Zypern

Papst fordert „Einheit“ in Migrationsfragen

Papst Franziskus hat die Europäer bei einem Besuch auf der geteilten Mittelmeerinsel Zypern zur „Einheit“ besonders in Fragen der Migration aufgerufen. Zudem bekräftigte er, 50 geflüchtete Menschen mit nach Italien nehmen zu wollen.

Das Trennende müsse „überwunden“ werden, forderte das katholische Kirchenoberhaupt am Donnerstag in der maronitischen Kathedrale in Nikosia. „Wir müssen uns gegenseitig willkommen heißen und uns integrieren.“ Nach Angaben der zyprischen Regierung will Franziskus nach seinem Besuch 50 Geflüchtete mit zurück nach Italien nehmen.

Der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis dankte dem Kirchenoberhaupt für diese „symbolische Initiative“. Sie sei ein „starkes Signal“ für die Notwendigkeit, die EU-Migrationspolitik zu reformieren. Der Vatikan hat die zyprischen Regierungsangaben zunächst nicht bestätigt.

Der Argentinier hatte schon 2016 von seinem Besuch im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos zwölf geflüchtete Menschen mit nach Rom gebracht. Einige davon traf er nach Auskunft des Vatikans just am Donnerstagmorgen vor seiner Abreise in Rom wieder. Im zweiten Teil seiner Reise in den Ostteil des Mittelmeers wird Franziskus am Sonntag nach Lesbos zurückkehren und dort erneut Migranten treffen.

Papst Franziskus und der zyprische Präsident Nicos Anastasiades
APA/AP/Alessandra Tarantino
Papst Franziskus und der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis

Zypern verzeichnet derzeit einen starken Anstieg der Ankünfte von Flüchtlingen. Das sei jedoch nicht nur schlecht, sagte Franziskus: In der Vergangenheit hätten viele Migranten die Insel „zu einem echten Treffpunkt verschiedener Ethnien und Kulturen“ gemacht.

Mittelmeer mit „unterschiedlichen Geschichten“

Das Mittelmeer sei ein Meer „unterschiedlicher Geschichten“, das schon viele Zivilisationen beheimatet habe, sagte das Kirchenoberhaupt weiter. Noch heute träfen am Mittelmeer Menschen, Völker und Kulturen aus allen Teilen der Welt zusammen. Vor seinem zweitägigen Besuch auf Zypern hatte Franziskus das Mittelmeer allerdings als einen „riesigen Friedhof“ bezeichnet.

Über das Mittelmeer führen einige der wichtigsten Flüchtlingsrouten für Menschen aus Afrika und Asien, die nach Europa gelangen wollen. Die Überfahrt ist häufig lebensgefährlich. Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bereits etwa 1.400 Geflüchtete bei dem Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen, gestorben. Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus.

Papst nimmt 50 Geflüchtete mit

Bei seinem Besuch auf der geteilten Mittelmeer-Insel Zypern hat Papst Franziskus in Bezug auf die Migration vor Ort zur „Einheit“ ausgerufen. Außerdem bekräftigte er, 50 geflüchtete Menschen mit nach Italien nehmen zu wollen.

Der Papst war am Nachmittag mit allen Ehren empfangen worden. Es ist der zweite Besuch eines Papstes in der Republik Zypern, deren Bevölkerung mehrheitlich der christlich-orthodoxen Kirche angehört. 2010 hatte der damalige Papst Benedikt XVI. den EU-Mitgliedstaat besucht.

„Europa braucht Versöhnung und Einheit“

Ersin Tatar, Präsident der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern (TNCR), warf den zyprischen Behörden vor, den Papstbesuch für politische Zwecke im Zypern-Konflikt zu instrumentalisieren. Der Papst warnte hingegen vor „Mauern der Angst“ und „nationalistischen Interessen“, die die europäische Zusammenarbeit behinderten: „Der europäische Kontinent braucht Versöhnung und Einheit.“

Zypern ist seit einer türkischen Invasion 1974 geteilt. Die ganze Insel gehört zur Europäischen Union, die Regeln und Gesetze der EU werden im türkisch-besetzten Norden aber nicht angewandt.

