Deutschland

Rabbiner kritisieren Müllers Verschwörungsmythen

Die Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) kritisiert Kardinal Gerhard Ludwig Müller scharf für dessen Verschwörungsmythen über eine angeblich geplante Gleichschaltung der Menschen nach der Coronavirus-Pandemie. Sie fordern eine Distanzierung der römisch-katholischen Kirche.

Der CER-Präsident, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, forderte den Vatikan und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) auf, „sich von solchen kruden Aussagen und Positionen klar distanzieren“.

„Religionsvertreter sollten gerade in dieser Zeitphase, in der mit Verschwörungsmythen, falschen Narrativen und Hass versucht wird, unsere Gesellschaft zu spalten und sie gegen Demokratie und Pluralismus aufzuhetzen, mäßigend wirken und entschieden für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eintreten und sich gegen Verschwörungen, Hass und Verleumdungen stellen“, sagte Goldschmidt laut Mitteilung vom Mittwoch.

Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der europäischen Rabbinerkonferenz.
APA/AFP/David Gannon
Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der europäischen Rabbinerkonferenz

Oft antisemitischer Hintergrund

Müller (73), der frühere Bischof von Regensburg Ex-Chef der Glaubenskongregation im Vatikan hatte in einem Interview davon gesprochen, dass hinter Maßnahmen gegen die Pandemie eine finanzkräftige Elite stecke. „Leute, die auf dem Thron ihres Reichtums sitzen“, sehen laut Müller „eine Chance jetzt, um ihre Agenda durchzusetzen“. Der Kardinal und Richter am höchsten Gericht des Vatikans erwähnte auch explizit den amerikanisch-jüdischen Investor George Soros. Dies könne „als antisemitische Chiffre gewertet werden“, sagte der Politikwissenschaftler und Experte für Verschwörungstheorien, Jan Rathje.

Solche Formulierungen kommen schon lange in Verschwörungsideologien vor und wurden zuletzt auf die Coronavirus-Pandemie übertragen. Derartige Mythen werden von Kennern der verschwörungsideologischen Szene aber regelmäßig widerlegt. Die Verschwörungsmythen haben meist einen antisemitischen Hintergrund.

„Antijüdische Klischees“

Müller sagte, er wolle „eigentlich nicht geschaffen und erlöst werden“ von Leuten wie dem früheren Microsoft-Chef Bill Gates oder Klaus Schwab, dem Chef des Weltwirtschaftsforums in Davos. Die beiden tauchen ebenso wie Soros häufig in Verschwörungsideologien auf.

„Die Aussagen von Kardinal Müller sind eine große Enttäuschung für sehr viele Menschen, die in dieser schwierigen Zeit der Pandemie nach Orientierung suchen und Zuversicht brauchen“, sagte Goldschmidt. Auch der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) kritisierte Müllers Äußerungen scharf: „Kardinal Müller hat antijüdische Klischees bedient und macht antisemitische Gedanken bei manchen Gläubigen hoffähig.“ Er forderte ihn auf, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren und dafür zu entschuldigen.

„Klare, unmissverständliche Distanzierung“

Auch der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, warf dem ehemaligen Regensburger Bischof vor, dass er „absurde, antisemitische Verschwörungsmythen verbreitet, die schädlich für unsere Gesellschaft sind und bestehende Probleme nur verstärken“.

Im Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland sagte Klein: „Es bedarf einer klaren, unmissverständlichen Distanzierung von den verantwortungslosen Äußerungen Kardinal Müllers durch die katholische Kirche.“