das gegenständliche Gesetz als „Suiziderklärungsgesetz“ zu bezeichnen.

Ein weiterer Kritikpunkt in der Stellungnahme betrifft die Ablehnungsfreiheit, die im Falle von juristischer Personen nicht wirksam gesichert erscheint. Es müsse eindeutig klargestellt werden, dass juristische Personen und andere institutionelle Träger nicht nur selbst keine Hilfeleistung zum Suizid anbieten müssen, sondern auch nicht dazu verpflichtet werden können, eine solche Hilfeleistung durch dritte Personen in ihren Einrichtungen zu dulden.

Regelungen „schwammig“

Zu schwammig ist der Bischofskonferenz zudem die Bestimmung, wonach es verboten ist, sterbewilligen Personen eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen. Was unter Aufwandsersatz zu verstehen ist, müsste wesentlich detaillierter bestimmt werden. Ein Aufwandsersatz dürfe nur bei konkretem Zusammenhang mit der individuellen Beihilfe erfolgen.

Schließlich kritisiert die Bischofskonferenz auch die Erläuterungen zum Entwurf, die teilweise irreführend und tendenziös seien. Und sie mahnt einmal mehr die verfassungsrechtliche Absicherung des Verbots der Tötung auf Verlangen ein.

Suizidassistenz grundsätzlich abgelehnt

Nachdrücklich wird in der Stellungnahme auch festgehalten, dass trotz der Hinweise auf notwendige Verbesserungen des geplanten Gesetzes die generelle Zurückweisung der Suizidassistenz uneingeschränkt aufrecht bleibe. Die österreichischen Bischöfe lehnten eine Assistenz zum Suizid weiterhin entschieden ab, auch wenn ihnen Situationen vertraut sind, in denen Menschen aus Verzweiflung den Wunsch nach einer Beendigung ihres Lebens äußern.

Der Wunsch nach Suizid sei stets eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten. Selbsttötung sei eine existenzielle Tragödie, meist die tödliche Konsequenz einer subjektiv empfundenen Ausweglosigkeit. Sie hinterlasse auch bei den Hinterbliebenen oftmals tiefe Wunden. Umso mehr begrüße die Österreichische Bischofskonferenz den „dringend notwendigen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich und appelliert mit Nachdruck an die Verantwortlichen, dessen gesicherte Finanzierung zeitnah sicherzustellen“.