Kardinal Christoph Schönborn mit erhobenem Zeigefinger vor einer Österreich-Fahne
APA/Georg Hochmuth
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CoV

Schönborn: Mehr Taktgefühl in der Krise

Österreichs Bischöfe zeigen sich zusehends besorgt über drohende Spaltungen in der Gesellschaft angesichts des erneuten Lockdowns und plädieren für Mäßigung, Dialog und Zusammenhalt. So sprach sich Kardinal Christoph Schönborn am Mittwoch via Twitter für mehr Gemeinsamkeit und Taktgefühl aus.

Der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky widmete seine aktuelle Kolumne in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ (NÖN) ebenfalls dieser Thematik und warnte vor „Folterrhetorik“ und „unbelegten Vorwürfen“. Zuletzt hatten sich auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, und der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler mäßigend in die Pandemie-Debatte eingebracht.

Für Zuversicht trotz Auseinandersetzungen warb der Wiener Erzbischof, indem er auf Twitter auf allgemeine Lebenserfahrungen verwies und schrieb: „Wir kennen das aus unseren Familien: unterschiedliche Ideen und Temperamente führen schnell zu Unstimmigkeiten. Letztlich siegen aber meist Verantwortungsbewusstsein und Familiensinn.“ Von daher der Appell des Kardinals: „Auch als Gesellschaft kommen wir nur gemeinsam und mit Taktgefühl gut durch diese Krise.“

Lackner: „Betrifft uns alle“

Besorgt zeigte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Lackner, über die Polarisierung in der Gesellschaft, wie sie zuletzt bei den Demonstrationen sichtbar wurde: „Weil die Pandemie alle betrifft, müssen auch alle für sich und andere Verantwortung übernehmen. Bleiben wir daher einander gewogen, trotz aller Gereiztheit, stehen wir einander helfend bei und handeln wir so, dass wir nach der Pandemie einander noch in die Augen schauen können“, betonte der Salzburger Erzbischof am Dienstag im Interview mit Kathpress.

„In diesem Sinne laden wir Bischöfe die Gläubigen, ja die gesamte Bevölkerung bewusst ein, die Zeit des Lockdowns auch für Momente von Stille, Nachdenklichkeit und Gebet zu nützen“, so Lackner.

Turnovszky: „Schluss mit unbelegten Vorwürfen“

Deutliche Worte fand der Wiener Weihbischof Turnovszky am Mittwoch in der „NÖN“ und sprach davon, dass die „Debattenkultur“ in Österreich innerhalb kurzer Zeit „in Abgründe“ geraten sei. „So schnell kann es gehen, dass eine schmerzhafte Spaltung in der Bevölkerung aufbricht: Ungeimpfte fühlen sich durch Geimpfte genötigt, Geimpfte fühlen sich von Ungeimpften bedroht.“

Diese Entwicklung sei vielleicht unvermeidlich, „aber das Problem ist, dass man darüber nicht auf eine wertschätzende Art ins Gespräch kommt – ja, dass kaum Versuche dazu unternommen werden. Stattdessen liest und hört man von ungenierten Sagern wie ‚Daumenschrauben‘, die es für Ungeimpfte fester anzuziehen gilt, und andererseits von Vorwürfen der Fahrlässigkeit oder Manipulation an die Adresse der geimpften Machtinhaber“. Dazu Turnovszky: „Bitte Schluss mit Folterrhetorik und auch unbelegten Vorwürfen!“

Ehrlich zuhören

Vielmehr plädierte der frühere Chemiker für nüchternen Sachverstand im Blick auf das Virus und die Zahlen. Als „Mann der Kirche“ bereite ihm jedoch „das Virus der Spaltung unserer Gesellschaft“ besondere Sorgen, so Turnovszky, der zur CoV-Impfung bekannte: „Ich bin geimpft. Nicht weil ich von der Impfung so überzeugt wäre (ich bin kein Fachmann und daher nicht in der Lage, sie zu beurteilen), sondern weil ich vertraue, vor allem mir bekannten Ärzten, auch dem Papst und den Regierungen der ganzen Welt.“

Weiter schrieb der Weihbischof: „Ungeimpfte scheinen dieses Vertrauen nicht zu haben. Übt man Druck auf sie aus, werden sie weiter im Misstrauen bestärkt. Das einzige, das hilft, ist Vertrauen aufzubauen, und das gelingt nur, wenn man ehrlich und interessiert zuhört.“

Glettler: Keine Demütigung von Andersdenkenden

Deutliche Worte fand bereits am Sonntag der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler beim Gottesdienst im Gedenken an den NS-Märtyrerpriester Jakob Gapp: „Wir brauchen gerade in den unzähligen Lockdown- und Impfdebatten ganz dringend mehr Ruhe, mehr Nachdenklichkeit, um uns nicht gegenseitig in noch größeren Stress zu treiben“. Es brauche eine „ausgewogene Konsens- und Dissenskultur“. Sachthemen dürften nicht zu Spaltungen führen, so der Innsbrucker Bischof. „Wir alle tragen eine hohe Verantwortung für das Miteinander in unserer pluralen Gesellschaft.“

Vergleiche mit Nazis „geschmacklos“

Scharfe Kritik übte Glettler an jenen Ungeimpften, die bei Anti-CoV-Maßnahmen-Demos am Wochenende „Judensterne“ trugen und die Maßnahmen der Bundesregierung mit nationalsozialistischer Politik verglichen. Dies sei eine „Verhöhnung historischer Wahrheit“. Glettler schloss sich der Empörung Vieler über diese „geschmacklose“ und die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlosende Form des Protestes an.

Nicht nur seinen Zuhörern in der Wattener Kirche legte der Bischof jene Botschaft Jesu ans Herz, die gleichermaßen tröste wie auch herausfordere: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Betet für die, die euch beschimpfen!“ Und: „Urteilt nicht, damit auch ihr nicht verurteilt werdet!“ Ein zweiter Vorsatz könnte nach den Worten Glettlers lauten: „Den kleinen Lügen, Verdächtigungen, Unterstellungen, Mutmaßungen und Vermutungen, verletzenden Empörungen, verächtlichen Reden, respektlosen Bemerkungen, Demütigungen von Andersdenkenden keinen Raum zu geben!“