Missionarinnen der Nächstenliebe
APA/AFP/Dibyanshu Sarkar
APA/AFP/Dibyanshu Sarkar
Indien

Kritik an Spendenverbot für Mutter-Teresa-Hilfswerk

Eine von der Ordensschwester Mutter Teresa gegründete Hilfsorganisation soll nach einer neuen Entscheidung der indischen Regierung kein Geld von ausländischen Gebern mehr erhalten dürfen. Kritiker verurteilten den Schritt als Schikane der christlichen Gemeinschaft.

In einer am Montag veröffentlichten Erklärung des indischen Innenministeriums hieß es, eine entsprechende Lizenz für die Organisation Missionaries of Charity (Missionarinnen der Nächstenliebe) sei nicht verlängert worden. Die 1950 von Mutter Teresa gegründete Hilfsorganisation erfüllte die „Eignungskriterien“ für den Erhalt ausländischer Gelder nicht mehr. Bei einer Überprüfung seien „unerwünschte Beiträge“ an die Organisation festgestellt worden. Genauere Angaben machte das Ministerium nicht.

Unterkünfte für Mittellose

Der Generalvikar der Erzdiözese Kolkata, Dominic Gomes, bezeichnete die Entscheidung als „grausames Weihnachtsgeschenk für die Armen“. Die Missionaries of Charity betreiben in ganz Indien Unterkünfte für Obdachlose und arme Menschen. Der Tageszeitung „The Hindu“ zufolge erhielt die Organisation im Haushaltsjahr 2020/21 etwa 750 Millionen US-Dollar (662 Millionen Euro) aus dem Ausland.

Die Missionarinnen der Nächstenliebe ist eine der weltweit bestbekannten katholischen Hilfsorganisationen. Mutter Teresa erhielt 1979 den Friedensnobelpreis für ihre humanitäre Arbeit. Von Papst Franziskus wurde sie 2016 – nur 19 Jahre nach ihrem Tod – heiliggesprochen.

Missio: Spendenverbot „nicht unerwartet“

Für den Missio-Österreich-Nationaldirektor Karl Wallner kommt das Spendenverbot „nicht unerwartet“. Es sei vielmehr das Ergebnis der hindunationalistischen Politik des amtierenden Premierministers Narendra Modi, die mit einer „atemberaubenden Christenfeindlichkeit“ einhergehe, betonte Wallner am Dienstag im Gespräch mit Kathpress.

Die Entscheidung der indischen Regierung ordne sich ein in eine Reihe von „vielen Schikanen, die gegen Christen seit Jahren laufen“, beklagte Wallner. Er wies darauf hin, dass Indien im Index des Hilfswerks „Open Doors“ mittlerweile unter den „Top 10“ der Christen verfolgenden Länder rangiere, noch vor Saudi-Arabien, dem Irak oder Syrien. Wallner zeigte sich entsetzt, wie die Christenfeindlichkeit in Indien nicht wahrgenommen werde, „der Westen ist hier auf einem Auge blind und agiert naiv“.

„Schikanen“ seit 2014

Diese vom Westen weitgehend unbemerkte Entwicklung sei in erster Linie auf den Wahlerfolg des Hindunationalisten Modi im Jahr 2014 zurückzuführen. Seitdem würden Christen und andere religiöse Minderheiten in dem Land systematisch unterdrückt und seien Schikanen ausgesetzt. Für ein Schwellenland wie Indien sei dieses Vorgehen nicht zu rechtfertigen und entspreche in keiner Weise westlichen Standards in Bezug auf Religionsfreiheit.

Man könne gerade den Mutter-Teresa-Schwestern sicher nicht vorwerfen, missionarisch tätig zu sein, hielt Wallner fest. Der Orden sei in erster Linie karitativ tätig und unterstütze die Ärmsten der Armen. Aber schon dieser Umstand sei „der Regierung offensichtlich ein Dorn im Auge“, so der Missio-Direktor.

„Wird auch die eigenen Leute treffen“

Dramatisch sei das in erster Linie für die betroffenen Menschen, die im vorherrschenden Kastenwesen ohne die Mildtätigkeit von Hilfsorganisationen keine Chancen haben. Hier werde ein großer Schaden angerichtet, der „letztendlich auch die eigenen Leute treffen wird“, zeigte sich Wallner überzeugt. Denn die Einrichtungen der Schwestern spielten angesichts ihrer Größe eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Versorgung vieler Menschen in Not.

„Erzwungene Konversion“

Vor rund zwei Wochen hatte die Polizei im Unionsstaat Gujarat mit Ermittlungen gegen die Missionaries of Charity begonnen. Vertreterinnen und Vertretern der Organisation wird dort vorgeworfen, Hindus zum Übertritt zum Christentum gezwungen zu haben. Der Vorwurf der „erzwungenen Konversion“ wird von hindu-nationalistischen Hardlinern in Indien immer wieder erhoben.

Seit dem Amtsantritt der hindu-nationalistischen Regierung von Premierminister Narendra Modi in Indien im Jahr 2014 beklagen Aktivistinnen und Aktivisten in dem Land eine zunehmende Diskriminierung von Angehörigen religiöser Minderheiten. Die US-Kommission für Religionsfreiheit stufte die Lage in Indien mit Blick auf die Religionsfreiheit im vergangenen Jahr erstmals als „besorgniserregend“ ein.