Humanitäre Hilfe

Situation in Syrien verschlechtert sich laut Caritas

Die ökonomische Situation der Menschen in Syrien hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Darüber sprach Andreas Knapp, der Generalsekretär für Internationale Programme der Caritas Österreich, im APA-Interview.

So hätten sich die Preise für Grundnahrungsmittel aufgrund einer Währungsabwertung seit Herbst 2019 verdreifacht, so Knapp. Diese Herausforderung spüre die Hilfsorganisation bei ihren Projekten, es sei „immer schwieriger“ Zielgruppen zu definieren.

Im Fokus stehe die finanzielle Unterstützung von „vulnerablen Gruppen“, betonte Knapp. Dazu zählen etwa Alleinerzieherinnen („female-headed households“) und sonstige benachteilige Familien. Knapp erzählte, dass mit den zur Verfügung gestellten Geldern sehr umsichtig umgegangen werde. Rund 70 Prozent werde für Grundnahrungsmittel ausgegeben, der Rest werde in die Gesundheit und in die Schuldbildung der Kinder investiert.

Fehlende Bildungsmöglichkeiten Fluchtgrund

Für viele bildungsaffine Syrer seien „fehlende Bildungsmöglichkeiten“ für ihre Kinder ein wesentlicher Fluchtgrund. Genau hier setze die Caritas mit ihren Bildungsprogrammen an, so Knapp. „Wir wollen heranwachsenden Kindern eine Chance geben.“ Ziel sei es zudem, die "Drop-out-Rate, welche bei sozialen Randgruppen sehr hoch sei, zu reduzieren, respektive Kinder zum Schulbesuch zu animieren. Unterstützung gebe es für Schulbusse, das Mittagessen – oft die einzige richtige Mahlzeit am Tag – und die psychische Betreuung zur Bekämpfung der Traumata der Schülerinnen und Schüler.

Die Gelder für die Caritas-Projekte kommen von der EU (ECHO – European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations), von der ADA (Austrian Developement Agency), von Nachbar in Not und vom österreichischen Innenministerium. Vor allem seitens Österreichs seien die Hilfsgelder „signifikant erhöht“ worden, was Knapp lobend erwähnte, weil damit die Planbarkeit der einzelnen Projekte erhöht werde und eine „Perspektive für Kinder“ geschaffen werde.

„Pattsituation“

Knapp, der vom Libanon kommend nach Damaskus reiste, beschrieb die derzeitige Situation im Land als „relativ ruhig“. Die Kampfhandlungen hätten in den vergangenen Jahren abgenommen, es herrsche eine „Pattsituation“ zwischen den Konfliktparteien. Als er 2017 und 2018 als Leiter des UNICEF-Wasserprogramms in Syrien tätig gewesen sei, habe er noch Luftangriffe und Kämpfe mitbekommen und es habe „aktive Frontlinien“ gegeben.

Frieden „weit entfernt“

Dennoch sei der Frieden „weit entfernt“, dazu komme die schlechte sozioökonomische Lage vieler Menschen. Eine große Flucht-Dynamik erwartet Knapp dennoch nicht, denn „viele die gehen konnten und mussten, sind gegangen“.

Knapp nahm auch Bezug auf die Lage im Libanon. Auch dieses Land leide unter einer wirtschaftlichen und politischen Krise und sei von Währungsabwertung betroffen. Zum Teil gehe es den Menschen dort schlechter als im Bürgerkriegsland Syrien, postulierte Knapp, der ergänzte, dass zu alldem in beiden Ländern auch noch die Coronavirus-Pandemie komme. Allerdings relativiere sich die Covid-19-Problematik aufgrund der Vielzahl an Schwierigkeiten vor Ort.

Projekte für Kleinunternehmen

Nach Damaskus geht es für Knapp weiter in die syrische Stadt Homs, wo die Caritas von der ADA geförderte Start-up-Projekte für Kleinunternehmen unterstützt. Damit soll künftigen Unternehmern geholfen und der Einstieg ins Gewerbe ermöglicht werden.

Andreas Knapp verfügt seit mehr als 20 Jahren über Berufserfahrung in der humanitären Hilfe mit Langzeitaufenthalten unter anderem in Uganda, Äthiopien, Kenia, Nepal und Syrien. Der Absolvent der Universität für Bodenkultur Wien leitete die UNICEF-Wasserprogramme in Syrien und war Mitarbeiter der UNO und der Weltbank. Außerdem war er Berater der Austrian Development Agency, von internationalen Hilfsorganisationen und von Regierungen in Ländern des globalen Südens.