Künstliche Intelligenz, Algorithmen, Kopf
Pixabay/Geralt
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Ethik

Mit KI gegen Diskriminierung

Diskriminierung ist weltweit ein großes Thema – ob aus Gründen der Religion, des Geschlechts, der Nationalität oder wegen einer Behinderung. Betroffene erleben sich oft alleingelassen. Der Antidiskriminierungschatbot „Meta“ soll in Deutschland Abhilfe schaffen. Er ist der erste seiner Art.

Wie alle Chatbots ist „Meta“ ein technisches System, das sich mit Menschen „unterhält“. Mit jeder Anwendung lernt die Künstliche Intelligenz (KI) dazu und erweitert ihren Wortschatz. Was „Meta“ einzigartig macht, ist das Ziel dieser Gespräche: „Meta“ soll Menschen informieren können, welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten es bei Diskriminierung gibt, welche Fristen dafür zu beachten sind und wo Beratungsangebote gefunden werden können, erklären sein Initiator der Hamburger Jurist Said Haider und seine Kollegin, die Informatikerin Meryem Can, im Gespräch mit religion.ORF.at.

Derzeit stehen Antwortmöglichkeiten zum Anklicken zur Verfügung, bald schon soll es aber möglich sein, Nachrichten an „Meta“ individuell zu verfassen. Seit der Einführung von „Meta“ im Februar 2021 konnten Haider und Can Fachleute aus dem IT-Bereich, der Rechtsprechung ebenso wie aus der Antidiskriminierungsarbeit von ihrer Idee überzeugen. So fanden sie auch finanzielle Unterstützung, etwa durch die Robert Bosch Stiftung, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz oder die Hertie-Stiftung, die mit dem Förderprogramm „Mitwirken“ Projekte und Initiativen unterstützt, die sich für ein demokratisches Miteinander in der Gesellschaft einsetzen.

„Queere Frau mit Kopftuch“

Die Idee, einen Antidiskriminierungschatbot zu entwickeln, kam Haider während seiner Arbeit bei dem YouTube-Kanal „Datteltäter“, der sich humoristisch mit Vorurteilen auseinandersetzt. Weil sie satirisch über Diskriminierung berichten wollten und „die besten Geschichten immer noch das Leben schreibt“, so Haider, baten sie ihre Nutzer und Nutzerinnen, von ihren Erfahrungen zu berichten.

Innerhalb kürzester Zeit erhielten sie zahlreiche Rückmeldungen. „Viele der Vorfälle waren erst wenige Tage alt“, sagt Haider. Das Dilemma bei Diskriminierung zeige sich deutlich: „Es gibt zwar rechtliche Diskriminierungsverbote, aber Betroffene kennen diese häufig nicht. Und auch die eine zentrale Sammelstelle, wo man Antworten bekommt, gibt es nicht.“ Besonders schwer hätten es Menschen, die Mehrfachdiskriminierung erleben. Can verweist hierfür beispielsweise auf eine queere Frau mit Kopftuch, die auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert wird.

Bestehende Angebote „zu einseitig“

Weil er als Jurist helfen wollte, begab Haider sich auf die Suche nach Antworten. Dabei stellte er fest, dass bestehende Beratungsangebote häufig nicht ausreichen, um Betroffene von Diskriminierung zu unterstützen. Aber nicht nur der Mangel an Beratungsstellen sei ein Problem, ergänzt Can: Viele der bestehenden Angebote würden auch zu einseitig ansetzen. Etwa wenn Antidiskriminierungsstellen zwingend an Migrationsangebote gebunden sind. Diskriminierung könne aber viele Gesichter haben.

Mit „Meta“ wollen Haider und Can genau bei diesen Lücken ansetzen und sie schließen. Der Chatbot soll allen Menschen helfen können, die Diskriminierung erleben. Das große Potenzial sei, dass der Chatbot anonym, kostenlos und immer verfügbar ist, sagt Haider. Dabei sei „Meta“ erst im Aufbau begriffen. Schon bald wird aber ein Folgeprodukt vorgestellt werden, das auch einen neuen Namen tragen wird, der dem Anliegen und der Zielgruppe noch besser entspricht.

