Deutschland

Bischof: Kritik an Müllers Verschwörungsmythen

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat die von Kardinal Gerhard Ludwig Müller verbreiteten Verschwörungsmythen zu Covid-19 verurteilt. „Ich teile seine Auffassung nicht und finde seine Wortwahl absolut unpassend. Das geht gar nicht.“

„Ich muss sagen, da sind abstruse Ansichten dabei, die Spaltung befördern“, sagte der Limburger Bischof der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag). Zuvor hatten bereits die Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) die Verschwörungsmythen über eine angeblich geplante Gleichschaltung der Menschen nach der Coronavirus-Pandemie verurteilt und eine Distanzierung der römisch-katholischen Kirche gefordert.

Auch der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) hatte Müllers Äußerungen scharf kritisiert: „Kardinal Müller hat antijüdische Klischees bedient und macht antisemitische Gedanken bei manchen Gläubigen hoffähig.“ Er forderte ihn auf, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren und dafür zu entschuldigen.

Finanzelite hinter Pandemie

Der hohe Vatikan-Richter Müller hatte in einem Interview davon gesprochen, dass hinter Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie eine finanzkräftige Elite stecken würde. Das katholisch-konservative „St. Bonifatius Institut“ aus Österreich twitterte ein Video davon.

„Leute, die auf dem Thron ihres Reichtums sitzen“, sehen angeblich „eine Chance jetzt, um ihre Agenda durchzusetzen“, wie der 73-Jährige behauptete. Es gebe ein gewisses Chaos, „auch geboren aus dem Willen, die Gelegenheit zu nutzen, die Menschen jetzt gleichzuschalten, einer totalen Kontrolle zu unterziehen, einen Überwachungsstaat zu etablieren …“

Müller bestätigte der Deutschen Presse-Agentur per E-Mail die Echtheit des Interviews. Der Vatikan reagierte auf dpa-Anfrage zunächst nicht. „Man wundert sich sehr über diese Theorien“, schrieb der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, danach auf Twitter. „Kardinal Müller spricht hier – davon gehe ich aus – als Privatperson.“

Experte: Verschwörungsideologische Aussagen

Solche Formulierungen kommen in Verschwörungstheorien vor und werden auf die Coronavirus-Pandemie übertragen. Der Politikwissenschaftler und Experte für solche Theorien Jan Rathje sagte der dpa zu Müllers Behauptungen: „Die Aussagen lassen sich größtenteils verschwörungsideologisch werten.“

Durch den Begriff „Gleichschaltung“ ziehe er „einen Vergleich zum Nationalsozialismus, der dadurch verharmlost wird“, sagte der Experte des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Darüber hinaus erwähnt Müller in seiner Rede den jüdischen Geschäftsmann George Soros, „was als antisemitische Chiffre gewertet werden kann“, sagte Rathje.

Im höchsten Gericht tätig

Müller sagte, er wolle „eigentlich nicht geschaffen und erlöst werden“ von Leuten wie dem früheren Microsoft-Chef Bill Gates oder Klaus Schwab, dem Chef des Weltwirtschaftsforums in Davos. Die beiden Männer tauchen so wie Soros häufig in Verschwörungsmythen auf.

Der 73-jährige Müller war nach seiner Bischofszeit in Regensburg vom damaligen Papst Benedikt XVI. als Chef der Glaubenskongregation in den Vatikan geholt worden. Dort schied er nach nur einer Amtszeit von fünf Jahren aber schon wieder aus. Papst Franziskus berief den gebürtigen Rheinland-Pfälzer im Juni 2021 in das höchste Gericht der römischen Kurie, die Signatura Apostolica (Apostolische Signatur).

Narrative aus Verschwörungstheorien

Müller schrieb der dpa in der Email, dass er die Logik zurückweise, dass „wenn jemand die Finanzelite kritisiert, er automatisch auf der falschen Seite ist“. Er sprach erneut von einer „nicht legitimierten Einflussnahme der superreichen Eliten in verschiedenen Ländern“.

Der Kardinal hatte schon Anfang 2020 ein Manifest eines Erzbischofs gegen die pandemiebedingten Beschränkungen unterschrieben, in dem Narrative aus Verschwörungstheorien vorkommen. Die Rede war vom „Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht“. Müller sagte danach, dass der Text bewusst missverstanden wurde. Für Empörung hatte auch seine Kritik am Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland gesorgt, deren Entscheidungsfindung der Kardinal mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten verglichen hatte.