„Papst Franziskus, Symbol des Friedens“

Unter der Trennung leidet auch die Religionsgruppe der maronitischen Katholiken, deren zwei wichtigsten Dörfer Asomatos und Agia Marina im besetzen Norden liegen und nicht bewohnt werden können. Bei einem Gottesdienst berichtete eine Ordensfrau dem Papst: „Einige unserer ältesten Schwestern erzählen kummervoll, wie sie damals so schnell wie möglich flüchten mussten, um ihr Leben zu retten. Sie dachten, dass sie nur eine Nacht weg sein werden und am nächsten Tag wieder zurückkehren, leider aber dauert diese Nacht nun schon 47 Jahre.“

Gläubige und Mitwirkende an einem Open-Air-Gottesdienst im Stadion von Nikosia in Zypern
APA/AFP/Andreas Solaro
Etwa 7.000 Gläubige nahmen am Freitag an einem Open-Air-Gottesdienst mit papst Franziskus im Stadion von Nikosia teil

Viele hoffen, dass der Besuch des Papstes Auswirkungen haben kann – realistisch ist eine Verbesserung der Lage oder gar eine Vereinigung der Insel aber nicht. Eine Lösung ist in weite Ferne gerückt. „Papst Franziskus, Symbol des Friedens“, stand auf einem selbst gemalten Schild, das ein Kind auf dem Flughafen von Larnaka bei der Ankunft des Papstes in die Höhe hielt. Dass die Delegation des Vatikans in der rund 50 Kilometer entfernten Hafenstadt landete und nicht in Nikosia, wo der Flughafen in der Pufferzone liegt und damit nicht in Betrieb ist, ist bezeichnend für die Situation auf der Insel.

Gottesdienst und Treffen mit Geflüchteten

Am Freitagmorgen fand ein Gottesdienst unter der Leitung des 84-jährigen Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche im Stadion von Nikosia vor 7.000 Gläubigen geplant. Dort waren vor allem die Mitglieder der lateinischen katholischen Gemeinde Zyperns. Zu ihren 25.000 Mitgliedern zählen in erster Linie asiatische Gastarbeiter und afrikanische Flüchtlinge. Im Anschluss will der Papst nach Griechenland weiterreisen.

Vor dem abendlichen Treffen mit den Migrantinnen und Migranten wird Franziskus am Freitag mit dem Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Insel, Chrysostomos II., sprechen. Anschließend ist in Nikosia eine Messe des Pontifex im größten Stadion der Insel vorgesehen.

Dialog mit Orthodoxen

Für eine größere Nähe zur Orthodoxen Kirche sprach sich der Papst am Freitag vor dem Heiligen Synod, dem höchsten Gremium der orthodoxen Kirche auf Zypern aus. „Ich hoffe aufrichtig, dass die Möglichkeiten, einander zu begegnen, sich besser kennen zu lernen, viele Vorurteile abzubauen und den Glaubenserfahrungen der anderen offen zuzuhören, zunehmen werden“, sagte das katholische Kirchenoberhaupt. Zuvor hatte Franziskus den orthodoxen Erzbischof Chrysostomos II. zu einem kurzen Gespräch getroffen.

Papst Franziskus mit dem griechisch-orthodoxen Erzbischof Chrysostomos II.
APA/AFP/Iakovos Hatzistavrou
Franziskus mit dem griechisch-orthodoxen Erzbischof Chrysostomos II.

Dabei bat der Papst konkret um Hilfe bei der Weltsynode bis 2023. Mit dieser wolle die Katholische Kirche die „synodale Dimension“ der Kirche wiederentdecken. „Und dabei haben wir das Bedürfnis, noch intensiver mit euch, liebe Brüder, zusammenzuarbeiten, die ihr uns durch die Erfahrung eurer Synodalität wirklich helfen könnt“, so Franziskus.

Mit „Demut und Respekt“ annähern

Weiter sagte Franziskus: „Sicherlich hat die Geschichte auf dem Gebiet unserer Beziehungen tiefe Gräben zwischen uns aufgerissen, aber der Heilige Geist will, dass wir uns in Demut und Respekt wieder einander annähern“, statt sich mit den „Spaltungen der Vergangenheit“ abzufinden. Beide Kirchen hätten denselben apostolischen Ursprung.

Dabei dürften sich beide Seiten nicht von der Angst lähmen lassen, sich zu öffnen und mutige Zeichen zu setzen. „Geben wir uns nicht jener ‚Unversöhnlichkeit der Unterschiede‘ hin, die sich nicht im Evangelium widerspiegelt“, appellierte Franziskus. „Wie oft in der Geschichte haben wir Christen uns damit beschäftigt, andere zu bekämpfen, anstatt den Weg Gottes sanftmütig anzunehmen, der danach strebt, die Spaltungen in Nächstenliebe wieder zusammenzufügen“. Entscheidend sei es, so der Papst, dass sich alle auf die gemeinsame „Mutterkirche“ besinnen würden.