Deutschland

Antisemitismusbeauftragter auf „Antisemiten-Liste“

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum (SWC) mit Sitz in Los Angeles führt auf seiner weltweiten „Antisemiten-Liste“ 2021 den Antisemitismusbeauftragten des Landes Baden-Württemberg in Deutschland, Michael Blume. Kritik daran kommt von jüdischen Landesgemeinden, das Vorgehen sei „ungeheuerlich“.

Seit Jahren kämpft Blume als Antisemitismusbeauftragter gegen Judenfeindlichkeit. Er prangert antisemitische Tendenzen in der „Querdenker“-Szene an, hält Vorträge, gibt Studien in Auftrag und wirbt für Dialog. Dass er sich eines Tages ausgerechnet auf der weltweiten „Antisemiten-Liste“ des Simon-Wiesenthal-Zentrums wiederfinden könnte, hatte der 45 Jahre alte Religionswissenschaftler aus Deutschland wohl nicht erwartet.

Blume bedankte sich nach der scharfen Kritik des Simon-Wiesenthal-Zentrums für „ganz viel Solidarität“ aus den jüdischen Gemeinden in Deutschland. Er meldete sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort: „Die jüdischen Landesgemeinden waren wunderbar klar“, schrieb der Religionswissenschaftler am Mittwoch. Diese hatten die Entscheidung des Wiesenthal-Zentrums, Blume auf seine „Antisemiten-Liste“ 2021 zu setzen, als scharf kritisiert.

Versuch der „Verunglimpfung“

Blume wird auf Platz Sieben der Liste geführt, die angeführt wird von Israels Erzfeind Iran. Auf Platz zwei steht die militante Palästinenserorganisation Hamas, die sich die Zerstörung Israels auf die Fahnen geschrieben hat.

Die Israelitischen Religionsgemeinschaften (IRG) des Landes hatten schon kurz nach der Veröffentlichung der Liste am Dienstagabend scharfe Kritik an der Entscheidung geübt. Die jüdischen Gemeinden verurteilten „einhellig den Versuch einer Verunglimpfung des Antisemitismusbeauftragten“, erklärten sie. „Einen Brückenbauer zwischen Baden-Württemberg und Israel auf eine gemeinsame Liste mit Feinden Israels zu setzen ist ungeheuerlich.“

Kritik aus jüdischer Gemeinde

„Wir kennen Dr. Michael Blume bereits seit fast zwei Jahrzehnten als einen außergewöhnlich engagierten und ausgesprochen kompetenten Kämpfer gegen Antisemitismus jeder Form, als einen Freund der jüdischen Gemeinschaft“, erklärte dagegen Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs. „Es wäre nur redlich, wenn das Simon Wiesenthal Center (…) bei seinen Einschätzungen zu Menschen, denen man Antisemitismus vorwirft, vorab auch den Kontakt mit den jüdischen Gemeinden und ihren demokratisch gewählten Vertretern sucht.“

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland zeigte sich ebenfalls irritiert. „Eine solche Entscheidung erweist sich als kontraproduktiv in der Bekämpfung des sich in diesen Zeiten verschärfenden Antisemitismus.“ Deutschland habe in dem Bereich zuletzt „außerordentlich viel getan“, erklärte der Vorstand, bestehend aus den Rabbinern Avichai Apel, Zsolt Balla und Yehuda Pushkin. Es handle sich „wohl um einen Irrläufer“ des Zentrums, der korrigiert werden sollte.

Likes auf Twitter kritisiert

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte die Aufnahme Blumes auf die Liste unter anderem damit begründet, dass dieser seit 2019 anti-jüdische, anti-israelische und konspirative Twitter-Accounts gelikt und Beiträge weiterverbreitet habe. Um welche Posts und welche Accounts es sich genau handelte, schrieb die Organisation nicht. Blume habe es zudem versäumt, Freiburg dazu aufzurufen, seine Städtepartnerschaft mit dem iranischen Isfahan zu beenden. Isfahans Stadtverwaltung finanziere Aufrufe zur Zerstörung des jüdischen Staates auf der jährlichen Al-Kuds-Tag-Demonstration, hieß es.

Blume schrieb auf Twitter: „Einige Vorwürfe des sog. SWC halten nicht einmal einer oberflächlichen Überprüfung stand.“ Er sehe sich seit Jahren und vor allem seit seinem Amtsantritt 2018 rechtsextremen Internet-Trollen ausgesetzt.

Rückendeckung von Politik

Rückendeckung erhielt der Antisemitismusbeauftragte auch von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Die Vorwürfe gegen Blume nannte der Regierungschef „nicht nachvollziehbar und höchst befremdlich“. Es sei auch fraglich, ob ein solches Ranking helfe, die gesellschaftliche Spaltung und den Antisemitismus zu überwinden, sagte er auf Anfrage.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl bezeichnete Blume am Mittwoch als top-engagierten, herausragenden Antisemitismusbeauftragten. „Ich kann mir für diese Aufgabe keine bessere Person vorstellen“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

An der Liste gab es schon in der Vergangenheit Kritik. So hatte das Wiesenthal-Zentrum 2019 den deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen auf seiner Liste genannt. Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, nahm den Diplomaten daraufhin in Schutz und sagte: Solche „wirklich völlig unangebrachten“ Vorwürfe würden die Diskussion nur erschweren.