„Kathedrale aus Müll“ in Madrid
APA/AFP/Gabriel Bouys
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Todesfall

Schöpfer der „Kathedrale aus Müll“ gestorben

„Don Justo“ Gallego Martinez, der Schöpfer der sogenannten Kathedrale aus Müll, ist tot. Der frühere Ordensmann, der seit 1961 in Mejorada del Campo bei Madrid zumeist in Alleinarbeit seine eigene Kirche errichtete, starb am Sonntag im Alter von 96 Jahren in Mejorada del Campo.

Das berichtete der Sender Telemadrid. Kurz vor seinem Tod vermachte er demnach sein gewaltiges Bauwerk, das im Volksmund „Justo-Kathedrale“ genannt wird, der Hilfsorganisation Mensajeros de la Paz, die sich verpflichtete, sein Lebenswerk zu vollenden. Der Bau ist 55 Meter lang, 25 Meter breit und 35 Meter hoch; die beiden Westtürme sollten eine Höhe von 58 Metern erreichen.

Innenaufnahme der „Kathedrale aus Müll“ in Madrid
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Innenansicht der Kathedrale

Gallego war 1952 in den Trappistenorden eingetreten, musste ihn jedoch wegen einer Tuberkulose-Erkrankung wieder verlassen. Vor dem geistigen Angesicht des Gnadenbilds von Saragossa, der Virgen del Pilar (Maria auf dem Pfeiler), versprach er der Gottesmutter, er werde ihr zu Ehren eine Kirche errichten, sollte er geheilt werden.

Pläne nur im Kopf

Und tatsächlich: Statt nach seiner Genesung einen weiteren Anlauf für das Klosterleben zu nehmen, ging „Don Justo“ nach Hause und fing auf einem geerbten Grundstück zu bauen an: nur mit seinen Händen, ohne Baupläne und Ausbildung, ohne Kran und auch ohne Unterstützung durch die katholische Kirche.

Justo Gallego Martinez, Erbauer der „Kathedrale aus Müll“
Reuters/Susana Vera
Justo Gallego Martinez, Erbauer der „Kathedrale aus Müll“

„Der Weg macht sich durch Gehen“ – das war einer seiner sturen Sätze. Von sechs Uhr früh bis abends um sechs war er in seiner Kirche. Alle Bauteile, alle Fenstermosaiken aus Coulouraplast, also farbigem Schmelzgranulat; all die fantasievollen Konstruktionen stammten unmittelbar aus dem Kopf und den Händen von Don Justo. Dort – und nur dort – waren die Pläne gespeichert.

Ausschuss, Spenden und Freiwillige

Seit Gallego sein Erbe buchstäblich verbaut hatte, war er allein auf Spenden angewiesen. Die Steine erhielt er als Ausschussware aus einer nahen Ziegelei; aufgefüllte Regenrinnen wurden zu Treppenstufen, Ölfässer und Plastikkanister zur Gussform für Säulen oder Randsteine aus Beton. Selbst alte Bandenwerbungen aus dem Bernabeu-Stadion von Real Madrid konnte er als Unterlage oder Stützmaterial gebrauchen.

Der Baumeister sprach nicht gern. „Werfen Sie etwas in die Box“, raunzte er Besucher an, wenn sie auf ihn zusteuerten und ihn bei seiner Arbeit unterbrechen könnten. Reden – die Leute wollten immer reden. Dabei sage er, was er zu sagen habe, mit dem, was er entwerfe, male, baue, so wiederholte Gallego seit vielen Jahren.

„Kathedrale aus Müll“
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Völlig allein war er mit seinem Bau am Ende nicht. 2005 erlangte er durch eine Mineralwasserreklame international Bekanntheit. Immer mal wieder kamen Helfer auf Zeit: Studenten in den Semesterferien, Schüler, Mitbürger aus dem Ort legten Hand an; Begeisterte aus dem In- und Ausland warben Spenden ein. Das New Yorker Museum of Modern Art widmete ihm eine Ausstellung.

Zukunft noch offen

Und obwohl die Kuppel in 38 Meter Außenhöhe und die Mauern des Kreuzgangs geschlossen waren und die zwölf Türme schon das Kirchenschiff überragten, muss Don Justo schon länger geahnt haben, dass er sein Werk nicht mehr selbst würde vollenden können.

Der Verbleib seines unfertigen Gotteshauses ist trotz der Übereignung an die Hilfsorganisation noch offen. Eine Baugenehmigung besteht nicht, und eine reguläre Bauabnahme dürfte nach Jahrzehnten völliger Improvisation nicht möglich sein. Allein das Begehen der Treppenstufen erfordert selbst für Gesunde Behutsamkeit und Geschick.

Kommen also künftig Pilger – oder Bagger? Und wird der Letzte Wunsch des frommen Mönchs in Erfüllung gehen? Don Justo wollte jedenfalls in seiner Kirche begraben werden.