Screenshot von Meta-Chatbot Hallo ich bin Meta
Irene Klissenbauer
So wie das Projekt sich immer weiterentwickelt, ändert sich auch sein Name. Auch hierbei konnten sich Nutzer und Nutzerinnen einbringen.

Große Nachfrage

Wie groß der Bedarf an einem Chatbot wie „Meta“ ist, zeigt sich für Can und Haider auch daran, dass ihr Prototyp „Meta“ in knapp einem Jahr 1.400 Nutzer und Nutzerinnen hatte. „Und das, obwohl wir keine Werbung geschaltet haben“, sagt Haider. Das große Interesse dürfte Can zufolge auch daran liegen, dass der digitale Bereich bisher für die Antidiskriminierungsberatung überhaupt nicht genutzt wurde. Auch die Idee, eine gemeinnützige KI zu entwickeln, sei bisher kaum üblich, so Haider.

Wie Can und Haider betonen, ist ihnen ein offener, inklusiver Ansatz wichtig. Dieser spiegle sich auch im Team wider, das hinter „Meta“ steht: „Wir haben bei uns Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen die queer sind, die transgender sind, Menschen mit Behinderung. Und wir versuchen durch diese Diversität ein Produkt zu schaffen, das wirklich den Bedarf der Zielgruppe kennt und versteht. Und zwar aus der eigenen DNA heraus.“

Team von Meta
Said Haider
Die Entwicklung des Chatbots sei mehr als eine berufliche Aufgabe für sie, sagen Haider und Can.

Wie trainiert man eine KI?

Die Vielfalt im Team soll sicherstellen, dass die KI, die hinter dem Produkt steht, nicht menschliche Vorurteile übernimmt und damit selbst diskriminierend wird, sagt Can: „Eine Künstliche Intelligenz ist, was man ihr antrainiert.“ Gerade deshalb sei es auch ein Vorteil, dass der Chatbot offen entwickelt werde. Nutzer und Nutzerinnen können sich von Beginn an einbringen. Dadurch würden unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen eingespielt.

Screenshot von Meta-Chatbot mit Auswahlmöglichkeiten
Irene Klissenbauer
„Meta“ will helfen, Beratungsangebote und Rechtsberatung zu finden. Zudem gibt es die Möglichkeit, Vorfälle zu melden. Bald schon sollen Textnachrichten selbst eingegeben werden können.

Can und Haider sind überzeugt, dass es wichtig ist, das gesellschaftliche Bewusstsein für Diskriminierung zu stärken. Auch hierzu wollen sie einen Beitrag leisten: mit Hilfe der Daten des Chatbots soll jährlich ein Bericht über Diskriminierung in Deutschland herausgebracht werden. Dazu würden die Userinputs von Fachkräften durchgesehen und einsortiert, sagt Can. Denn es müsse juristisch geprüft werden, ob es sich bei den gemeldeten Fällen tatsächlich um Diskriminierung handelt.

Ein Blick in die Zukunft

Der Prototyp ist derzeit nur auf Deutsch verfügbar. Eine sukzessive Ausweitung auf andere Sprachen ist geplant, denn auch sprachliche Barrieren sollen überwunden werden. Langfristig soll „Meta“ nicht nur auf einer Website verfügbar sein, sondern auch über Messenger-Dienste wie WhatsApp.

Ein besonderes Anliegen für 2022 ist, die „Top 10“ der gängigsten Diskriminierungsfälle abzubilden. Hierfür soll die schon bestehende Zusammenarbeit mit Anwältinnen und Anwälten ausgebaut werden. Mit ihrer Hilfe soll langfristig eine Wissensdatenbank aufgebaut werden, die Fälle von Diskriminierung abbildet und damit einen Beitrag leisten kann, sie zu überwinden. Dass ein Chatbot wie „Meta“ international angewendet wird, wäre wünschenswert, sagt Haider. Derzeit ist das aber noch nicht möglich. Für eine Zusammenarbeit mit Menschen, die Eigenes initiieren wollen, sei man aber immer offen.