Deutschland

Neue EKD-Ratsvorsitzende will Gott nicht gendern

Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hält das Wort Gott für ausreichend geschlechtsneutral und will es nicht mit Gendersternchen versehen.

„Gott kann nicht auf ein Geschlecht festgelegt werden“, sagte die westfälische Präses der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Diese Offenheit wird schon in der Bibel deutlich, indem für Gott unterschiedliche Schreibweisen und Namen verwendet werden.“

Dem Vorschlag eines deutschen Katholischen Jugendverbandes, statt „Gott“ künftig „Gott*“ zu verwenden, will Kurschus nicht folgen. Die Katholische junge Gemeinde (KjG) hatte im Oktober Gottesbezeichnungen gesucht, „die mehr umfassen als die männlich weiße Vorstellung von Gott“. Mit Rücksicht auf Traditionen sollte demnach die Einführung der Schreibweise „Gott*“ aber „sensibel vorbereitet“ werden.

Die EKD-Vorsitzende Annette Kurschus
Jens Schulze
Die neue EKD-Ratsvorsitzende Kurschus verwendet manchmal „Sternchen“

Anrede „Gott“ „offen genug“

Die Anrede „Gott“ sei „offen genug“, sagte Kurschus. „Insofern sehe ich persönlich keinen Grund, das Wort zu gendern.“ Bei der Anrede von Menschen kombiniert Kurschus nach eigener Darstellung „weiterhin die weibliche und die männliche Ansprache.“ Manchmal verwende sie inzwischen auch „Sternchen“ oder mache eine „kurze Pause beim Sprechen“. Sie „variiere und experimentiere“, sagte sie der Zeitung.

Mit Blick auf die umstrittene Suizidbeihilfe hält Kurschus diese in evangelischen Einrichtungen in „absoluten Ausnahmesituationen“ und „einzelnen Grenzsituationen“ für denkbar. Grundsätzlich gelte, dass der assistierte Suizid „kein reguläres Angebot in unseren Einrichtungen“ sein könne. „Darauf muss sich jeder Mensch verlassen können, der sich einer kirchlichen oder diakonischen Einrichtung anvertraut.“

„Menschen mit Sterbewunsch nicht im Stich lassen“

Es gebe aber Situationen, in denen das Leben so unerträglich werde, dass es ein Mensch beim besten Willen nicht mehr aushalten könne, so die Ratsvorsitzende weiter. In solchen Situationen halte sie es für eine christliche Pflicht, „den Menschen, der nicht mehr leben kann, auch in seinem verzweifelten Sterbewunsch nicht im Stich zu lassen.“ Die katholische Kirche lehnt Suizidbeihilfe in ihren Einrichtungen kategorisch ab. In der evangelischen Kirche gibt es dazu unterschiedliche Positionen.

Die Ratsvorsitzende wandte sich in dem Interview gegen Ängste, dass die christliche Identität Europas durch die Einwanderung von Muslimen gefährdet wird. „Unser christlicher Glaube gerät nicht durch die Begegnung mit anderen Religionen in Gefahr. Wir sollten ihn klar erkennbar leben“, sagte sie. „Das Christentum geht nicht unter, weil unsere Gesellschaft vielfältiger wird.“ Die Angst um das sogenannte christliche Abendland treffe sie darüber hinaus eher bei Menschen an, die „in den Inhalten des Christentums wenig sattelfest sind“.

Seenotrettung verteidigt

Kurschus verteidigte das kirchliche Engagement bei der Seenotrettung. Zwar lasse sich nicht gänzlich ausschließen, dass davon auch Schleuser profitierten und Flüchtlinge angelockt würden. Allerdings sprächen etliche Studien gegen den Pull-Effekt. „Der befürchtete Nebeneffekt darf kein Anlass sein, mit dem Einsatz für Menschlichkeit und der konkreten Hilfe aufzuhören.“

Kurschus hatte im November die Nachfolge von Heinrich Bedford-Strohm an der Spitze der EKD angetreten. Dort gibt es mit der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs als Stellvertreterin nun erstmals eine weibliche Doppelspitze. Bekannt geworden war Kurschus unter anderem durch eine Predigt im Kölner Dom 2015, als sie neben Kardinal Rainer Maria Woelki die Trauerfeier für die Opfer des Germanwings-Absturzes leitete.